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Memoiren
Reise durch die kunterbunte Welt der Hillary

Man könnte sie als Bewerbungsschreiben für eine zweite Präsidentschaftskandidatur lesen - die neuen Memoiren von Hillary Clinton. Das Buch "Entscheidungen" ist allerdings über weite Strecken banal und ähnelt zuweilen einem Groschenroman.

Von Katja Ridderbusch | 16.06.2014
    Hillary Clinton bei der Präsentation ihres Buches "Entscheidungen" in Arlington, Virginia.
    Hillary Clinton bei der Präsentation ihres Buches "Entscheidungen" in Arlington, Virginia. (picture alliance / EPA / Jim Lo Scalzo)
    "He's very likeable. I agree with that. I don't think I'm that bad."
    Eine Szene aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2008. Klar sei er sympathisch, sagte Hillary Clinton während einer Fernsehdebatte über ihren Mitbewerber Barack Obama. Aber so unsympathisch sei sie selbst nun auch nicht. Darauf Obama:
    "You are likeable enough, Hillary."
    "Du bist sympathisch genug, Hillary". Obama hatte die Lacher auf seiner Seite, und Clinton verlor - die Debatte und die Vorwahlen. Das soll ihr kein zweites Mal passieren - wenn sie denn antritt bei den Präsidentschaftswahlen 2016. Inoffiziell hat Hillary Clinton den Wahlkampf jedenfalls schon eröffnet: Gerade brachte sie mit großem PR-Getöse ihr neues Buch auf den Markt - Erinnerungen an ihre Zeit als Außenministerin der USA. Dabei weiß sie noch gar nicht, ob sie 2016 überhaupt antreten will. Sagt sie zumindest:
    "Ich werde mich entscheiden, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Das wird sicher nicht vor Ende des Jahres sein. Ich will erst einmal durchs Land reisen, dann tief durchatmen und das Für und Wider in Ruhe abwägen."
    Bis das soweit ist, dürfte es allerdings kräftig in der Kasse klingen. Mehr als eine Million Vorbestellungen gab es in den USA, bevor das Buch überhaupt auf den Markt kam; angeblich zahlte der Verlag einen Vorschuss von 14 Millionen Dollar. Die Summe mag die Autorin darüber hinweg trösten, dass Kritiker ihr Werk nahezu einhellig verreißen. In der "New York Times" heißt es:
    "Memoiren wie diese dienen vielen Zwecken: dem Geldbeutel, dem Schattenwahlkampf, oder auch dem Recht, sich künftig selbst zu zitieren. Lesevergnügen gehört nicht dazu."
    Jagd nach Sympathiepunkten
    In der Tat: Wer von Clintons Memoiren Neues oder Originelles erwartet, einen frechen Blick hinter die Kulissen oder auch nur unterhaltsame Details, der wird enttäuscht. Denn das Buch ist über weite Strecken vor allem eines: banal. Aber es geht ja auch gar nicht um das Buch, sondern um die jüngste Imagekampagne der Hillary Clinton - der Politikerin und der Person auf der eifrigen Jagd nach Sympathiepunkten. So schildert sie in einem Interview das erste geheime Treffen mit dem späteren Präsidenten Obama wie folgt:
    "Es war wie die unbeholfene Verabredung von zwei Teenagern. Der Wahlkampf war aufgeheizt, unsere Anhänger waren zerstritten, auch wenn wir beiden persönlich nichts gegeneinander hatten."
    Clinton setzt auf Volumen, auf Masse statt Klasse. Auch inhaltlich. Sie habe in ihrer Zeit als Außenministerin knapp eine Million Meilen im Flugzeug zurückgelegt und 112 Länder besucht, schreibt sie. Und zählt denn auch - fast - alle ihre Reisen auf nahezu 900 Seiten auf. Ihre Beschreibungen der Staatschefs, denen sie begegnet, sind munter und zumeist harmlos. Besonderes Lob gibt es für Bundeskanzlerin Angela Merkel:
    "Es war herzerfrischend zu beobachten, wie Angela Leben in die Bude brachte. Während meiner Zeit als Außenministerin wuchs meine Bewunderung für diese entschlossene, kluge und ehrliche Frau."
