"Das Schwein von Gaza"

Von Anke Leweke · 01.08.2012
Jafaar lebt im Gaza-Streifen. Er ist Palästinenser und bei einem Fischzug geht ihm ein lebendes Schwein ins Netz. Regisseur Sylvain Estibal erzählt, wie Jafaar nun damit umgeht.
Die absurde Komik als Vergrößerungsglas wird im Kino gerne genommen, um sich politische und gesellschaftliche Verhältnisse näher anzuschauen, um sich harten Stoffen von einer etwas anderen Seite zu nähern. Die Ausgangssituation dieses Films ist jedenfalls nicht nur für den palästinensischen Fischer Jafaar, sondern auch für den Zuschauer einigermaßen überraschend. Statt dicker Fische findet der ewige Pechvogel in seinem Netz ein dickes, quicklebendiges Schwein. Doch was tun mit dem Vieh, das sowohl in seiner Religion wie auch bei den orthodoxen Siedlern in der Nachbarschaft als unrein gilt?

Der Regisseur Sylvain Estibal hängt sich nun an die Fersen von Jafaar und dem Schwein und erzählt so vom Leben und Alltag in ständiger Ausnahmesituation. Auf dem Dach von Jafaars Haus halten die israelischen Soldaten Wache, die UN -vertreten durch Ulrich Tukur - ist mit ihrer Aufgabe völlig überfordert, und ein palästinensischer Polizist will ihm Zoll auf seinen täglichen Wegen durch das besetzte Gebiet abverlangen.

Doch irgendwie sind die Bilder zu hübsch, der Schmutz ist zu "ordentlich", das Licht zu freundlich, um ein tatsächliches Gefühl für einen Alltag inmitten politischer Spannung zu geben. Auch die Völkerverständigungsbotschaft gerät ein wenig naiv, wenn der israelische Soldat und Jafaars Frau zusammen eine Telenovela schauen und dabei feststellen, dass ihre Welten gar nicht so verschieden sind.

Doch je politisch unkorrekter, je schwarzhumoriger Sylvain Estibals Film wird, desto präziser und wütender ist sein Kommentar zum Nahostkonflikt. Das Besorgen von Schweinesperma wird plötzlich zum politisch aufgeladenen Akt und Jafaar findet sich in einem moralischen Dilemma wieder. Auch wird die Frage des Märtyrertums ins Absurde gezogen, ohne dass dabei die Bedrohung, die von Selbstmordattentätern ausgeht, ins Lächerliche abgleitet. "Das Schwein von Gaza" ist ein Film, der sich zunächst zu sehr auf seiner grotesken Idee ausruht, dann aber an politischer Zugkraft gewinnt.

"Das Schwein von Gaza" - der Titel erzählt eigentlich von einer Unmöglichkeit, also wie kommt das Schwein dorthin?

Geht die Idee des Regisseurs denn auf, funktioniert die Idee, mit den Mittels der Groteske von einem spannungsgeladenen Alltag zu erzählen?

Frankreich, Beglien, Deutschland 2011, Regie: Sylvain Estibal, Darsteller: Sasson Gabai, Baya Belal, Khalifa Natour, ab 12 Jahren, 98 Minuten

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