Erinnerungskultur in der Stadt

Berlin soll dekolonisiert werden

08:03 Minuten
Zeichnung der Teilnehmer der Afrikakonferenz 1884.
Auf dieser zeitgenössischen Zeichnung der Teilnehmer der Afrikakonferenz 1884 sieht man 19 Männer, die das Schicksal Afrikas besiegeln. © imago images / Photo12 / Ann Ronan Picture Library
Nadja Ofuatey-Alazard im Gespräch mit Marietta Schwarz · 14.11.2020
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Auch in Berlin hat der Kolonialismus Spuren hinterlassen: im Straßenbild, in Schulbüchern und im Alltag. Das Projekt "Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt" will Sichtbares einordnen und Unsichtbares erfahrbar machen.
Am Sonntag vor 136 Jahren kamen in Berlin 19 weiße Männer zusammen, um die Aufteilung Afrikas zu legitimieren. Otto von Bismarck hatte zur Afrikakonferenz ins Reichspalais geladen. An diesem Sonntag treffen sich nun 19 Frauen afrikanischer Herkunft, um sich Gedanken über Dekolonisierung zu machen. Diese alternative Afrikakonferenz ist der Auftakt des Kulturprojekts "Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt". Vier Jahre lang will man sich mit der Kolonialgeschichte und deren Spuren bis in die Gegenwart beschäftigen.
Doch was Dekolonisierung genau ist, ist immer noch unklar, wie Festivalleiterin Nadja Ofuatey-Alazard sagt. Eine "500-jährige Gewaltgeschichte" könne man nicht "einfach hopplahopp" ungeschehen machen. "Wir wollen dieses große Thema aus dem Elfenbeinturm der Akademie herausholen", sagt sie, "und unmittelbar für die Bürgerinnen und Bürger auch erlebbar, verständlich, besprechbar machen".

Ungewöhnliche Partnerschaft mit dem Berliner Stadtmuseum

Dafür haben sich die Initiativen EOTO, Berlin Postkolonial und die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland mit der Berliner Stiftung Stadtmuseum zusammengeschlossen. Eine ungewöhnliche Partnerwahl. Das Museum ist nicht für koloniales Raubgut oder menschliche Schädel in seinen Kellern bekannt, wie Ofuatey-Alazard erklärt:
"Es geht tatsächlich eher darum, und da ist auch ein großes Verständnis schon da im Direktorium des Stadtmuseums, dass natürlich ganz Vieles kolonial toxisch aufgeladen ist." Das Museum biete genügend Material, das man unter einer neuen Perspektive betrachten könne. Dazu zählt Ofuatey-Alazard kolonialistische Werbeträger und Plakate.
In der Stadt offen sichtbar seien kolonial belastete Straßennamen und Bezeichnungen von Plätzen oder entsprechende Denkmäler, sagt sie, aber in der Tiefe "geht es um die Geschichte von Orten, von Institutionen, um die Inhalte in Medien, in Schulbüchern" – überhaupt um jede Art von Wissensarchiv: so zum Beispiel um koloniales Erbe, das sich in Sprache oder dem heutigen globalen Wirtschaftssystem ausdrückt. "Diesen Fragen wollen wir auf die Schliche kommen, auf den Grund gehen", sagt Ofuatey-Alazard.
(ckr)
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