    Ausführlich schildert Clinton die Nacht zum 2. Mai 2011, als ein Elite-Team der Navy SEALs das Versteck von Osama Bin Laden in Pakistan stürmte und den Al-Kaida-Führer tötete. Dabei zeichnet sie ein Bild von sich selbst als glühende Patriotin, die bei den Satellitenbildern des Militäreinsatzes mitfiebert wie bei einem Kinofilm.
    "An einen aufregenderen Augenblick als diesen kann ich mich nicht erinnern. (...) Ich musste an die Männer denken, die dort, auf der anderen Seite der Welt, mitten in der Nacht ihr Leben aufs Spiel setzten, und hielt den Atem an."
    Selbstgerecht, klischeebeladen und voller Platitüden
    Am Rande erfährt der Leser auch, dass sich die Führungsriege des Weißen Hauses für das Ereignis - immerhin die Vergeltung für die Anschläge von 9/11 - zwar nicht mit Popcorn, aber mit Snacks aus einem Delikatessenladen eingedeckt hatte. Mit besonderem Interesse wurde in den USA das Kapitel über die Angriffe in Bengasi, Libyen, erwartet. Dabei waren am 11. September 2012 vier amerikanische Diplomaten getötet worden. Clinton musste sich später vor dem Kongress rechtfertigen - für den mangelnden Schutz der Botschaft und vermeintlich vertuschte Informationen.
    "What difference at this point does it make?"
    Welche Unterschiede die Umstände des Angriffs denn im Nachhinein noch machten?, giftete Clinton damals vor dem Ausschuss. Und auch im Rückblick weist die ehemalige Außenamtschefin jegliche persönliche Verantwortung zurück:
    "Es ist nicht mein Job, auf Baupläne zu schauen und zu bestimmen, wo Schutzmauern gebaut und Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden müssen. Dafür heuern wir Experten an."
    Der Ton des Buches ist selbstgerecht, der Stil klischeebeladen und voller Plattitüden. Vor allem in jenen Passagen, in denen es menschelt - und das sind einige -, grüßt der Groschenroman:
    "Wenn ich Entscheidungen treffe, höre ich dabei sowohl auf mein Herz als auch auf meinen Verstand. (...) Mein Herz quoll über vor Liebe, als unsere Tochter Chelsea geboren wurde; und mein Herz schmerzte, als mein Vater und meine Mutter starben."
    Doch es kommt noch schlimmer. Wenn Clinton das Verhältnis zwischen Amerika und Europa beschreibt, klingt das mehr wie der Eintrag ins Poesiealbum, mehr nach "Hanni und Nanni" als nach politischer Analyse:
    "Finde neue Freunde, aber vergiss die alten nicht. Die einen sind Silber und die anderen Gold, heißt es in einem Pfadfinderlied für Mädchen, das ich noch aus meiner Grundschulzeit kenne. Für Amerika ist das transatlantische Verhältnis mehr als Gold wert."
    Einen Literaturpreis mag die Autorin für "Entscheidungen" kaum bekommen, aber das ist auch nicht ihr Ehrgeiz. Mit ihrer Rundreise durch die kunterbunte Welt der Hillary will sich Clinton als Kandidatin der Herzen etablieren. Eine Strategie, die - bislang zumindest - aufzugehen scheint: Jüngsten Umfragen zufolge würden 55 Prozent der Amerikaner Hillary Clinton zur Präsidentin wählen.
    Hillary Rodham Clinton: "Entscheidungen", Droemer Verlag, 895 Seiten, 28 Euro. ISBN: 978-3-426-27634-1.