Komplimente am Handy

Von Stefan Keim · 27.06.2010
"Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart sollte die letzte Premiere im Kölner Opernhaus vor der Sanierung werden. Doch nun muss der ganze Umbau neu geplant werden, und es geht in der nächsten Spielzeit doch erst mal weiter im Haus am Offenbachplatz.
Don Giovanni wohnt in einem luxuriösen Apartment. Mit Hilfe von Überwachungskameras kann er den Flur und die Straße vor dem Haus beobachten. Ein großes Bett dominiert die Bühne. Klar, denn dorthin zieht es den Abenteurer der Erotik stets, sobald er eine weibliche Begleitung gekapert hat.

Intendant Uwe Eric Laufenberg verlegt die Geschichte von Mozarts Oper in die Gegenwart. Don Giovanni singt Arien nicht mehr unter den Fenstern der Angebeteten, sondern ins Handy. Die Gags sind manchmal etwas derb, kommen aber beim Publikum bestens an. Schwieriger verhält es sich mit einer anderen Idee des Regisseurs. Don Giovanni gräbt Frauen aus allen Schichten der Gesellschaft an, auch das Bauernmädchen Zerlina. In Köln ist sie eine junge Türkin mit Kopftuch. Ihr Bräutigam wird eifersüchtig und schlägt Zerlina zusammen. Wahrscheinlich will Regisseur Laufenberg auf die Gewalt gegen Frauen hinweisen, die es in muslimischen Familien gibt. Aber damit bedient er auch ein fremdenfeindliches Klischee.

Am Ende fährt Don Giovanni zur Hölle, der Geist eines Mannes, den er erstochen hat, zieht ihn hinab. Normalerweise ist das eine enorm wirkungsvolle Szene, in Köln verpufft sie weitgehend. Das helle Zimmer mit den modernen Möbeln lässt keine Schaueratmosphäre zu. Sonst ist Laufenbergs Inszenierung kurzweilig, oft auch spannend, das Ensemble spielt natürlich, jeder hat sympathische und abgründige Seiten.

Musikalisch ist die Kölner Aufführung eine Sensation. Einen besseren Don Giovanni als den Engländer Christopher Maltman gibt es derzeit kaum. Ein beweglicher Bariton, der mühelos zwischen eleganter Leichtigkeit und dämonischem Selbstbewusstsein wechselt. Simone Kermes singt als verlassene Geliebte Donna Anna jede kleine Verzierung mit großer Empfindung und gestaltet ihre Arien mit einem psychologischem Feingefühl, dass wohl Mozart selbst auf die Knie sinken würde. Der junge Russe Mikhail Petrenko überzeugt bei seinem Rollendebüt als Diener Leporello wie das gesamte Kölner Ensemble.

Markus Stenz ist den Sängern am Pult des Gürzenich-Orchesters ein ebenso feinfühliger wie anfeuernder Begleiter. Besonders die Holzbläser hinterlassen einen grandiosen Eindruck. Uwe Eric Laufenberg ist in seiner ersten Spielzeit als Chef der Kölner Oper szenisch noch kein ganz großer Wurf gelungen. Aber er hat das Niveau des zuvor kriselnden Hauses stabilisiert und nun für den "Don Giovanni" ein Mozartensemble engagiert, das auch im internationalen Vergleich Spitze ist.

Nach dem Streit um Sanierung oder Neubau des Schauspielhauses, das ja mit der Oper ein Ensemble bildet, ist noch nicht klar, wie der Umbau nun passieren soll. Deshalb kann in der nächsten Saison das Opernhaus nun doch weiter bespielt werden. Das geschieht nun en suite mit vier Produktionen, weil so schnell nicht mehr umgeplant werden konnte. Trotzdem beginnt die Kölner Oper ab Oktober ihren geplanten Gang in die Stadt, in mehrere Ausweichquartiere. Zum Beispiel gibt es die Uraufführung von Karlheinz Stockhausens "Sonntag aus Licht" im Staatenhaus, einer riesigen Halle, Britten in einer Kirche und Mozarts "Zauberflöte" in der Uni-Aula. Mit dem Schauspiel können solche Spielzeiten auf Tour durch die Stadt Lust bringend sein, für das Musiktheater ist es viel schwieriger. Weil man mehr Wert auf Akustik und Komfort legen muss, Opernbesucher sind anspruchsvoll. Uwe Eric Laufenberg und seinem Team stehen spannende Zeiten bevor.

Homepage "Don Giovanni" an der Oper Köln
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