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Dänemark
Auf Austernjagd am Limfjord

Fischerhütten, riesige Quallen und dicke Sahnesaucen - das war der Urlaub am Limfjord in Dänemark früher. Heute locken Yachthafen, schicke Villen und Safaris, bei denen man die begehrten Limfjord-Austern jagen kann. Aber es gibt auch Dinge, die sich nicht ändern.

Von Katrin Kühne | 24.03.2019
Der rot-weiß gestreifte Grisetaodde-Leuchtturm, Neno-Sund im Limfjord, Nordjütland, Dänemark, Europa.
Einst eine verschnarchte Idylle, heute immer noch schön - aber eher schick: Küste am Limfjord (picture alliance / Imagebrooker)
Zweimal ging es in der Kindheit mit Eltern und Schwester in den Norden Dänemarks. Ins "gelobte Land" der dicken Sahnesaucen, Karamell-Kartoffeln und Riesenzuckerstücke.
Unser Käfer, genannt der "Blaue Blitz", sauste und sauste von West-Berlin mit uns immer weiter nach Norden. Bis wir den Limfjord erreichten. Mit seinen 1.500 Fläche ist er der größte Fjord Dänemarks und für Kinderaugen fast so groß wie das Meer.
Zwischen Thyboron und Agger mündet er in die Nordsee, wo wir einst bibbernd in eben diese stiegen. Für uns Kinder war es die große, weiße Weite zum Muschelsammeln und Baden. Menschenleer. Mit Eierkuchen-großen, aber harmlosen Quallen, mit denen meine Schwester und ich uns mit Begeisterung bewarfen.
Yachthafen und Edel-Restaurant
Am südlichen Rand des Limfjords liegt Skive. Ein Städtchen, durch das wir damals trödelten auf dem Weg nach Nord-Jütland. Skive glänzt heute mit schickem Yachthafen und einem ebensolchen Restaurant, wo es die so fashionable gewordenen Limfjord-Austern gibt. In meiner Kindheit sammelten wir ihre bizarren Schalen.
Großaufnahme einer Auster aus dem Limfjord in Dänemark.
Begehrt: Austern aus dem Limfjord (picture alliance / Nicolas Cho Meier)
"Als Kind konnte ich nicht richtig Fisch oder Muscheln essen, aber jetzt finde ich es sehr gut, aber früher war es nicht so."
Nee, das wäre auch nix für mich gewesen, schon gar keine glibberigen Austern, pflichte ich Peter Graversen aus Skive bei. Kein Mensch aß damals Austern in Jütland, bestätigt der Limfjord-Spezialist.
Auf Bernstein-Jagd gingen wir damals an der Nordsee, in Agger. Aber am Limfjord?
"Na es gibt auch Bernstein hier, aber hier muss man auch viel Glück haben. Dann man nimmt ein Stein, aha ist es Bernstein? und macht man so mit den Zähne - klak, klak - und dann kann man hören, ob es Bernstein ist oder nicht."
Austern pflücken und verputzen
Von den Austernsafaris, die jetzt entlang des südlichen Limfjords angeboten werden, wären wir Kinder total begeistert gewesen. Vor Gjeller Odde bei Lemvig liegt eine für Touristen freigegebene natürliche Austernbank.
"Wir kommen einfach hierher und ‚pflücken‘ die Austern."
So Kris, der die Safaris vom Jütland-Aquarium Thyboron begleitet.
"Das ist frei bei uns in Dänemark und wenn das Wasser so flach ist wie heute, geht das ganz einfach und bringt viel, viel Spaß!"
Austernsafari am Limfjord, Gjeller Odde.
Auf Austernsafari am Limfjord (Deutschlandradio / Katrin Kühne)
Eingefüllt in Angler-Gummianzüge, hat die Gruppe sich in grüne "Kegelrobben" verwandelt. "Bewappnet" mit einem Sammel-Sieb an einer Stange und einer Art roter "Flüstertüte" watscheln wir alle ins Wasser. Das rote Ding hat am großen Ende ein Glas. Damit lassen sich die Austern zwischen Kiesel und Tang besser im Wasser erkennen. Die großen, länglichen Pazifik-Austern sind leicht zu finden. Mit den unscheinbaren, aber schmackhafteren, flach-runden Limfjord-Austern tun wir uns schwerer.
Nach dem Sammeln werden die Muscheln sofort am Ufer aufgeschlagen. Für die alles Süße liebenden Dänen mit Zucker, Zwiebeln und Balsamico abgeschmeckt, werden sie sofort an Ort und Stelle verputzt.
Brücke statt Fähre
"Es ist von einem Flugzeug aufgenommen, dieses Foto, und man kann den ganzen Hafen sehen und dieses Gebiet hier ist, wo die alten Fischerboote waren und hier ist eine kleine Fähre, die fährt nach Glyngöre!"
