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Eine große Kühltruhe fürs ganz Dorf

Heute hat fast jeder Haushalt einen Kühlschrank. Ganz anders sah es noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus. In den 50er Jahren wurden in ländlichen Regionen deshalb Kalthäuser gebaut - ein dörflicher Gemeinschaftskühlschrank. Ein paar wenige haben überlebt, werden noch immer von Dorfgemeinschaften betrieben und sie überzeugen mit einer guten Energiebilanz. Zum Beispiel im niedersächsischen Landkreis Lüchow Dannenberg.

Von Dirk Drazewski | 17.10.2008
    Ein kleiner roter Backsteinbau, knapp 20 Quadratmeter groß, steht alleine auf einer Wiese, direkt an der Bundestrasse. Das Kalthaus in Schmarsau, einem kleinen Dorf mit knapp 200 Einwohnern. Leise dringt das Dröhnen des Kühlaggregats nach draußen. Dietmar Kusak, kümmert sich freiwillig um die Technik im Kalthaus. Er schließt die Tür auf, dahinter ein angenehm kühler Raum, zwei mal zwei Meter groß. Eine weitere kleine Holztür ist auf der linken Seite.

    "Da ist das große Aggregat drin, womit das Kühlhaus betrieben wird, dass ist vor zwei Jahren auf moderne Kühltechnik umgestellt worden."

    Im Jahresdurchschnitt verbraucht die Anlage 6300 Kilowattstunden Strom, um den Raum auf -18°C zu kühlen. Rund 6000 Liter passen hier hinein. Das entspricht 30 Haushaltsgefriertruhen mit der Energieeffizienzklasse A ++; diese verbrauchen ungefähr die gleiche Strommenge. Allerdings stehen in vielen Haushalten in der Regel ältere Geräte, die fast die doppelte Energiemenge benötigen: zwischen 10.000 und 12.000 Kilowattstunden.

    Dietmar Kusak schaut kurz auf den Stromzähler, dann wandert sein Blick wieder in den Vorraum, an der Wand zeigt das Thermometer vier Grad an. Daneben hängen fünf Mettwürste an einer Metallstange.

    "Dann wird ein Mitglied geschlachtet haben und die hier hin gehangen haben, meistens hängt das nur für drei, vier Tage, dann kommt es wieder raus."

    Das Kalthaus teilt sich in zwei Bereiche: den Kühlraum und den Gefrierraum. Der liegt hinter einer großen, silbrig glänzenden Tür. Fast zehn Zentimeter dick ist sie genauso wie die Wände wärmegedämmt.

    "Ich glaube, wir haben 6.000 Liter, dann haben wir 400, 200, 150 und 100 Liter-Fächer und die sind dann aufgeteilt: linke Seite, rechte Seite. Dafür zahlt jeder seinen Beitrag und dadurch unterhält sich das."

    Monatlich zahlen die 40 Anteilseigner zwischen vier und acht Euro. Die meisten haben Fleisch aus der eigenen Hausschlachtung eingefroren.

    Das Thermometer zeigt minus 18 Grad Celsius. Die einzelnen Kühlfächer sind aus Holzlatten gezimmert, oben an der Decke hängen kleine Eistropfen an der Kühlanlage.

    "Das ist alles aus Holz, damit dass nicht rosten kann, hier oben ist die Kühlanlage, halbjährlich muss ich die abtauen."

    Bunte Pizzakartons sieht man nicht in den kleinen Holzverschlägen. Das würde sich nicht lohnen, sagt Kusak.

    "Da müsste man immer her fahren, dass lagern wir schon zu hause, aber wenn wir im Winter schlachten, mit den Schwiegereltern, dann wird das wieder voll gepackt."

    Es wird unangenehm, von unten steigt die Kälte auf. Schnell wieder raus aus dem Gefrierraum. - Ein Dorf weiter sitzt Hans Christian Lange in seinem Garten. Kalthäuser sind energiesparender als Gefriertruhen, sagt der Fachmann von der Dannenberger Energieagentur.

    "Weil dort im Vergleich zu Gefriertruhen weniger Energie verbraucht wird. Einmal in der Herstellung. Dass ich anstatt zehn, 20 Gefriertruhen zu produzieren, nur ein Gefrieraggregat und Isolierung herstellen muss. Das ist der eine Vorteil. Und dann zum zweiten: Im Betrieb wird natürlich ein großer Raum gekühlt und nicht 20 kleine - das ist energetisch auch günstiger."

    Er wünscht sich, dass wieder mehr Kalthäuser betrieben werden. Noch gibt es sie, auch wenn viele nicht mehr in Betrieb sind. Oder, dass sogar neue gebaut werden. Vereinzelt passiert das. In Celle haben sich Bürger zusammengeschlossen und ein Kalthaus errichtet.