Dresdner Philharmonie mit Dessau, Weill und Schostakowitch

Konzert zu 30 Jahre Deutsche Einheit

Die Musiker stehen auf einigen Rängen des neuen Konzertsaales.
Die Dresdner Philharmonie spielt das Gedenkkonzert im Kulturpalast. © Dresdner Philharmonie / Markenfotografie
Moderation: Stefan Lang · 03.10.2020
"Tanz auf dem Vulkan" wurde das Programm in Dresden überschrieben. Ost und West trafen aufeinander: Dessaus Musik für Filme von Walt Disney mit der Dreigroschenmusik von Weill. Schostakowitsch verband die Musikwelten mit seiner sogenannten Jazz-Suite Nr. 1.
Für diesen besonderen Abend stellte die Dresdner Philharmonie ein Programm zusammen, das beide musikalische Pole aufeinandertreffen ließ - den Osten und der Westen. Beide Welten waren strikt politisch getrennt. Doch musikalisch beeinflusste man sich über die Grenzen hinweg.

Das pralle Leben auf Bühne und im Film

Kurt Weill komponierte in den 30er-Jahren eine Art Suite, in denen er die berühmten Songs und Musiken seiner Dreigroschenoper für ein mittelgroßes Orchester zusammenfasste. 1928 wurde das Werk in Zusammenarbeit mit Bertold Brecht im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin uraufgeführt - eine Sozialstudie mit durchschlagendem Erfolg. Diese Inszenierung, diese Musik wurde im Ostteil Deutschlands ausgesprochen hochgehalten.
Zeichnung der Figuren aus der Dreigroschenoper, bei der ein einfacher Mann von Polizisten und Frakträgern zum Galgen gedrängt wird.
Plakat zur "Dreigroschenoper"-Inszenierung am Theater Schiffbauerdamm in Berlin.© imago images / KHARBINE-TAPABOR
Ähnlich fasste Hanns Eisler seine Musiken zum aufwühlenden Film "Kuhle Wampe" in den frühen Dreißigern zusammen. Nach der Uraufführung wurde der Streifen, der ebenfalls in Zusammenarbeit mit Bertold Brecht entstand, verboten. Erst nach einer Herausnahme der härtesten sozialkritischen Szenen wurde das Werk wieder frei gegeben.

Gegenpol Hollywood

Im harten Kontrast wird im Programm des Abends die Glamourwelt Amerikas heraufbeschworen. Paul Dessau war emigriert und arbeitete für die Filmindustrie Amerikas. Kein Geringerer als Walt Disney nutzte seine kompositorischen Fähigkeiten - die Animationsfilme waren das Neueste der westlichen Welt.

Zwischen den Welten

Dmitri Schostakowitsch war Filmfan und einige Jahre auch als Filmpianist im Kino tätig. Er arbeitete in der stalinistischen Sowjetunion, die eine Jazzkommission ins Leben rief, um die Werte des sozialistischen Realismus zu schützen. Man wollte sich musikalisch nicht amerikanisch unterwandern lassen. Der junge Schostakowitsch, man glaubt es kaum, gehörte dieser Kommission an und komponierte in ihrem Auftrag eine erste Suite für Varieté-Orchester, heute bekannt unter dem Titel "Jazz-Suite Nr. 1".
Ein junger Mann mit auffälliger runder Brille sitzt am Klavier und stützt seinen Arm auf das Instrument und seinen Kopf schließlich in seine Hand.
Dmitri Shostakovich an seinem Instrument, dem Klavier (Anfang 40er-Jahre).© imago images / Everett Collection
In ihr sind dann auch ursprüngliche Tänze wie Walzer, Polka und Foxtrott aufgenommen. Damit sollte der sowjetische Jazz auf ein anerkanntes Niveau gehoben werden und ihn von seinem wilden Image wegführen. Der so gesäuberte Jazz wurde als Ausdrucksmittel der unterdrückten schwarzen Bevölkerung Amerikas propagiert und ließ sich mit der kommunistischen Gesellschaftsordnung in Einklang bringen.
Im Anschluss an das Programm bieten wir Mitschnitte, die kurz vor dem Konzert in Dresden entstanden sind. Sie wurden ebenfalls für das Mauerfall-Jubiläum programmiert.
Live aus dem Kulturpalast Dresden
Kurt Weill
Kleine Dreigroschenmusik (1929)
Dmitri Schostakowitsch
Jazz-Suite Nr. 1 (1934)
Hanns Eisler
Suite "Kuhle Wampe" (1931/32)
Paul Dessau
Musik live zu Animationsfilmen von Walt Disney (1928)
Im Anschluss:
Ausschnitte aus dem Programm Lichtspielmusik von 17 Uhr
Mit Kompositionen von Rainer Promnitz, Georg Katzer und Hanns Eisler

Ensemble der Dresdner Philharmonie
Leitung: Jonathan Stockhammer

Sharoun Ensemble
Lesung: Martina Gedeck mit Texten von Heiner Müller

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