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Ewiges Experiment
Wie lange können Bakterien überleben?

Bakterien können bis zu 250 Millionen Jahre überleben. Das liegt jenseits jeglicher menschlicher Vorstellungskraft. Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt haben deshalb begonnen, dieses „ewige“ Leben der Mikroorganismen in einem 500 Jahre dauernden Experiment zu untersuchen.

Von Lukas Kohlenbach | 07.05.2019
Verschiedene Pilze im Jugendstadium, die in einem Labor der Jena Microbial Resource Collection der Friedrich-Schiller-Universität in Petrischalen auf speziellem Nährboden wachsen (Foto vom 28.08.2010). Etwa 11.000 verschiedene Pilzisolate werden in rund 44.000 Probenbehältern in der Einrichtung gehalten.
Lebendige Kulturen: Manche Bakterien leben rund einen Tag, andere sollen bis zu 250 Millionen Jahre überdauern können (picture alliance / Jan-Peter Kaspar)
"Professor Charles Cockell ist einer der führenden Astrobiologen in Europa. Er hat mir 2013 eine E-Mail mit dem interessanten Titel ‚bizarres Experiment‘ zugeschickt."
Ein Experiment, das jedes Forscherleben überdauern sollte, ganze 500 Jahre lang. Ralf Möller vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt war direkt begeistert. Und die Idee für das "ewige Experiment" war geboren.
Manche Bakterien leben rund einen Tag. Andere, wie das Bodenbakterium Bacillus subtilis, sollen jedoch bis zu 250 Millionen Jahre überdauern können.
"Also klassisch die Frage: Ist es ein Tag? Sind es doch 250 Millionen Jahre? Und kann man sowas wirklich in einer definierten Studie innerhalb von 500 Jahren über verschiedene Generationen von Wissenschaftlern detailliert untersuchen, um diese Frage nach dem sogenannten ewigen Leben der Mikroorganismen herauszufinden."
500 Jahre Geduld bei Bakterienexperiment
Doch wie entwirft man ein Experiment, das das eigene Forscherleben überdauern wird? Wie gibt man die Informationen weiter? Und wie sichert man seine Nachfolge?
"Unser Experiment ist relativ einfach. Wir haben ein fotosynthetisches Bakterium Chroococcidiopsis mit dem Namen und das Bodenbakterium Bacillus subtilis untersucht und wir haben diese Mikroorganismen getrocknet in kleinen Glasphiolen. Die Glasphiolen haben wir luftdicht abgeschlossen und die haben wir jetzt für 500 Jahre im Naturkundemuseum in London exponiert und werden alle zwei Jahre lang Proben nehmen und ab dem Jahr 2050 alle 25 Jahre lang Proben nehmen und im Jahre 2514 also in knapp 400, fast 500 Jahren werden wir die Proben hoffentlich in zukünftigen Forschergenerationen, werden die feststellen können, ob unsere Bakterien, die wir 2014 gestartet haben, das Experiment, ob die dann noch am Leben sind."
Die Glasphiolen sind dabei in zwei unterschiedlichen Holzboxen untergebracht. Die eine ist mit Blei ausgekleidet und schützt die Mikroorganismen so vor natürlicher radioaktiver Strahlung. Die andere besitzt keine Auskleidung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen damit der Frage nach, ob die geschützten Bakterien besser überleben und welche Wirkung die Strahlung auf sie hat.
Um das Experiment möglichst lange fortzuführen, haben Ralf Möller und sein Team auf einen besonders simplen Versuchsaufbau geachtet. Das macht auch die Finanzierung des Experiments in zukünftigen Generationen einfach.
"Wir haben Glasphiolen ausgewählt in einem Kostenrahmen von einigen 10 bis 20 Euro. Für die Auswertung braucht man nicht viel. Deswegen wir gehen nicht davon aus, dass die Finanzierung ein Problem ist."
Mit dem Naturkundemuseum in London haben die Forscherinnen und Forscher einen Ort ausgesucht, der für die Lagerung und Archivierung von Proben sehr renommiert ist. Im Keller des Museums lagern Untersuchungsobjekte bekannter Wissenschaftler wie Charles Darwin. Hier können die rund 1000 Glasphiolen gut geschützt lagern und auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Mehrsprachige Versuchsanleitung für Nachfolgegenerationen
Eine besondere Herausforderung ist jedoch die Weitergabe von Informationen über Generationen hinweg.
"Wir haben spezielle Papiere ausgedruckt, langlebiges Papier, auch vor dem Hintergrund: Was wissen wir von vergangenen Wissenschaftlern oder kirchlichen Drucken, dass Papier 500 Jahre gut überstehen kann. Wir haben es gut eingelagert. Wir haben Materialien sowohl in verschiedenen Medien, die wir jetzt aktuell finden, wie gesagt einen USB-Stick oder einen normalen Ausdruck, zur Verfügung gestellt."
Auch Sprache könnte sich in den nächsten Jahrhunderten ändern. Deshalb übersetzen die Forscherinnen und Forscher das Protokoll gerade in möglichst viele verschiedene Sprachen und haben die Anleitung auch mit kleinen Piktogrammen versehen.
Dass Ralf Möller keinen Nachfolger für sein ewiges Experiment finden könnte, darum macht er sich jedoch keine Sorgen.
"Was ich gemerkt habe jetzt im Laufe des Experimentes, wenn wir Proben bekommen und Proben auswerten, Vorträge halten, auch wie durch dieses Interview, dass das Interesse der Öffentlichkeit sehr groß ist. Scheint nicht an Interessenten zu mangeln, die Hände an diese Proben legen wollen. Nichtsdestotrotz wird das eine dauerhafte Aufgabe sein, die Fackel der Wissenschaft hochzuhalten."