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Menschenwürdiges Sterben

Ärzte und Pflegepersonal können einem Schwerkanken das menschenwürdige Sterben ermöglichen. An Krankenhäusern existieren heute Palliativstationen, stationäre Hospize und ambulante Palliativversorgung.

Von Hellmuth Nordwig | 22.03.2011
    Die Palliativmedizin ist nicht gerade in einem gesunden Zustand. Wer sich Zeit für das Gespräch mit Sterbenden nimmt, ihnen zu trinken gibt und sie in der letzten Stunde des Lebens begleitet, der muss meist bereit sein, das für wenig oder gar keinen Lohn zu tun. Zum Beispiel die rund 80.000 ehrenamtlichen Helfer, ohne die kaum ein Todkranker in Deutschland versorgt würde. Auf diese Freiwilligen war die Palliativversorgung von Anfang an angewiesen, berichtet Dr. Erich Rösch, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands:

    "Die Hospizbewegung ist bewusst als Bürgerbewegung entstanden, als Kritik an den bestehenden Strukturen. Weil es eben nicht als öffentliche Aufgabe erkannt worden ist, haben sich Bürger auf den Weg gemacht und engagiert, Hospizvereine gegründet, stationäre Hospize ins Leben gerufen und auch die Medizin veranlasst, in Richtung Palliativstationen zu denken."

    Von denen gibt es inzwischen 230 in Deutschland. Doch den Löwenanteil der Versorgung übernehmen die 1500 ambulanten Hospiz- und Palliativdienste. Deren Zahl stagniert, was aber nicht bedeutet, dass der Bedarf gesättigt wäre. Das Problem:

    "Wenn ich ambulante Palliativversorgung organisieren will, muss ich ein entsprechendes Team aufrecht erhalten, muss Equipment anschaffen. Das heißt, ich habe große Anfangsinvestitionen zu leisten, habe den regelmäßigen Unterhalt meiner Institution zu sichern. Das sind Summen von rund einer Million für ein Team, das dann ein Einzugsgebiet von 250.000 Personen versorgen kann. Das sind Investitionen, die nicht jeder gerne auf sich nimmt, wenn er nicht weiß: Wird das denn irgendwann refinanziert werden?"

    Und genau da hakt es. Denn die Krankenkassen stecken finanziell in der Klemme, und sie sind den Palliativdiensten gegenüber entsprechend knauserig. Und die Politik unterstützt die Hospizbewegung zwar in ihren Sonntagsreden, hält sich aus den Verhandlungen aber vornehm heraus.

    "Wichtig wäre uns, die öffentliche Diskussion aufrecht zu erhalten: Was ist uns wichtig, wofür wollen wir zukünftig unser Geld in der Gesundheitsversorgung ausgeben? Wollen wir für Schwerstkranke und Sterbende, die weder eine Zielgruppe für die Werbung um Wählerstimmen noch als Beitragszahler sind, Geld ausgeben oder wollen wir die hinten runterfallen lassen? Nachdem wir selbst alle irgendwann mal Sterbende sein werden, denke ich, wir müssen uns rechtzeitig auf den Weg machen und dieses Netz sehr eng knüpfen."

    Bei den 180 stationären Hospizen in Deutschland sieht es finanziell nicht rosiger aus. Wer ein solches Sterbehaus gründen will, den klärt Erich Rösch erst einmal darüber auf, dass er sich auf ein Minusgeschäft einlässt: Zuschüsse sind so knapp bemessen, dass ein Hospizverein pro Patient und Tag 68 Euro an Spenden einwerben muss - nicht gerechnet die Kosten für das Haus und die ehrenamtlichen Helfer. Festangestelltes Personal gibt es deshalb bei Diensten und Hospizen so wenig wie möglich. Und das hat Folgen.

    "Wir haben festgestellt, dass der ständige Umgang mit Krankheit und Tod das Personal regelmäßig an seine Grenzen bringt und auch dazu führt, dass viele aus dem Beruf vorzeitig wieder aussteigen. Da müssen wir Entlastung schaffen für das Personal, wenn wir wissen, dass dieses Personal immer weniger wird und dass es zukünftig immer älter sein wird."

    Die Palliativ- und Hospizversorgung leidet also vor allem an einem chronischen Geldmangel. Fünf von sechs Menschen sterben deshalb immer noch einen unwürdigen Tod, obwohl das nicht sein müsste.