Aus den Feuilletons

Sie hätte lieber klassisch nach Ansehen gestrebt

04:11 Minuten
Lisa Eckhart blickt in die Kamera.
Über die Art der Aufmerksamkeit, die ihr gerade zuteil wird, freut sie sich nicht: die Kabarettistin Lisa Eckhart. © Horst Galuschka / imago-images
Von Arno Orzessek · 13.08.2020
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In der Debatte um Lisa Eckhart werden in den Feuilletons weiter fröhlich Argumente ausgetauscht. Und Eckhart kommt sogar selbst zu Wort. In einem vorbildlich unterhaltsamen Interview im "Tagesspiegel" analysiert sie die eigene Ein- und Ausladungslage.
"Haha", betitelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG einen Artikel von Jens-Christian Rabe. Der meint, es sei "höchste Zeit, um über das wirkliche Problem des deutschen Humors zu reden". Für Rabe sieht es in der hiesigen Kabarett-Szene finster aus.
"Der deutsche Comedian, die deutsche Comedienne verbünden sich - von den üblichen zarten Pro-forma-Frotzeleien abgesehen - mit dem anwesenden Publikum gegen abwesende Dritte, um diese dann genüsslich zu deklassieren. Seien es Menschen mit mehr als 10.000 Euro Monatsgehalt, die Harald Schmidt einst zu den legitimen Zielen erklärte, oder Politiker oder Social-Media-Nutzer oder eben Transsexuelle oder Menschen mit Behinderung."

Über Philanthropen und "Gutunmenschen"

Als abschreckendes Beispiel zitiert der SZ-Autor Rabe die umstrittene Lisa Eckhart - etwa mit diesem, sagen wir, Scherz: "'Die Erektion des schwarzen Glieds braucht alle sieben Liter Blut, über die ein Mensch verfügt.'"
Da trifft es sich gut, dass der Berliner TAGESSPIEGEL unter dem Titel "Die Narrenfreiheit gehört uns allein" ein Interview mit Lisa Eckhart führt. Ob sie über das starke Echo nach der Ein- und Ausladung zu einem Hamburger Literaturfestival erfreut sei, möchte Gunda Bartels wissen.
"Erfreut bin ich nicht", entgegnet Eckhart, "weil ich eher klassisch nach Ansehen strebe und nicht plump um Aufmerksamkeit buhle. Mir wäre es lieber, wenn man sagt, die Eckhart ist Dynamit, weil man mein Werk aus den richtigen Gründen als brisant erachtet. Entsetzt hat es mich aber auch nicht. Als die Kritik an meinem Fernsehauftritt aus 2018 im Mai aufkam, dachte ich, das sei noch der Quarantäne geschuldet. Da sind den Gutunmenschen offenbar die Spaziergänger ausgegangen, die sie fotografieren und im Netz anprangern können. Also wurden die Archive geöffnet."
Sie haben richtig gehört: Eckhart spricht von "Gutunmenschen" - und erklärt:
"Den Begriff 'Gutmensch' als Schimpfwort schätze ich nicht. Das sind Philanthropen wie ich auch, gegen die habe ich überhaupt nichts. Anders die Gutunmenschen mit ihrem wahnwitzigen, in den Fundamentalismus abgleitenden Glauben, ein besserer Mensch zu sein. Der zeugt von einer Überheblichkeit, zu der selbst ich es noch nicht gebracht habe."

Nicht den Rechten das Feld überlassen

Sehr unterhaltsam, das Interview mit Lisa Eckhart im TAGESSPIEGEL.
In der TAGESZEITUNG verteidigt die Hamburger PEN-Vorsitzende Regula Venske nicht etwa die Ausladung Lisa Eckharts von dem besagten Festival. Venske "verteidigt die Kritik an der Ausladung" und geht auf den Antisemitismus-Vorwurf ein, den sich die Kabarettistin zugezogen hat.
"Für Antisemitismus gibt es keine Entschuldigung. Bei Lisa Eckhart müssen wir über Satire und Figurenrede diskutieren. Der große Kabarettist Helmut Qualtinger hat auch aus Naziperspektive gesprochen. Die Frage ist, ob sie nicht dem Publikum den Spiegel vorhält, indem sie solche Positionen auf die Bühne bringt. Dekonstruiert oder reproduziert sie? Diese Debatte wird verhindert, wenn jetzt alle Antisemitismus schreien, die ihr Werk gar nicht kennen. Der Feind steht rechts. Aber wenn wir solche Diskussionen im breiten links-liberalen Spektrum nicht mehr führen, outsourcen wir den Einsatz für die Meinungsfreiheit an die Rechten."
Regula Venske in der TAZ.

Gustav Seibt verteidigt Cornelia Koppetsch

Ebenfalls weiter im Gespräch: Die Soziologin Cornelia Koppetsch, die nach dem Urteil einer Untersuchungskommission der Universität Darmstadt in ihren Büchern massiv plagiiert hat. Ein Urteil, an dem sich Gustav Seibt in der SZ reibt.
"Koppetschs Buch 'Die Gesellschaft des Zorns', das auch die Öffentlichkeit beeindruckte, war keine Qualifikationsschrift, es diente nicht dem Erwerb von Titel oder Lehrerlaubnis. Sein Anspruch war die Entwicklung einer übergreifenden These. Zu dieser These lässt der Prüfungsbericht nichts verlauten. Ist auch sie abgekupfert? Oder wird sie wertlos, weil Koppetsch sich bei einzelnen Argumenten fremder Erkenntnisse und Formulierungen bedient hat?"
Auch wenn Ihnen Fußball schnurz ist: Lesen Sie "Mer losse de Moschee in Kölle" in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Es geht um die Aufregung der BILD-Zeitung über die DITIB-Zentralmoschee, die in dem winzigen Stadtpanorama auf den neuen Auswärtstrikots des 1. FC Köln zu sehen ist.
Übrigens: Was wir selbst jetzt vorhaben, steht sehr präzise in folgender SZ-Überschrift: "Ein Plapperkopf kehrt heim."
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