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"Diskman Antishock 2" von Goldroger
Deutschrap wird weird

Goldroger ist ein Ausnahmekünstler der deutschen HipHop-Szene: Indierock, Punk und Ska treffen auf Trap und psychedelische HipHop-Beats. In Verbindung mit seiner speziellen Art zu texten hat der Kölner Rapper damit eine Lücke in der Deutschrap-Landschaft geschlossen.

Von Thomas Elbern | 09.05.2020
Der Kölner Rapper Goldroger sitzt in einer alten Straßenbahn, die mit Graffiti besprayt ist.
Zwischen Oasis, Frank Ocean und Stakkato-Raps: der Kölner Rapper Goldroger (Frederike Wetzels)
"Das war auch das ästhetische Konzept, das ich für 'Diskman' im Hinterkopf hatte - dass es so wie ein Mixtape klingt. Als wären es nur zusammengewürfelte Songs, die sehr unterschiedlich sein können, aber es entsteht dann doch eine Linie daraus. Das war das einzige Konzept. Es sollte nicht klingen wie ein durchkonstruiertes Konzeptalbum."
Bloß nicht durchkonstruiert, Mut zum Anderssein, Lust am Brechen von Konventionen. Statt an einem Trend zu heften, versuchte Goldroger etwas Neues, Eigenes zu schaffen. Mit an Bord: sein Kölner Produzententeam Dienst und Schulter. Die beiden gelernten Musiker hatten erst eine andere Arbeitsweise für ihre Arbeit mit Goldroger vorgesehen: Sie bauen die Beats und Goldroger rappt dazu. Doch das ging dem Rapper stilistisch nicht weit genug.
Hybrid aus Indierock, Trap und Psychedelic
"Als wir uns kennengelernt haben, haben die beiden sehr klassische HipHop-Beats gebaut und wollten erst auch gar nicht die Gitarre so richtig annehmen. Ich sagte aber: 'Wenn du Gitarre spielen kannst, müssen wir jetzt Gitarre machen. Ich höre da Sachen in meinem Kopf und die kriegen wir umgesetzt'. Und die so: 'Die hat da überhaupt nichts drin zu suchen, lass uns Jazzplatten sampeln'. Ich so: 'Nein, auf keinen Fall, wir machen jetzt was ganz anderes!'"
Goldroger hat sich durchgesetzt und dabei ist ein Hybrid aus Indierock, Trap und Psychedelic entstanden. Und was so nebenbei und fast schon schludrig gerappt klingt, ist wohl überlegt und eine Umsetzung von Goldrogers komplexen Innenleben. Der Song "Potion" ist beispielsweise eine schon fast spielerische Umschreibung des Themas Depression.
"Ich wollte auf jeden Fall mal einen Track machen, der sich mit der ganzen Depressionssache auseinandersetzt, weil das auch meinen Alltag bestimmt. Ich wollte aber, wenn ich so einen Song mache, dass der nicht so nach Betroffenenlyrik klingt. Ich möchte nicht in Selbstmitleid baden und andere Leute sollen das dann auch traurig finden. Wenn ich diesen Song mache, dann soll er klingen wie irgendein cooler Soundcloud-Rap-Song und er soll dieses Thema auch gar nicht so kompliziert aufdröseln. Es soll ein simpler Song sein, in dem dann aber auch mehr steckt."
Persiflage des Rockstartums
Die letzte Tour, die Goldroger Ende 2019 gespielt hatte, war ein Erfolg. Die Konzerthallen zwischen Köln, Berlin und München, die zwischen 200 und 300 Zuschauer fassen, waren gut gefüllt. Seinen Fans gefällt sein Ansatz zwischen Rap und ironischem Rockstargehabe. Es scheint eine Nische zu geben für eine Mischung aus "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band", Oasis, Frank Ocean und Stakkato-Raps. Und Goldroger hat sich intensiv mit den Biographien von Rockstars und schrägen Geschichten zwischen Backstage und Bühne befasst. Das strahlt er auch aus - und persifliert doch gleichzeitig auch diesen Lifestyle.
"Ich bin ein sehr exzessiver Mensch, immer bereit, noch einen draufzusetzen. Ein Speedball. Das ist ja, wenn man Heroin und Kokain zusammen konsumiert. Also, das was früher die Rockstardroge gewesen ist. Es ist immer so, dass es immer noch eine vermeintliche Steigerung zu jeder Lust gibt. Um diese Maßlosigkeit, darum geht es zum Beispiel im Song 'Speedball Drive'".
Vorbild Frank Ocean
"Diskman Antishock 2" ist ein wichtiger Schritt in der Karriere von Goldroger. Niemand in Deutschland rappt so schludrig und gleichzeitig pointiert und packt das in psychedelisch anmutende musikalische Bonbons, bei denen eigentlich nur noch die Beats an Genres wie Trap erinnern. Und textlich will Goldroger eher andeuten und vage bleiben. Er will weder aufrütteln noch belehren, sondern unterhalten.
"Je mehr ich Musik mache, desto weiter entferne ich mich davon, die Songthematik klar umreißen zu wollen und auf den Präsentierteller zu bringen. Das hat immer so etwas von: Ich schreibe nun einen Song über dieses oder jenes Thema und das handele ich dann ab. Ich höre super viel Frank Ocean und ich habe das Gefühl, er hat eine wesentlich assoziativere Art Texte zu schreiben. Es geht ein bisschen um alles und nichts, da wird's eher noch schlimmer bei mir."