Cannabis als Wirtschaftsfaktor

Viel Geld in Tüten

07:49 Minuten
Ein Mann mischt Cannabis in einen Joint.
Zweieinhalb Milliarden Euro könnte der deutsche Staat jährlich an Steuern einnehmen, wenn Cannabis legal wäre, sagt Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. © picture alliance / ZB / Gerald Matzka
Justus Haucap im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 01.04.2019
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Wer in Cannabis investiert, macht gute Geschäfte, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. An Deutschland gehen aber legale Einnahmen aus der Hanfpflanze und damit auch Milliarden an Steuereinnahmen vorbei – wegen der aktuellen Gesetzeslage.
Stephan Karkowsky: Die Kifferkultur wandelt sich. Immer mehr Länder legalisieren Marihuana. Der Joint befeuert mittlerweile einen legalen Milliarden-Dollar-Markt. Auch in Berlin tagt seit gestern eine Internationale Cannabis Business Konferenz, weil man ahnt: Wer da zuletzt kommt, den bestraft das Leben. Das gilt ganz besonders für Deutschland, sagt der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. Der Staat lasse sich hierzulande Milliarden an Steuereinnahmen entgehen. Herr Haucap, von wie viel Geld sprechen wir genau?
Justus Haucap: Also, wenn man alles zusammenrechnet, dann kommt man locker auf zweieinhalb Milliarden, die Jahr für Jahr dem Steuerzahler verlorengehen. Das setzt sich aus zwei Blöcken im Großen und Ganzen zusammen: Das eine sind echte Steuereinnahmen, die nicht erhoben werden, weil Cannabis illegal ist und deswegen auch nicht besteuert wird.
Und das andere sind Kosten, die unnötig sind, weil zahlreiche Ermittlungsverfahren eröffnet und eingestellt werden, die also Verwaltungsaufwand bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten verursachen, ohne dass irgendein Zweck damit erreicht wird. Das sind auch noch mal rund eine Milliarde Euro.

Weniger "Problemkonsumenten"

Karkowsky: Man muss dazu sagen, Sie haben diese Studie erstellt für einen Auftraggeber, den Deutschen Hanfverband. Spiegelt das Ergebnis vor allem den Wunsch der Auftraggeber wider?
Haucap: In gewisser Weise kann man sagen, natürlich passt es zu dem, was der Hanfverband vorher auch schon vermutet hat. Die Zahlen, die wir errechnet haben, sind gleichwohl relativ konservativ. Das heißt tatsächlich, wir haben versucht, sehr vorsichtig zu sein bei unseren Schätzungen, was denn wohl an Steuereinnahmen generiert werden kann.
Wenn man sich Vergleichszahlen aus den USA anguckt, wenn man die einfach hochrechnen würde, dann wäre noch viel mehr tatsächlich möglich. Das wäre dann aber auch nicht ganz seriös, weil in Deutschland viel weniger gekifft wird als in den USA.
Teller mit orangefarbener Süßkartoffelsuppe in einem Restaurant (Marijuana Supper Club) in Chicago. Über die Suppe wird Cannabisöl geträufelt.
Cannabis für Gourmets: Cannabisöl als Beigabe zur Suppe in einem Restaurant in Chicago.© picture alliance/dpa/newscom
Karkowsky: Müsste man denn ehrlicherweise in Ihre Rechnung auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten mit einpreisen, die eine solche Droge verursachen könnte, vor allem durch diejenigen, die nicht verantwortungsvoll damit umgehen?
Haucap: Ja, das muss man natürlich, man muss nur fragen: Was ist das relevante Vergleichsszenario? Wir gehen in unserer Studie davon aus, dass tatsächlich der Cannabiskonsum sich gar nicht ausdehnen würde. Und das ist auch belastbar, denn in den USA zum Beispiel sieht man, dass es eigentlich keine Zunahme des Cannabiskonsums durch die Legalisierung gibt. Das ist auch ganz plausibel, denn heute kann sich jeder, der wirklich kiffen will, wirklich problemlos Cannabis besorgen. Das weiß jeder, der jugendliche Kinder hat, im Umfeld jeder Schule ist Cannabis problemlos zu erhalten. Man kann bei Google eingeben, in welcher Großstadt, in welchem Park man Cannabis besorgen kann. Das heißt, heute kann Cannabis relativ einfach von jedermann, der Interesse am Konsum hat, besorgt werden.
Die Frage wäre ja, warum soll das eigentlich ansteigen, der Cannabiskonsum, wenn es doch heute schon überall leicht verfügbar ist? Wir gehen davon aus, dass die Kosten, diese sozialen Kosten gar nicht ansteigen würden. Ich bin sogar so optimistisch zu sagen, dass die sogar sinken würden, weil der sogenannte Problemkonsum, also insbesondere der Problemkonsum von Jugendlichen, wie Erfahrungen aus Colorado zeigen, eher rückläufig zu sein scheint, weil es für diese eben sogar etwas schwieriger wird, an Cannabis zu kommen.
Das liegt daran, dass ein legaler Händler ein großes Interesse daran hat, den Jugendschutz einzuhalten, weil er sonst seine Lizenz zum Vertrieb verliert, während der illegale Drogenhändler, dem ist das relativ egal, ob jemand nun 17, 18 oder 21 ist, der Cannabis konsumiert.

