Handel über den Grenzfluss

Wie eine chinesische Stadt Nordkorea hilft

Die chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke verbindet die beiden Städte Dandong und Sinuiju.
Die chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke ist die Lebensader für Nordkorea. © Deutschlandradio / Axel Dorloff
Von Axel Dorloff · 26.09.2017
Bis zu 90 Prozent allen nordkoreanischen Handels läuft über China. Die meisten Geschäfte werden über die Fluss-Stadt Dandong abgewickelt. Es ist die Verbindung, die das Regime von Kim Jong-un am Leben hält. Auch, weil die Einhaltung des UN-Embargos nicht vollständig zu kontrollieren ist.
Bis auf wenige Meter fährt das Boot auf dem Yalu-Fluss an das nordkoreanische Festland heran. Der Yalu ist der Grenzfluss zwischen China und Nordkorea. Er verläuft zwischen den Städten Dandong auf der chinesischen und Sinuiju auf der nordkoreanischen Seite. Ein Mann aus Dandong, der anonym bleiben möchte, zeigt aus dem Boot auf die barackenähnlichen Hafengebäude der nordkoreanischen Stadt Sinuiju. Immer wieder postieren Soldaten auf der Hafenmauer.
"Die Vorschriften an der Grenze verbieten es uns, mit den Nordkoreanern zu interagieren. Keine Gespräche. Die Vorschriften sind streng. Das Äußerste, was wir machen dürfen, ist, sie zu grüßen."
Über den Hafen führt die chinesisch-koreanische Freundschaftsbrücke. Die einzige Brücke, die im Korea-Krieg Anfang der 50er-Jahre nicht völlig zerstört wurde. Sie verbindet die beiden Städte Dandong und Sinuiju, per Schiene und Straße. Eine Lebensader für das Regime in Nordkorea. Vom Boot aus sieht man die Lastwagen, die mit Waren und Rohstoffen den ganzen Tag über die Grenze fahren. Unten im Hafen liegen nordkoreanische Frachtboote.
"Das hier ist der Frachthafen von Sinuiju. Hier gibt es Fabriken, die direkt am Ufer liegen. Da drüben sieht man einige Arbeiter. Und dort hinten sind die großen Lagerhallen des Hafens, in denen die ganzen Güter gelagert werden. Von hier aus werden sie nach Sinuiju und in andere Städte Nordkoreas transportiert."
Hafenarbeiter in Sinuiju
Hafenarbeiter in Sinuiju© Deutschlandradio / Axel Dorloff
China ist mit Abstand der größte Handelspartner und Energielieferant Nordkoreas: Bis zu 90 Prozent allen nordkoreanischen Handels läuft über China. Mehr als die Hälfte davon wird über Dandong abgewickelt. Die Fluss-Stadt hat zweieinhalb Millionen Einwohner und liegt im Mündungsgebiet des Yalu ins Gelbe Meer. Vieles hier ist auf Nordkorea abgestimmt: Die kleinen Läden in der Innenstadt haben ihre Schilder meist in chinesischer und koreanischer Schrift.
Auf der Hafenbrücke im Zentrum Dandongs drängeln sich die Menschen auf der sogenannten "gebrochenen Brücke". Sie wurde nach dem Korea-Krieg auf nordkoreanischer Seite nicht wieder aufgebaut. Der chinesische Teil endet in der Mitte des Flusses und ist heute mit einer Aussichtsplattform Richtung Nordkorea eine Sehenswürdigkeit für Touristen.
Nicht weit von hier sitzt der 41-jährige Geschäftsmann Xie Zhang zum Mittagstisch in einem der nordkoreanischen Restaurants in Dandong. Wie in vielen dieser Restaurants üblich, gibt es mittags auf der Bühne Live-Musik. Xie Zhang kommt aus Dandong und verdient sein Geld mit Perücken, die er in Nordkorea fertigen lässt.
"Wir schicken das künstliche Haar nach Nordkorea. Auch das Material für die Netze. Die Arbeiter dort weben das Haar an die Netze und dann werden die Perücken zurück geschickt. Wir müssen sie dann nur noch geringfügig bearbeiten, bevor sie auf den Markt kommen. Preislich ist das ein Unterschied. Die Produktionskosten in Nordkorea sind für mich deutlich geringer als in China."

