Andres Veiel zur "Mitte"-Studie

Hört den Leuten erst mal zu

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Demonstranten mit Plakat "Gib Islam Keine Chance".
Demokratiemisstrauen, Verschwörungstheorien und Ablehnung von Flüchtlingen - die aktuelle "Mitte"-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat problematische Tendenzen ans Licht gebracht, vor allem in den neuen Bundesländern. © imago
Moderation: Anke Schaefer · 25.04.2019
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In der Mitte der Gesellschaft verfestigen sich rechte politische Einstellungen. Das gilt vor allem für Ostdeutschland. Regisseur Andres Veiel sieht den Grund dafür in einer "massiven Verstörung" vieler DDR-Bürger nach der Wende.
Mehr als jeder Zweite in Deutschland hat Vorbehalte gegenüber Asylsuchenden. Das ergab die Studie "Verlorene Mitte - feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/2019" der Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach haben sich insbesondere in Ostdeutschland rechte Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft verfestigt.
Kein überraschendes Ergebnis, findet der Regisseur Andres Veiel. Bei seinen Recherchen zu Filmarbeiten in Brandenburg hat er beobachtet, dass solche Ressentiments bis weit in die Mitte der Bevölkerung hineinreichten: "Es sind SPD-Wähler, es sind Gewerkschaftsmitglieder, es sind Menschen, die sonntags in den evangelischen Gottesdienst gehen", sagt Veiel. "Und die trotzdem im Nebensatz sagen: Es sind zu viele, ein Bedrohungsgefühl bis zu Verschwörungstheorien, dass das extra gemacht wird, um uns zu schwächen."

"Massive Verstörung" nach der Wende

Der Regisseur vermutet, dass diese Haltung mit Erfahrungen von "Nicht-Gefragt-Werden" und Degradierung zusammenhängt, mit dem Gefühl, sich nicht einbringen zu können. "Es sind Biografien, die direkt nach der Wende eine massive Verstörung erlebt haben", betont er. "Und dieses Gefühl wird an die Kinder und Enkelkinder weitergegeben. Gerade dann ist es natürlich eine Bedrohungssituation: Da wird für andere etwas getan und für uns nicht!"
Filmregisseur Andres Veiel
Filmregisseur Andres Veiel© Foto: Carsten Kampf
Angesichts dessen plädiert Veiel dafür, den Dialog mit diesen Menschen zu suchen: "Erst mal geht es, glaube ich, darum, Demokratie neu zu denken, Teilhabe stärker zu ermöglichen, Leute, auch wenn sie anderer Meinung sind, sprechen zu lassen, zu verstehen – soweit das jetzt nicht rechtsextremistische Ansichten sind."
Denn da hört für Veiel die Toleranz auf. Aber solange noch ein Dialog möglich sei, müsse dieser geführt werden. "Macron hat es vorgemacht", so der Regisseur mit Blick auf den nationalen Bürgerdialog des französischen Präsidenten.

Die "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht seit 2002 in regelmäßigen Abständen antidemokratische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung. Für die aktuelle Studie wurden knapp 1.890 repräsentativ ausgewählte Deutsche befragt. Die Einstellung zu Asylbewerbern wurde mit folgenden Items gemessen: "Bei der Prüfung von Asylantragen sollte der Staat großzügig sein" sowie: "Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt." Die Studie lässt sich hier nachlesen und herunterladen.

(uko)
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