Auflagen für den Verbraucherschutz

Karkowsky: Nun will der Staat ja mit dem Cannabisverbot vor allem auch diesen illegalen Händlern das Handwerk legen, weil man weiß, dass die Jugendlichen dort nicht nur mit Gras in Kontakt kommen, sondern viele haben auch andere, härtere Drogen im Programm.
Auf Netflix ist gerade eine Serie zu sehen, "Murder Mountain", eine Dokumentarserie, die zeigt die Folgen der Legalisierung für die zuvor illegalen Marihuana-Farmer in Kalifornien. Und da heißt es, gerade die kleineren Produzenten, die Familienfarmer, können sich die Auflagen der Legalisierung gar nicht leisten, die Qualitätskontrollen, Lizensierung, Hygiene, Bewachung der Plantagen. Was glauben Sie: Macht die Legalisierung aus Marihuana ein Industrieprodukt, das nur noch global tätige Firmen liefern können?
Haucap: Ganz so drastisch sehe ich das nicht. Aber in der Tat, natürlich, die Regulierung ist relativ strikt, da haben große Anbauer immer gewisse Vorteile. Aber das Ganze wird ja nicht gemacht, um kleinen Händlern oder vor allem kleinen Anbauern das Leben schwer zu machen, sondern aus Verbraucherschutz. Gerade in Kalifornien war zum Beispiel ein großes Problem, dass ein Großteil der Cannabisproduktion vorher extrem pestizidbelastet war. Da kann man sagen, das ist vielleicht nicht so schlimm, das wird ja nur geraucht und nicht gegessen. Aber dennoch, so etwas würden wir in der Landwirtschaft heute überhaupt nicht zulassen.
Menschen feiern auf einer Party am 17. Oktober in Toronto die Legalisierung von Cannabis. 
Legalisierung von Cannabis in Kanada: In Toronto wurde das mit einer Party gefeiert. © picture alliance/dpa/Foto: Chris Young
Und natürlich nehmen dann die Kontrollen zu, aber das soll ja auch dem Schutz der Verbraucher ultimativ dienen, dass die eben nicht irgendwelche Dinge konsumieren, von denen sie nur vermuten, wie sie wohl angebaut worden sind, sondern tatsächlich das bekommen, was sie glauben, was sie auch konsumieren. Man sieht zum Beispiel auch einen Trend, dass es dann so etwas gibt wie Bio-Cannabis oder Bio-Hanf, etwas, das heute sich sehr schwer durchsetzen kann im illegalen Markt, weil wer glaubt schon einem illegalen Dealer, dass das jetzt bio ist?

Zu viel THC-Gehalt bei illegaler Ware

Karkowsky: Klar, kein Gespräch über das Kiffen sollte ohne Gefahrenhinweis auskommen. Und da gibt es natürlich nicht nur Pestizide, sondern auch den Wirkstoffgehalt von Marihuana, das THC. Der Wirkstoffgehalt steigt seit Jahren. Was meinen Sie, sollte der Staat das in Kauf nehmen, dass dadurch auch die Gefährlichkeit der Droge steigt?
Haucap: Man muss ja sagen, die Gefährlichkeit der Droge ist insbesondere im illegalen Markt angestiegen. Der THC-Gehalt ist ja nicht im legalen Markt so stark angewachsen, sondern jetzt in den letzten 20 Jahren in einem weitgehend illegalen Markt. Zumindest müsste in einem legalen Markt das viel transparenter gemacht werden, das heißt, so ähnlich, wie wir das beim Rauchen oder beim Alkohol oder allgemein bei Lebensmitteln auch haben, müssen sehr genaue Hinweise sich darauf befinden, was denn jetzt genau in dem Cannabisprodukt enthalten ist, welchen THC-Gehalt das Ganze hat.
Ich würde auch sagen, man kann, wenn man sich gar nicht anders traut, auch eine Obergrenze einziehen und sagen, Produkte dürfen nicht mehr als so und so viel THC beinhalten. Das hat den Nachteil, dass dann doch ein gewisser illegaler Markt sich möglicherweise weiterentwickelt, weil es eben auch Nachfrage danach gibt. Aber wenn man sich gar nicht traut, ansonsten den Schritt zur Legalisierung zu machen, dann würde ich denken, ist das immer noch die zweitbeste Lösung.
Karkowsky: Kurze Prognose von Ihnen: Wann wird Marihuana in Deutschland legal?
Haucap: Ich bin relativ optimistisch, dass das in diesem, also im nächsten Jahrzehnt, innerhalb der nächsten zehn Jahre passiert. Ich hätte aber die Hoffnung, dass es schon nach der nächsten Bundestagswahl passieren kann. Die momentane Koalition wird sicherlich nicht den Mut haben, das zu vollziehen. Aber sobald eine Koalition bestehen sollte, an der nicht mehr die CDU beteiligt ist, bin ich sehr optimistisch, dass es zu einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland kommt.
Karkowsky: Der deutsche Staat lässt sich Milliarden entgehen, weil er Cannabis weiter kriminalisiert. Anlässlich der Cannabis Business Konferenz in Berlin sprachen wir mit dem Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap im "Deutschlandfunk Kultur".
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