Mit einer von zweien sind wir damals mit dem "Blauen Blitz" über den Sallingsund nach Nyköbing/Mors, übergesetzt. Das erzähle ich Henrik Madsen, als wir im charmant altmodischen Museum der Insel Mors herum stöbern.
"Pinen og Planen ist der Name dieser Schiffe, Fähren", - sie bedeuten in etwa ‚Pein und Plage‘ oder ‚Schmerzen und Schmerzen‘, weil man ja keine Wahl hatte - "und weil die Wasser sehr unruhig war, aber man muss, man kann nicht schwimmen!"
Die Fährverbindung existiert seit der Eröffnung der Brücke auf die größte Limfjord-Insel in den 1970er Jahren nicht mehr, meint Henrik Madsen. Er ist in der Inselhauptstadt Nyköping in 1960ern aufgewachsen.
"Und hier im Hafen konnte man sehen die Muscheln, wenn die Boote kamen mit Tausenden von Muscheln und auch die lebende Fische sehen, in einer kleinen Kiste im Wasser, und man konnte als Fünfjähriger oder Sechsjähriger gehen, das war kein Problem, und dann konnte man gucken. Das war toll!"
Seltene Sprachkenntnisse
Gleich nach der Ankunft im damals noch wuseligen Hafen fuhren wir mit dem Käfer zum nahen Rathaus-Torvet. Hinter dem alten Rathaus schaut heute noch die "Morsö Jernstöberi", die Gießerei und Eisenwarenfabrik Mors-Insel, mit ihrem Schornstein hervor. Henriks Eltern und Großvater haben dort gearbeitet. Heute ist die Stadt-Bibliothek darin untergebracht. In der Mitte des Platzes steht und stand König Christian IX. in Bronze. An der Ecke zur Hauptstraße "Algade" gab es eine große Buchhandlung. Von Johannes und Anna Elisabet Fischer, wie sich bald herausstellte. Unser Vater, dank Oxfordaufenthalt Englisch sprechend, spazierte mit uns hinein, um sich nach einer Unterkunftsmöglichkeit zu erkundigen. Tourismusamt, Ferienhausbüro? Gab es nicht. Der Buchhändler, ein älterer Herr, sprach gottseidank ebenfalls Englisch, keine Selbstverständlichkeit in dieser Zeit. Er erwies nicht nur als sehr freundlich gegenüber Deutschen, ebenfalls nicht selbstverständlich damals, sondern auch als sehr rührig. Nach kurzer Zeit konnten wir ein altes weißes Fischerhäuschen auf der anderen Seite der Bucht gegenüber vom Hafen beziehen.
Sonnenstrahlende Tage, wenn stets auch mit starkem Wind, waren das am und im Wasser, Bade-Ausflüge an die Nordsee, nach Agger, mit dem Buchhändler-Ehepaar. Baff erstaunt war ich über ‚Fru‘ Fischer, wie wir sie immer nannten: Eingewickelt in ein Badelaken rauchte sie nonchalant Zigarillos!
Vom Fischerhäuschen zur Villa
"Na, nicht heute! Aber wenn ich Kind war, das war normal, die Zigarillos, nicht Zigarren, das war für Männer, aber Zigarillos oder Zigaretten, das war für Frauen."
Als wir das zweite Mal nach Nyköbing auf Mors kamen, im Jahr des Mauerbaus 1961, hatten die Fischers uns ein Strandhäuschen direkt am Wasser in Refshammer organisiert. Es hatte Petroleumlampen und ein eisernes Buller-Öfchen der Morsö-Gießerei. Im Museum steht davon noch ein Exemplar. Es diente zum Teekochen und Heizen. Reichlich genutzt, denn es regnete und regnete. Was meine Schwester und mich nicht davon abhielt, Stangen stakend mit einer rostigen "Blechtubbe" unsere "Abenteuerreisen" auf dem Limfjord zu unternehmen. War Refshammer damals eigentlich ein Ort?
"Nein, da war kein Ort, ein paar Sommerhäuser - Genau! - Das war alles! Es ist jetzt ein Teil von der Stadt, mit vielen Häusern."
Heute stehen dort moderne Villen wohlhabender Nyköbinger. Johannes Fischer führte noch bis 1965 seinen Buchhandel am Rathausplatz, der 2005 endgültig geschlossen wurde. Heute ist dort ein Café. Gut können Henrik und ich uns noch an den "pölsevagn" gegenüber erinnern.
"Da war nur ein Papier, ein Brot und ein Wurst, rote pölse, en röd pölse med bröd!"
Die quietschroten Pölser begeistern noch heute - und die Zuckerstücke sind immer noch doppelt so groß wie bei uns.
Die Recherche wurde von www.visitdenmark.de unterstützt.