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Ein Leben für den Tanz

Sarah Mestrovic tanzt seitdem sie vier ist. Heute ist sie mit 22 Jahren Mitglied im Corps de Ballet des Staatsballetts Berlin unter der Leitung des gefeierten Tänzers und Ballettdirektor Vladimir Malakoff. In der Kantine der Staatsoper Unter den Linden schwärmt die zierliche Tänzerin von der harten und leidenschaftlichen Zeit in der Ballettschule.

Von Eva-Maria Götz | 08.04.2005
    "Ich habe mit vier Jahren angefangen zu tanzen in einer Hobby- Ballettschule, zweimal die Woche, ganz normal, und dann ist mein Wunsch immer gewachsen zu tanzen und ich hab auch das Glück gehabt, dass meine Schule, also dass die Kinder in der deutschen Oper mittanzen durften im Kinderballett. Und so habe ich gesehen, wie das Theaterleben ist und die Vorstellungen, das hat mir halt sehr großen Spaß gemacht. Dann sind meine Mutter und ich zur Staatlichen Ballettschule gegangen zu diesem Eignungstest. Das war ne große Sache, zwei Runden - und den hab ich auch bestanden und dann bin ich auf die Schule gekommen."

    Tanzen ist ihr ein und alles: für die heute 22-jährige Sarah Mestrovic wurde ein Traum Wirklichkeit, als sie an Deutschlands einziger staatlicher Ballettschule aufgenommen wurde- nach eingehender Prüfung:

    "Der Körper muss schon die Möglichkeiten haben - also Auswärtsdrehung heißt das dann, von den Oberschenkeln her - die Figur sollte in Ordnung sein, die Füße sollten einen Spann haben, und auch Musikalität wird dort geprüft, und alles andere wird dann dort erarbeitet."

    Rund 100 Kinder bewerben sich jedes Jahr, doch nur 20 von ihnen werden als geeignet aufgenommen. Und für die beginnen dann harte Zeiten: fünf Stunden Training jeden Tag - klassisch, historisch, modern - dazu Gymnastik, und Einzeltraining- und zwischendurch auch noch "ganz normaler" Unterricht:

    "Man lebt eigentlich nur noch für den Tanz, Viertel vor acht muss man sich schon eintrainieren, weil um acht der Tanz beginnt, und man muss immer früher kommen, um sich warm zu machen, damit man sich nicht verletzt. Wenn man noch jünger ist, macht man das gemeinsam, später sollte man das alleine machen - und dann halt den ganzen Tag durch. Eine Mittagspause, zwischendurch immer nur kurze Pausen, fünf, zehn Minuten, zwischendurch umziehen für den Theorieunterricht, dann wieder die Ballettsachen, immer im Wechsel. Und abends, also ich hab eigentlich immer bis 7 Uhr Unterricht gehabt."

    Und das sechs Tage die Woche- auch der Samstag ist Schultag:

    "Zum Beispiel ein normaler Tag wäre zwei Stunden Klassisch morgens, dann zwei Stunden Deutsch, dann eine Stunde tänzerische Darstellung und dann wieder eine Stunde Mathematik und dann eine Stunde Gymnastik und so weiter."

    Bereut hat die zierliche Tänzerin mit den straff zum Knoten gebundenen dunklen Haaren und den riesigen dunklen Augen ihre Entscheidung für die harte Schule nie:

    "Es gab halt immer Tage, wo man sagt, ach, warum hab ich mir das grade ausgesucht, aber das war mehr spaßig gemeint. Also wenn man sich dafür entschieden hat, wenn man das richtig liebt, dann ist es selbstverständlich. Es ist eine Lebenseinstellung. Es nimmt einen total ein, aber nach der achtjährigen Ausbildung ist das Schlimmste überstanden, sag ich immer."

    Das sahen allerdings nicht alle aus Sarahs Klasse so locker, von den rund 20 Nachwuchshoffnungen blieben beim Bühnendiplom, mit dem die Schule neben Mittlerer Reife und inzwischen auch Abitur abschließt, nur noch sechs Absolventen übrig. Alle anderen scheiterten vorher an den halbjährlichen Prüfungen oder erkannten, dass der professionelle Tanz mit seinen Extremanforderungen doch nicht das Richtige für sie ist.

    Für Sarah Mestrovic stellte sich diese Entscheidungsfrage nie, und nach der Diplomprüfung wurde sie in ihrer Berufswahl, die wohl eine Berufung sein muss, bestätigt: Der gefeierte Tänzer und Ballettdirektor Vladimir Malakoff engagierte sie ins Corps de Ballet im neu gegründeten Staatsballett Berlin. Nun hofft sie auf viele Auftritte, auf viel Erfahrung und irgendwann auf ihre Traumrollen: die Julia und die Giselle. An ihre Schulzeit denkt Sarah Mestrovic gern zurück- trotz oder vielleicht auch wegen der Strapazen und des hohen Anspruchs:

    "Es ist halt ne sehr schöne Atmosphäre dort, dadurch, dass es halt nur 150 Schüler sind, kennt jeder jeden und man ist ne große Familie und die Auftritte waren meine schönsten Erinnerungen, die jährlichen Galas, wenn man was Schönes zu tanzen bekommt, ist es sehr aufregend."