Freitag, 29. März 2024

Archiv


Neue Herzklappe ohne Vollnarkose

Rund 20.000 Patienten im Jahr erhalten in Deutschland eine künstliche Herzklappe, vor allem deswegen, weil sich Kalkablagerungen gebildet haben, die den Blutfluss gefährlich verengen. Während jüngere Menschen - unter 50 - diesen Eingriff gut überstehen, ist die Komplikationsrate bei den Älteren enorm hoch. Eine neuartige Methode ist für ältere Patienten aber wesentlich schonender.

Von Michael Engel | 07.04.2009
    Bis vor Kurzem konnte Hans-Rolf Meyer keine 20 Meter laufen. Die Beine waren geschwollen, die Lunge voll Wasser. Das alles, weil die Herzklappe nicht mehr funktionierte. Doch schon einen Tag nach der OP war alles wie weggeblasen:

    "Ich freue mich, dass ich noch ein bisschen leben kann. Ich wollte ja in einen Musikverein eintreten. Und wollte wie Johannes Heesters, dass ich über 100 werde."

    Der Patient hat gut lachen. Dabei ist es nicht lange her, da galten 80-Jährige wie er als inoperabel, weil der Eingriff gerade bei Seniorinnen und Senioren mit sehr hohen Risiken verbunden war. Prof. Gerd Meyer von der Medizinischen Hochschule Hannover.

    "Häufig ist die Nierenfunktion eingeschränkt. Die Patienten haben Kalkablagerungen in der Hauptschlagader, so dass sie schlaganfallgefährdet sind. All das führt dazu, dass das Risiko auch nach einer Operation zu versterben, bei älteren Patienten deutlich erhöht sein kann."

    Die Eröffnung des Brustraums, Vollnarkose, Herz-Lungen-Maschine, künstliche Beatmung: Das alles stecken Patienten im höheren Lebensalter nicht mehr ohne Weiteres weg. Seit wenigen Jahren gibt es eine neue, frappierend einfache Methode. Es beginnt mit einem winzigen Schnitt in der Leistengegend.

    "Der Eingriff findet statt im Herzkatheterlabor wie eine normale Herzkatheteruntersuchung. Von der rechten Leiste aus. Man macht eine örtliche Betäubung. Der Patient bekommt ein Beruhigungsmedikament und auch ein Schmerzmittel."

    Mit langen biegsamen Kathetern gelangen die Operateure zum Herzen. In einem zweiten Schritt kommt nun die neue Herzklappe zum Einsatz. Es handelt sich um einen Stent, kaum dicker als ein Strohhalm, der direkt vor dem Herzen positioniert wird. Im Inneren befindet sich - zusammengefaltet - die neue Herzklappe. Dann klappt die Prothese auf und verankert sich in der Aorta. Prof. Helmut Drexler, Direktor der kardiologischen Klinik.
    "Es ist zum jetzigen Zeitpunkt für den älteren Hochrisikopatienten eine wunderbare Möglichkeit zu helfen, weil bis zu diesem Zeitpunkt das Risiko für eine Operation sehr hoch war. Und aus diesem Grund viele Patienten gar nicht den Weg ins Herzzentrum gefunden haben."

    Ganz neu ist das Verfahren allerdings nicht. 2002 von einem französischen Chirurgen entwickelt, wurden allein im vergangenen Jahr 920 Patienten an verschiedenen Universitätskliniken in Deutschland behandelt, so zum Beispiel in München, Heidelberg, Göttingen oder Hamburg. Mittlerweile, so die Medizinische Hochschule Hannover, ist die minimalinvasive Methode so sicher, dass sie den betagten Patienten unbedingt empfohlen werden kann. Nicht aber bei jungen Menschen, so der Herzchirurg Prof. Axel Haverich.

    "Wenn der jüngere Patient eine hochgradige Einengung seiner Aortenklappe hat, dann meine ich, muss man beim Jüngeren zunächst den Kalk entfernen, um einen sicheren Verschluss um die Klappe herum erzielen zu können. Und das sehe ich mit diesem Verfahren, so wie wir es jetzt üben, noch nicht."

    Für hochbetagte Patienten indes ist das neue katheterbasierte Verfahren ein echter Durchbruch. Menschen, die bis dato inoperabel waren, bekommen nun endlich eine neue Perspektive. Experten schätzen, dass in Deutschland mehrere Tausend Betroffene pro Jahr von diesem Fortschritt profitieren.