Vagabon mit neuem Album

Selbstbewusst gegen den Erwartungsdruck

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Pressebild der afroamerikanischen Künstlerin Vagabon vor orangenem Hintergrund. Sie trägt einen blauen Hut und farbenfrohe Kleidung.
Die Musikerin Vagabon ist wütend über soziale Missstände und ihre Texte erzählen davon. © Tonje Thilesen
Von Sofia Doser · 30.10.2019
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Mit ihrem ersten Album "Infinite World" begeisterte Vagabon die Kritiker. Sie wurde als Ikone der Indie-Rock-Szene gepriesen. Mit ihrem zweiten Album "Vagabon" kehrt sie dieser Szene eiskalt den Rücken. Ein guter Schritt, findet unsere Kritikerin.
Einen mutigen Schritt ins Ungewisse wagt Vagabon auf ihrem zweiten Album "Vagabon". Nicht nur musikalisch erfindet sie sich darin neu, sie scheint auch auf einer emotionalen Ebene immer noch auf der Suche zu sein. Hinter Vagabon steht Laetitia Tomka. Die Kamerunerin wanderte als Kind mit ihrer Familie nach New York aus. In dieser neuen Welt musste sie erst klarkommen. Die Rettung war die Musik. Eher zufällig fand sie sich in der Indie-Rock-Szene wieder.
"Man spielt für den Raum", sagt die Musikerin. "Deswegen hat sich meine Musik, die ich Zuhause geschrieben habe, plötzlich wie Indie-Rock angehört. Wenn ich in einem Lagerhaus spiele, muss die Musik diesem Raum gerecht werden."

Tagsüber im Büro, nachts auf der Bühne

Nachts spielt Vagabon Konzerte, tagsüber arbeitet sie als Informatikerin. Anfangs verheimlichte sie ihre Musik-Karriere vor ihren Eltern. Dann kündigte sie ihren Job, um mit ihrem ersten Album auf Tour zu gehen.
"Ich konnte mich selbst motivieren und wollte keine Negativität oder Entmutigung. Ich war damals sehr fragil, deswegen war die Musik mein kleines Geheimnis. Etwas, an dem ich intensiv arbeiten konnte, bevor ich es mit anderen geteilt habe", erzählt die Musikerin über die Anfänge.
Die Musikerin Vagabon sitzt mit einem weißen Mantel bekleidet auf einem Stuhl in einem Raum.
Die in Kamerun geborene Musikerin kam im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern nach New York.© Tonje Thilesen
Ihr erstes Album "Infinite Worlds" soll ein musikalisches Zeichen setzen. Eine schwarze junge Frau, die Indie-Rock macht? Eine Szene, die vor allem von weißen Männern dominiert wird? Vagabon möchte da nicht mitspielen. Auf ihrem neuen Album "Vagabon" macht sie genau das Gegenteil von dem, was von ihr erwartet wird.
"Ich habe den Druck verspürt, ein gutes zweites Album zu machen. Mir ging es nicht darum, jemandem gerecht zu werden. Ich wollte ein Album machen, dass das erste übertrifft."
In manchen Songs lässt Vagabon den Indie-Rock noch sanft anklingen. In den meisten Titeln aber legt sie ihre Akustik-Gitarre bestimmt zur Seite, packt den Synthesizer und eine Drum-Maschine aus und singt sich und ihre Zuhörer in andere Sphären. Dabei vermischt sie verträumte Synthesizer-Melodien mit orchestralen Streicher-Klängen. Ihre feine Stimme schwebt förmlich über dem Musikbett. Die Titel auf "Vagabon" klingen manchmal ganz ruhig und intim, im nächsten Moment brechen sie auf und werden riesengroß.

Vielfalt an Emotionen

So kontrastreich wie die Musik auf dem neuen Album sind auch die Texte. Vagabon empfindet eine Vielfalt an Emotionen. Sie ist wütend über soziale Missstände. Wenn ich mit meinem Aussehen, meiner Herkunft und meiner Geschichte akzeptiert werde, warum werden dann nicht Andere auch akzeptiert, fragt sie sich in "Wits about You". "Every Woman" ist eine Ode an alle Frauen, die das Gefühl haben, nicht zu genügen. Dabei verfolge sie mit ihren Texten ein klares Ziel, wie sie erzählt: "Meine Musik, die so etwas wie mein Tagebuch ist, soll den Leuten helfen, sich weniger alleine zu fühlen. Wenn sie ähnliche Gefühle wie ich empfinden, oder nicht wissen wie sie sich ausdrücken sollen. Oder wenn sie denken, sie seien die Einzigen, die so fühlen."
Mit ihrem ersten Album hat Vagabon ein internationales Publikum gewonnen. Naheliegend wäre es gewesen, sich weiterhin der Erfolgsformel des Debütalbums zu bedienen. In "Vagabon" nun emanzipiert sie sich von allen Erwartungen ihrer Hörerschaft. Sie traut sich - entgegen aller Forderungen und Meinungen -, nur auf sich selbst zu hören. Dabei lässt sie nicht nur den Indie-Rock hinter sich, sondern auch ein klar definiertes Genre. Ein Risiko, dass es auf jeden Fall wert war.
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