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Schweizer SRF auf Sparkurs
Proteste gegen neuen Newsroom

Die deutschsprachigen Nachrichten in der Schweiz kommen aus Bern und Zürich - noch. Um Geld zu sparen, sollen die Radio- und Fernsehredaktion einen gemeinsamen Züricher Newsroom bekommen. Die Journalisten wehren sich: Der Umzug gehe auf Kosten der Medienvielfalt.

Von Thomas Wagner | 17.10.2018
    Das Studio Bern der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft
    Noch werden im SRF-Studio in Bern Radionachrichten produziert. In Kürze soll die Redaktion nach Zürich umziehen. (Deutschlandradio/ Nathalie Nad Abonji)
    Während im Radio die Bayernwahl in der deutschen Nachbarschaft an erster Stelle steht, berichtet das Schweizer Fernsehen kurze Zeit später als erstes über eine geheimnisvolle Infektionskrankheit.*
    "Sehr interessant ist, dass die Themensetzung total unterschiedlich ist. Also, es hat selten mehr als ein, zwei Themen, die die gleichen sind am gleichen Abend in der Radiosendung wie auch in der Fernsehsendung. Und das ist Vielfalt", so Priscilla Imboden, in Bern Parlamentskorrespondentin für das öffentlich-rechtliche Schweizer Radio SRF und gleichzeitig Vertreterin des Syndikats Schweizer Medienschaffender, einer großen Journalistengewerkschaft.
    Bald alles aus einer Hand
    "Diese Vielfalt ist zustande gekommen, weil die SRG immer gesagt hat: Wir behalten das getrennt. Wir haben getrennte Chefredaktionen für Radio und Fernsehen. Und beide werden an verschiedenen Orten produziert."
    Und zwar in Bern und in Zürich. In Bern sind die Informationssendungen des Hörfunks angesiedelt, in Zürich das Fernsehzentrum. Doch mit dieser Aufteilung soll nun Schluss sein. Die Informationssendungen des Schweizer Radios sollen ab 2020 nicht mehr in Bern, sondern in einem gemeinsamen Newsroom mit dem Schweizer Fernsehen in Zürich produziert werden, so ein Beschluss des Verwaltungsrates der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft.
    Sender will sparen
    Priscilla Imboden sieht das kritisch: "Wir befürchten, dass es da zu einer Angleichung kommen wird von den Themen. Weil wir werden natürlich Seite an Seite arbeiten mit unseren Kollegen vom Fernsehen. Wir werden uns mit ihnen austauschen. Und da ist es wenig wahrscheinlich, dass die Themensetzung so unterschiedlich bleibt wie heute."
    Medienvielfalt adieu - das ist die Befürchtung, die nicht nur Priscilla Imboden, sondern viele ihrer Kolleginnen und Kollegen haben. Die Geschäftsleitung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft hält dem entgegen.
    "Wir müssen sparen, wie Sie wissen. Wir haben einige Herausforderungen im Bereich Wirtschaftlichkeit. Das ist die Situation. Das ist so, dass wir damit leben müssen", so SRG-Generaldirektor Gilles Marchand gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur sda.
    Folge der "Billag"-Abstimmung
    Tatsächlich hat sich die SRG ein Sparprogramm von insgesamt 100 Millionen Schweizer Franken verordnet, das sind umgerechnet knapp 90 Millionen Euro bei einem Gesamtetat von etwa 1,2 Milliarden Franken. Die Zusammenlegung der Informationsredaktionen von Radio und Fernsehen in der Deutsch-Schweiz soll jährlich rund fünf Millionen Franken Einsparung ergeben.
    Damit erfüllt die SRG ein Versprechen nach der so genannten "Billag"-Volksabstimmung: Anfang März hatten zwar über 70 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für eine Beibehaltung des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz votiert. Dessen Chefs versprachen im Gegenzug allerdings, dass stärker als bisher gespart werde.
    Journalisten wollen regionale Vielfalt schützen
    Ein absurdes Versprechen, findet Michael Burkard, Generalsekretär der Schweizer Mediengewerkschaft "Impressum": "Vor allem gewonnen wurde die Abstimmung dank der regionalen Vielfalt, die die SRG bislang geboten hat. Und wenn das jetzt wegfallen würde, dann könnte es sein, dass die nächste Abstimmung anders ausgehen könnte."
    Zwar hat der Verwaltungsrat der SRG die geplante Zusammenlegung der Radio- und Fernsehredaktionen zwischenzeitlich abgesegnet. Allerdings ist noch nicht endgültig ausgemacht, ob dieser umstrittene Plan tatsächlich umgesetzt wird.
    Parteien protestieren in seltener Einheit
    Denn zum einen haben sich die Schweizer Journalistenverbände beschwert, dass sie bei der Entscheidung nicht gehört worden seien. Ein sogenanntes "Konsultationsverfahren" soll nun klären, ob eine solche Anhörung zwingend notwendig gewesen wäre. Zum anderen haben sich in seltener Einigkeit die Präsidenten aller vier im Schweizer Bundesrat vertretenen Parteien gegen die geplante Zusammenlegung der Hörfunk- und Fernsehredaktionen ausgesprochen.
    Und das gibt Anlass zur Hoffnung, so Michael Burkard von der Journalistengewerkschaft "Impressum": "Das ist durchaus eine interessante Initiative, dass da alle Parteien von rechts bis links da mitgemacht haben. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass hier die SRG da nochmals zurückgepfiffen wird. Das ist denkbar. Die Hoffnung stirbt zuletzt – und der Journalismus hoffentlich auch."
    * Ursprünglich begann der Beitrag mit einem Themenvergleich der Radiosendung "Echo der Zeit" mit der Fernsehsendung "Tagesschau". Durch eine Verwechslung wurden die falschen O-Töne verwendet. Wir haben sie deshalb entfernt, genauso wie den Audiobeitrag.