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Grundschulen
Mit Schnuppertagen gegen den Schulleitermangel

Bundesweit fehlen an Hunderten Grundschulen Schulleiter - allein in NRW sind derzeit an rund 350 Grundschulen die Rektorenstellen unbesetzt. Die Bezirksregierung in Münster geht daher neue Wege: Ein Mentorenprogramm ermöglicht Lehrerinnen und Lehrer, den Alltag eines Rektors kennenzulernen.

Von Nicole Albers | 12.07.2018
    Unterricht in einer 4. Klasse der Potsdamer Grundschule "Am Pappelhain".
    Nicht nur Lehrer fehlen an deutschen Grundschulen - auch viele Rektorenstellen sind unbesetzt (dpa / Patrick Pleul)
    "Ich hab einfach festgestellt, dass ich nicht nur gern Lehrerin bin, sondern, dass es mich auch interessiert, Schule mitzugestalten und einen Blick hinter die Kulissen zu kriegen, mehr Verantwortung zu übernehmen", sagt Nina Haubold. Sie ist 33 Jahre alt, und hat schon einige Jahre Berufserfahrung. Eine Schule zu leiten, das könnte sie sich theoretisch vorstellen, doch vorher möchte sie wissen, was wirklich alles so auf einen Schulleiter einprasselt.
    Möglich macht das das auf ein Jahr angelegte Mentorenprogramm der Bezirksregierung Münster, das für den Schulleiterjob begeistern möchte. Nina Haubold nimmt daran einmal etwa im Monat teil und schaut immer Michaela Ellerbrock über die Schulter. Sie ist Schulleiterin an der Lambertigrundschule Coesfeld. Der Morgen startet mit einer unschönen Ortsbesichtigung.
    Den Alltag kennenlernen
    "Ganz viel sind sie an der Tischtennisplatte, dann liegt hier alles voll Müll, fast jeden Morgen, sie sehen das kaputte Fahrrad schon", der Hausmeister ist genervt. Seit einiger Zeit treffen sich abends auf dem Schulhof Jugendliche. Mit den Hinterlassenschaften muss er sich dann morgens rumschlagen. "Wann hast du mit der Polizei gesprochen?" Hier will die Schulleiterin nochmal nachhaken.
    Zunächst aber hat sie jetzt einen wichtigen Termin mit den Klassensprechern. Das Schülerparlament steht an. Nina Haubold begleitet sie: "Wie oft tagt das?" - "Das tagt zwei Mal im Jahr. Da kommen die Klassensprecher zusammen und besprechen vorher in der Klasse, was anliegt und bringen das hier an."
    "Erstmal Spielwagen, da waren die Topfstelzen zerbrochen." Nach einer halben Stunde hat die Rektorin eine lange Aufgabenliste. Im Büro setzen sich Haubold und Ellerbrock einen Moment zusammen und besprechen, was heute noch so alles anliegt. "Gleich um 10 hab ich noch ein Treffen mit Maike wegen offenem Ganztag…" Es klopft an der Tür. "Guten Morgen, haben sie kurz Zeit?" Eine Mutter kommt unangemeldet herein – und Michaela Ellerbrock nimmt sich auch für sie einen Moment Zeit.
    Großes Aufgabenspektrum - unattraktive Bezahlung
    Nina Haubold ist erstaunt. Natürlich weiß sie, dass eine Schulleiterin eine viel gefragte Person ist, aber die Ausmaße waren ihr doch nicht so bewusst: "Dass man einfach Ansprechpartner für unglaublich viele Menschen ist und sich mal eben flexibel auf alle Personengruppen einstellen kann, Kollegen, Kinder, Eltern, aber auch außerschulische Institutionen."
    Ortswechsel. Das Büro der Regierungsschuldirektorin Albina Lobell. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich die Akten. Es gilt, den enormen Bedarf an Schulleitern zu decken. Allein im Regierungsbezirk Münster gehen 75 Grundschulen ohne Schulleiter in die Sommerferien und werden auch ohne das neue Schuljahr beginnen. Lobell: "Das müssen dann die Stellvertreter übernehmen, das müssen die Kolleginnen vor Ort übernehmen, das ist nicht einfach, das ist mehr Belastung und darum ist es uns ein großes Anliegen, die Lücke zu schließen."
    Leichter gesagt als getan. Inklusion, Statistiken, Datenschutz - das sind nur einige der Aufgaben, die Schulleiter mittlerweile zusätzlich zu ihrem sonstigen Alltag erfüllen müssen. Auch bei der Bezahlung von Rektoren sehen Experten noch einigen Nachholbedarf. Lobell weiß, dass das auf viele abschreckend wirkt. Hinzu kommt: "Wir haben im Bereich der Grundschulen viele Frauen. Dann kommt natürlich eine eigene Familiengründungsphase dazu. Natürlich muss ja Familie und Beruf vereinbar sein."
    Gefragtes Mentorenprogramm
    Entsprechend versucht es die Bezirksregierung mittlerweile mit sogenannten Jobsharingprogrammen, bei dem sich zwei Schulleiter den Posten teilen. Doch das wird nur mäßig angenommen. Darum setzt Lobell auf das Mentorenprogramm. Neben Nina Haubold nehmen noch 15 weitere Kandidaten daran teil und die Warteliste ist lang. Entsprechend soll das Programm nächstes Jahr weitergehen.
    Nina Haubold ist auf jeden Fall froh, dass sie mitmacht: "Es ist auf jeden Fall total hilfreich, mal einen detaillierten Einblick zu bekommen und jemanden so hautnah begleiten zu können. Und ich hab das große Glück, hier eine Ansprechpartnerin zu haben, die ich jederzeit mit meinen - in Anführungsstrichen - doofen Fragen nerven kann. Deswegen ist das schon ganz hilfreich."