Will Oldham: "Songs of Love and Hate"

Der Seelenmöbelbauer

Sänger Will Oldham bei einem Auftritt beim Eaux Claires Music Festival in Eau Claire, Wisconsin
"Ich fordere meine Stimme gern heraus", sagt Oldham. © imago stock&people
Von Fanny Tanck · 14.11.2018
Unter verschiedenen Pseudonymen hat Will Oldham in den letzten 20 Jahren Platten veröffentlicht. Unter seinem richtigen Namen erscheint jetzt ein Buch und ein Album "Songs of Love and Horror", das die ganze lyrische Bandbreite des Songwriters zeigt.
Der 48-jährige US-Amerikaner Will Oldham war schon so vieles: Palace Brothers, Palace Songs, Palace Music und: Bonnie Prince Billy. Sein wohl bekanntester Deckname, unter dem er seit nunmehr 20 Jahren hervorlugt, immer in der Absicht zu hypnotisieren, ein Ausnahmesänger zu sein. Einer, der seine Songs behandelt wie Organe: Wo sie pulsieren, entsteht echte Musik, entsteht Leben.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, braucht es mehr als einen Songwriter. Es braucht einen "Song-Builder", wie Oldham seine Berufung nennt. Jemanden, der Platz schafft im Leben für Musik. Ein Bett, ein Sofa, ein Song: Will Oldham baut Seelenmöbel, aus Wort und aus Ton.
"Der Text ist mal das Skelett und mal das Fleisch eines Songs", erklärt Oldham im Vorwort zu "Songs of Love and Horror". Entsprechend existentiell ist sein Verhältnis zum gesungenen Wort:
"Meine Songtexte nenne ich nicht Lyrics, sondern Song Words. Sie sind Tarnungen. Kostüme für Emotionen, Erinnerungen, Probleme und Aufschreie. Mein Vorwand, überhaupt mit Menschen zu kommunizieren."
Mal verbrüdert sich Oldham mit seinem Leser, dann wieder stößt er ihn vor den Kopf. Dabei ist es oft der Sound einzelner Worte, die besonders anecken, betören oder aufhorchen lassen. Dies sei auch der gesanglichen Finesse geschuldet, meint Oldham.
"Ich fordere meine Stimme gern heraus. Denn sie ist alles, was ich habe. Das, was ich auf der Gitarre mache, ersetzt bestenfalls ein fehlendes Gegenüber."

So verschroben wie einladend

Dennoch führen seine Texte auch ungesungen, als lyrisches Abenteuer auf dem Papier, ein soghaftes Eigenleben. Nicht jeder Song ist ein Gedicht, doch steckt genug Musik in Oldhams Sprache, um auch ohne seine Präsenz zu klingen.
Oldhams Textwelt ist so verschroben wie einladend. Dringlich, aber nie naheliegend. Sein Scharfsinn kennt keine Grenze zwischen Mensch und Tier, Innen- oder Außenseiter. Vielmehr lässt er viele Stimmen viele Fragen stellen. An die Liebe, an den Tod, an vieles, was man gemeinhin übersieht.
Märchenhaft hippieske Alltagsszenen durchstreift er dabei ebenso gründlich wie dramatische Verdi-Opern, verlogene Tierparks oder radikal verwüstetes Punkland. Und natürlich: seine eigene Plattensammlung.
Im Idealfall ist so ein Songtext unsere innere Stimme. Eine Lupe, die unerbittlich unter die Oberfläche des Menschen will. Ein Vergrößerungsglas, das aufdeckt, wer wir im Herzensgrund sind. Dass dabei nicht nur Angenehmes, oder, um das Möbelbild noch einmal aufzugreifen, Heimeliges zum Vorschein kommt, auch davon sprechen die Texte Will Oldhams: "Wenn du auf mich hörst, bist du verloren", singt er im Song "You Are Lost".
Anders gesagt: Ob im Guten oder im schlechten Sinn- Will Oldhams Worten entkommt man nicht.

Info: Das Buch "Songs of Love and Horror - The Collected Lyrics of Will Oldham" ist bei W.W. Norton & Company erschienen und kostet £16,99. Das gleichnamige Album ist auf dem Label Domino Records erschienen.

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