Coronafolgen für die Musik

"Die Szene hängt komplett in der Luft"

09:05 Minuten
Bick in den Alfried Krupp Saal der Philharmonie in Essen
Bleiben Orchester künftig ohne Nachwuchs? Elmar Fulda glaubt an die Zukunft der Musikbranche, denn Kultur gehöre zur Menschheitsgeschichte. © imago images / Ralph Lueger
Elmar Fulda im Gespräch mit Vladimir Balzer · 18.02.2021
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Nach einer aktuellen Studie denkt ein Fünftel der Nachwuchsmusiker über einen Berufswechsel nach. Der Grund dafür ist die Coronakrise. Auch Studenten seien besonders betroffen, sagt Elmar Fulda, Präsident der Musikhochschule in Frankfurt am Main.
Rund ein Fünftel der Nachwuchsmusiker wolle den Beruf aufgeben, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Doch bisher habe noch kein Student seiner Hochschule "die Flinte ins Korn geschmissen", sagt Elmar Fulda. Er ist der Präsident der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main.

Weihnachtslockdown brachte Unruhe

Allerdings habe auch er ab dem Weihnachtslockdown eine große Unruhe unter seinen Studenten gespürt, sagt Fulda. "Wir haben alle gemerkt, dass die Zahlen nicht runtergehen. Dann begannen Ängste, sehr viel deutlicher zu werden."
Nach einer Umfrage an der Hochschule zeige sich, dass für viele Studierenden die Situation schwierig sei. Doch die meisten wollten weiterstudieren. Zwei Gruppen seien allerdings besonders belastet:
"Das sind die Erstsemester, die in der Krise angefangen haben und die zum Teil überhaupt nicht in ein studentisches Leben gekommen sind und keinen Anschluss finden." Zur anderen Gruppe gehörten Studenten, die in den letzten Semestern seien und die nicht wüssten, wie sie in ihrem Berufsfeld beginnen könnten.

Kultur gehört zur Menschheitsgeschichte

"Es gibt keine Vorsprechen und Vorspielen an den Theatern. Der gesamte Bereich der freien Ensembles im Musikbereich ist extrem wichtig. Gerade für junge Musikerinnen und Musiker ist das weggebrochen. Das macht Angst.
Viele Orchester, Theater und freie Ensembles würden um das Überleben kämpfen, Opernhäuser planten ihre Spielpläne zum x-ten Mal um. "Ich weiß gar nicht, ob man da überhaupt daran denken kann, wie das weitergeht. Die Szene hängt immer noch komplett in der Luft."
Allerdings sollte die Bindungskraft und damit die Zukunft der Kunst nicht unterschätzt werden, so Fulda. Grundsätzlich sei er optimistisch: "Kunst und Kultur war etwas, was die ganze Menschheitsgeschichte begleitet hat." Die Pandemie werde dies nicht auslöschen.
"Menschen interessieren sich für Kunst, möchten sich über Geschichten austauschen und sich über Geschichten eine Identität geben. Diese Kraft wird bleiben." Allerdings würden sich die Institution verwandeln, auch weil man gelernt habe, was man wertschätze und was man ohne Theater, Museen und Orchester vermisse.

Digitale Formate bleiben

Viele der Initiativen von Livestreams würden auch nach der Pandemie erhalten bleiben, vermutet Fulda. Zur Exklusivität am Veranstaltungsort selbst zu sein, werde es künftig auch immer Formate geben, dass Menschen Veranstaltungen auch von zu Hause miterleben könnten.
Außerdem werde das Digitale eine Einnahmequelle für Musiker sein: "Das sieht man am Erfolg von Streamingdiensten. Auch langfristig wird es auch ein Publikum geben, das bereit ist, dafür Geld zu bezahlen."
Die jungen Menschen seiner Hochschule hätten eine unglaubliche Energie, obwohl sie wüssten, dass sie in eine schwierige Welt gingen, sagt Fulda. Dank eines Fundraisings mit großzügigen Spenden aus der Frankfurter Bürgerschaft hätte die Hochschule mit 150 Stipendien rund einem Drittel der Studenten eine finanzielle Nothilfe geben können. Kein Student hätte bisher aufgegeben. "Irgendwie konnten wir den Optimismus erhalten. Darauf bin ich auch ein bisschen stolz."
(mle)
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