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Epidemiologie
Vor 140 Jahren entdeckte Alphonse Laveran den Malariaerreger

Jahrhundertelang hatte man die Ursache der Malaria in der Luft oder im Boden vermutet. Der französische Militärarzt Alphonse Laveran untersuchte stattdessen das Blut seiner Patienten unter dem Mikroskop - und entdeckte am 6. November 1880 den Malariaparasiten – ein Wendepunkt in der Medizingeschichte.

Von Irene Meichsner | 06.11.2020
    Eine schwarz-weiße Fotografie zeigt Er war den französischen Mediziner und Bakteriologen Charles Louis Alphonse Laveran. Er trägt einen graue Vollbart und randlose Brille.
    Charles Louis Alphonse Laveran war ein französischer Mediziner und Bakteriologe, (picture alliance / United Archives / WHA)
    "Vor mir hatten schon viele vergeblich nach der Ursache der Malaria gesucht, und auch ich wäre gescheitert, hätte ich mich damit begnügt, nur die Luft, das Wasser oder den Boden in Malariagebieten zu untersuchen, wie es bisher üblich gewesen war. Ich bin stattdessen von der pathologischen Anatomie ausgegangen. Ich habe mir das Blut von Malariakranken angesehen und auf diese Weise mein Ziel erreicht."
    Die Illustration aus einem 1893 erschienenen Buch des Enteckers des Erregers, Charles Louis Alphonse Laveran, zeigt die Malariaparasiten im Blut. (Lithographie nach Zeichnung)
    Die Illustration aus einem 1893 erschienenen Buch des Enteckers des Erregers, Charles Louis Alphonse Laveran, zeigt die Malariaparasiten im Blut. (Lithographie nach Zeichnung) (picture-alliance / akg)
    Malaria im französisch besetzten Algerien
    Alphonse Laveran war kein Mann großer Worte. Nüchtern und diszipliniert, aber auch mit berechtigtem Stolz ließ er 1907 anlässlich der Verleihung des Medizinnobelpreises noch einmal Revue passieren, wie er als junger Mann dem Malariaerreger auf die Spur gekommen war - und wie er um Anerkennung für seine Entdeckung hatte kämpfen müssen.
    Laveran, 1845 in Paris geboren, hatte in Straßburg studiert und als medizinischer Offizier im Deutsch-Französischen Krieg gedient. 1874 war ihm der Lehrstuhl für Militärische Erkrankungen und Epidemien an der École du Val-de-Grâce in Paris übertragen worden, den vorher sein Vater innegehabt hatte. Ein Jahr später veröffentlichte Laveran eine fast 800 Seiten lange Abhandlung über Krankheiten und Epidemien in den Armeen, in der die Malaria eine zentrale Rolle spielte. 1878 wurde er in das von den Franzosen besetzte Algerien abkommandiert, wo er auch viele französische Soldaten an der Malaria sterben sah:
    "Ich hatte die Gelegenheit, Autopsien durchzuführen, und konnte dabei die so genannte Melanämie, das heißt die Ablagerung von schwarzen Pigmenten im Blut der Betroffenen beobachten. Dieses Phänomen war zwar schon oft beschrieben worden, aber die Ursache war nach wie vor unbekannt."
    Unter dem Mikroskop verbarg sich eine Überraschung
    Laveran beschloss, das Blut jedes Malariapatienten auf die verdächtigen Partikel hin zu untersuchen. Als er sich am 6. November 1880 über sein Mikroskop beugte, um die Probe eines 48-jährigen französischen Soldaten zu überprüfen, der zwei Tage zuvor ins Krankenhaus von Constantine im Nordosten Algeriens eingeliefert worden war, traute er seinen Augen kaum.
    "An den Rändern der pigmentierten, kugelförmigen Körper sah ich transparente, fadenförmige Elemente, die Geißeln ähnelten, sich sehr schnell bewegten und dabei die umliegenden roten Blutkörperchen verdrängten. Auch in anderen Proben fand ich diese hoch agilen Filamente, die eindeutig für Leben sprachen. Von da an hatte ich an der parasitären Natur der von mir entdeckten Elemente keine Zweifel mehr."
    Die Medizin-Akademie bleibt misstrauisch
    Laveran schickte eine eilige Notiz über seinen Befund an die Nationale Akademie der Medizin in Paris, stieß dort aber auf taube Ohren:
    "Das von mir beschriebene ‚Hemacytozoon’, welches ich als Erreger der Malaria erkannte, [...] glich keinem der bisher bekannten krankheitserzeugenden Mikroorganismen, und viele Beobachter fanden es, da sie es nicht klassifizieren konnten, einfacher, seine Existenz anzuzweifeln."
    Die dreijährige Siama Marjan spielt in Nairobi (Kenia) hinter einem Moskitonetz, das sie vor dem Stich von Malaria-Mücken schützen soll (Archivfoto).
    Immunsystem - Abwehr gegen Malariaparasiten
    Nicht alle, die mit dem Malaria-Erreger infiziert wurden, erkranken an typischen Fieberschüben. Forscher haben durch Blutuntersuchungen immuner Kinder ein Eiweiß entdeckt, das die Parasitenvermehrung blockiert. Diese Erkenntnis könnte zur Entwicklung neuer Medikamente führen.
    Aber Laveran ließ nicht locker. 1884, kurz nach seiner Rückkehr an die École du Val‑de‑Grâce, feierte er seinen ersten Triumph. Laveran hatte mehrere namhafte Forscher eingeladen, an einer mikroskopischen Untersuchung teilzunehmen. Darunter war auch Louis Pasteur, den der Anblick der amöbenartig herumhuschenden Gebilde auf Anhieb von der Existenz eines Malariaparasiten überzeugte. Ende der 1880er-Jahre war die Theorie vom parasitären Ursprung der Malaria allgemein anerkannt. Doch wie gelangte der Parasit in den Körper? Wie fand die Ansteckung statt? Laveran äußerte als einer der Ersten die Vermutung, dass Moskitos dabei eine Rolle spielen könnten.
    This female Anopheles gambiae mosquito-one of several species that can carry deadly malaria-surely used her sophisticated sniffing ability to find a place to eat. Foto: NNS /Landov dpa
    Tropenfieber - Der Kampf der WHO gegen die Malaria
    Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Algerien und Argentinien kürzlich als malariafrei anerkannt. Der Kampf gegen das Tropenfieber geht jedoch weiter, denn weltweit sterben Hunderttausende an der Krankheit. Besonders betroffen sind Kinder.
    Den Beweis dafür lieferte aber erst der Engländer Ronald Ross, der 1897 die Anopheles-Mücke als Überträgerin der Malaria identifizierte. Laveran hatte ein Jahr zuvor seinen Dienst beim Militär quittiert. Er bekam ein eigenes Labor im Pasteur-Institut, wo er andere Krankheitserreger erforschte. Mit dem Thema "Malaria" hatte Laveran, der 1922 starb, weitgehend abgeschlossen. Er sah den Sieg über die Krankheit in greifbarer Nähe, aber darin hat er sich gründlich getäuscht. Mit rund 200 Millionen Erkrankten pro Jahr ist die Malaria noch immer die häufigste Infektionskrankheit der Welt.