UN: Zunehmender Schmuggel

Aber das Geschäft mit Nordkorea wird schwieriger. Seit der UN-Resolution von Anfang August ist es Nordkorea verboten, Kohle, Eisen, Blei und Meeresfrüchte nach China zu exportieren. Die nächste Resolution tritt Anfang Oktober in Kraft. Schon jetzt seien die Kontrollen deutlich schärfer geworden, erzählt Geschäftsmann Xie Zhang.
"Das hat Auswirkungen auf uns alle. Wir konkret haben zwar noch mit keinen Verboten zu kämpfen, aber der ganze Transport von Waren und Materialien läuft viel langsamer als vorher. Das hat sich geändert und ist für uns problematisch, weil wir Fristen einhalten müssen. Wir sind verantwortlich, wenn die Lieferungen zu spät kommen. Als normale Bürger interessiert uns vor allem unsere finanzielle Situation. Wenn Nordkorea Bomben testet, frage ich mich, was das für mein Geschäft bedeutet."
Während China angibt, die Sanktionen erfolgreich umzusetzen, behaupten die Vereinten Nationen in einem Bericht genau das Gegenteil. Die Sanktionen würden nicht konsequent umgesetzt, der Schmuggel an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze habe zugenommen.
Auf dem Fischmarkt am Stadtrand von Dandong sortieren die Fischhändler ihre Ware: Muscheln, Krabben, Krebse und Fische. Die Krebse und Fische schwimmen in den Aquarien ihrem Ende entgegen, die Muscheln und Austern werden in weiße Kisten aus Styropor verpackt und mit dickem Klebeband zugeschnürt.

"Die Grenze lässt sich nicht so einfach kontrollieren"

Direkt neben dem Laden von Fischhändler Liu Jian hängt ein weißer Zettel, auf dem auf die UN-Sanktion 2371 hingewiesen wird. Die besagt: kein Import von Meeresfrüchten aus Nordkorea. Fischhändler Liu verdreht die Augen.
"Der hängt schon länger hier. Die Regierung will es so, aber es bringt nichts. Das ist doch eine Idee der Amerikaner. Nicht von uns. Die Grenze zwischen Nordkorea und China ist lang, sie lässt sich nicht so einfach kontrollieren. Die USA wollen zwar wirtschaftliche Sanktionen, aber sie können die Situation nicht kontrollieren."
Die Muscheln, die ein Mitarbeiter von Liu Jian mit der Schippe in große Eimer sortiert und dann in den Kühlraum bringt, kommen aus nordkoreanischen Gewässern. Liu zuckt mit den Schultern.
"Die Nordkoreaner brauchen das Geld, um zu essen. Und wir müssen unsere Wirtschaft entwickeln. Jeder hat sein eigenes Interesse. Manche unserer Schiffe dürfen ihre Fang-Ladungen erst nicht abladen. Aber es gibt Korruption. Wenn Du Ihnen Geld bezahlst, lassen sie Dich Deinen Fang von Fischen und Meeresfrüchten abladen."
Chinas Handel mit Nordkorea schafft sich seinen Weg, trotz Sanktionen und trotz härterer Kontrollen. Laut Zahlen der chinesischen Zollbehörde ist zwischen China und Nordkorea im August das größte monatliche Handelsvolumen seit Dezember 2016 umgesetzt worden. Güter im Wert von rund 600 Millionen Dollar sind danach im- oder exportiert worden.
Eine wirtschaftliche Öffnung Nordkoreas ist derzeit nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Ab 1. Oktober greift schon wieder eine neue UN-Sanktion, die unter anderem Öl-Lieferungen an Nordkorea einschränken soll. Bei der politischen Führung in Peking bröckelt die alte Verbundenheit mit Nordkorea immer mehr, sagt Wissenschaftler Cheng Xiaohe von der Renmin Universität in Peking
"Chinas Nordkorea-Politik hat sich verändert. Früher hat man sich als Verbündete gegenseitig geholfen. Aber schon 2006 hat China zugestimmt, Nordkorea mit Resolutionen zu bestrafen. Mehr als zehnmal hat China das jetzt mitgemacht. Das ist ein politischer Richtungswechsel. Aber: China will auf jeden Fall Stabilität auf der koreanischen Halbinsel. Oder in anderen Worten: China möchte keinen Sturz des Regimes in Pjöngjang."
Und deshalb geht der Handel vorerst weiter. Es wird schärfer kontrolliert, manches dauert länger, hin und wieder wird ein LKW gestoppt. Aber wenn die Lichter von Dandong abends angehen und die Uferstraße der Millionenstadt hell beleuchten, wurden mit Nordkorea wieder einmal und immer noch gute Geschäfte gemacht.
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