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Brexit-Verlängerung
Verschiebung stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen

Lager wurden vorsorglich befüllt, Bänder angehalten: Viele Unternehmen haben versucht, sich auf einen Brexit vorzubereiten. Die neuerliche Verschiebung sorgt in der Wirtschaft nur für ein wenig Aufatmen. Die Firmen fordern endlich Planungssicherheit.

Von Brigitte Scholtes | 11.04.2019
Produktion von Mini-Fahrzeugen im Werk Oxford in Großbritannien.
BMW hatte für die britische Tochter Mini die Werksferien vorgezogen, um sich auf den Brexit vorzubereiten (BMW AG/dpa)
Unternehmen wissen gern, woran sie sind, sie schätzen klare Rahmenbedingungen. Davon kann jetzt nach der neuerlichen Verschiebung des Brexit auf spätestens Ende Oktober wieder einmal keine Rede sein. Und dennoch habe er ein gewisses Aufatmen gespürt, sagt Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer (AHK):
"Es gibt mehr Vorteile, denn es ist ein ‚No Deal‘ abgewendet worden. Und das wäre schon für die gesamte Wirtschaft in Europa, aber vorwiegend auch für die britische Wirtschaft, ein sehr harter Schlag gewesen, und das hätte ja auch zu weitreichenden politischen Implikationen geführt. Von daher: die Vorteile überwiegen ganz klar."
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Wirtschaftsunternehmen sind erleichtert über die Verschiebung des Brexits (AFP / Tolga Akmen)
Dennoch fordert diese Situation die Manager in besonderem Maß, so hatten sie zum Teil schon Vorkehrungen für den Austritt Ende März getroffen, die sie jetzt wieder verschieben müssen. Das sei nachteilig, erklärt Jürgen Matthes, Ökonom des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft:
"Beispielsweise haben wir gehört, dass Flugzeuge gechartert worden, um Teile herum zu fahren, das Werksferien eingerichtet worden, diese Arrangements haben sich jetzt alle als vergeblich erwiesen, haben natürlich Kosten verursacht bei den Unternehmen und von daher ist ein ständiges vor sich her schieben der Entscheidung und auch des Austrittsdatums für Unternehmen natürlich letztlich keine gute Nachricht."
Brexit dürfe kein nicht enden-wollender Blindflug werden
Die Werksferien vorgezogen auf den April hat etwa BMW für seine britische Tochter Mini. Das belaste grundsätzlich die Geschäftsentwicklung, heißt es in einem schriftlichen Statement des Autobauers, der deshalb auch an die Politiker appelliert, bald Planungssicherheit zu schaffen. Die fordert auch der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, so sagt dessen Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann:
"Die Industrie bräuchte dringend Klarheit, wie es mit Großbritannien weitergeht. Für die Unternehmen ist es eine immer größere Herausforderung, sich auf den Brexit vorzubereiten, wenn der mögliche Austrittstermin immer wieder verschoben wird."
Denn solange es keine Klarheit gibt, solange zögern die Unternehmen auch mit Investitionen in Großbritannien.
Erleichterung überwiegt beim Bundesverband der deutschen Industrie, aber auch der mahnt, die Unternehmen müssten endlich wissen, wohin der Abschied der Briten führe. Der Brexit dürfe kein nicht enden-wollender Blindflug werden. Doch Planungssicherheit gebe es womöglich auch nach einem Brexit nicht, fürchtet Ulrich Hoppe von der AHK
"Das Risiko ist nur, was passiert danach und wie entwickelt sich insgesamt die politische Landschaft? Ist Theresa May noch Premierministerin? Wer folgt ihr dann, und wie wird dann auch das zukünftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU gestaltet? Kommt es da zu einem stärkeren Konfrontationskurs oder nicht? Und das ist auch für die Unternehmen mittelfristig ein sehr großer Unsicherheitsfaktor."
Dass sie die Lager nun wieder stark abbauen, die sie in Vorbereitung des Brexit aufgebaut hatten, das sei eher unwahrscheinlich, ist zu hören. Und auch die Möglichkeit, dass Großbritannien auch vor Ende Oktober die EU verlassen könnte, schreckt die Unternehmen nicht: Denn solange das nicht ungeregelt geschieht, greift die im Austrittsabkommen vorgesehene Übergangsfrist bis mindestens Ende 2020.