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Merkel im Südkaukasus
Drei Tage schwierige Konsultationen

Armenien, Georgien, Aserbaidschan: Die Kaukasusreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel führt auf politisch und diplomatisch vermintes Terrain - doch in ihrem Besuchsprogramm geht es auch um deutsche Interessen. Aserbaidschan beispielsweise ist ein wichtiger Öl- und Gaslieferant.

Von Stephan Detjen | 25.08.2018
    Merkel steht mit weiteren Personen in der Gedenkstätte Tsitsernakaberd in Armenien.
    Bundeskanzlerin Merkel hat in Armenien an die Opfer des Völkermordes erinnert. (dpa/Kay Nietfeld)
    Auf einem Bergrücken über der Stadt Eriwan liegt das Mahnmal für Opfer des Völkermords an den Armeniern. Rund 1,5 Millionen Menschen wurden 1915 und 16 von türkischen Kräften ermordet oder ausgehungert. Angela Merkel legt einen Kranz vor der ewigen Flamme nieder und pflanzt einen kleinen Tannenbaum in dem Gedenkhain am Rande des Mahnmals.
    "Ich hoffe, dass er gut wächst. Und manche brauchen ja erkennbar Wasser."
    Staatsoberhäupter und Regierungschefs aus aller Welt haben hier Tannen gepflanzt. "Zum Gedenken an die Opfer des Völkermords" steht auf den meisten Metalltafeln mit den Namen der Stifter. Merkel hat lediglich ein Schild mit ihrem Namen und Titel hinterlassen. Auszusprechen, woran sie gedenkt, ist delikat. Schon die Tatsache des Besuchs in der Gedenkstätte genügte der türkischen Botschaft in Berlin, noch vor der Abreise der Kanzlerin ihre Missbilligung auszudrücken. Als sich der Bundestag vor zwei Jahren in seiner Armenier-Resolution zum Begriff "Völkermord" bekannte, blieb die Abgeordnete Merkel der Abstimmung fern.
    "Für die Entwicklung der Erinnerungskultur"
    Am Abend die Frage an Merkel, ob sie der Opfer eines Völkermordes gedacht hat –
    Antwort der Kanzlerin:
    "Ich habe das Gedenken in dem Geiste vorgenommen, den auch die Resolution des Deutschen Bundestages von Juni 2016 ausgedrückt hat. Ich glaube, dort ist ein wichtiger Schritt gegangen worden für die Entwicklung der Erinnerungskultur, auch eine politische Einordnung vorgenommen worden aber ausdrücklich keine juristische. Und in diesem Geist habe ich das Gedenken heute vollzogen."
    Faktisch macht sich Merkel damit nun die Erklärung des Bundestages und auch den Begriff des Völkermordes zu Eigen. Die Wirkungen Richtung Ankara dürften genau einkalkuliert sein.
    Schließlich führt die gesamte Kaukasusreise die Bundeskanzlerin auf politisch und diplomatisch vermintes Terrain. Noch wenige Stunden vor der Ankunft in Armenien hatte sie in Georgien die Demarkationslinie zur faktisch von Russland besetzten Region Südossetien besucht. Auch diese Geste wurde genau registriert. Die Angst vor dem machthungrigen Nachbarn ist überall spürbar.
    "Erkennen Sie an, dass Russland Südossetien besetzt hat", hatte ein Student der Universität in Tiflis die Kanzlerin gefragt. Auch in Georgien ging es darum, Merkel klare Worte abzuverlangen.
    "Nein, das ist okkupiertes Gelände. Ich habe keine Sorge zu sagen, dass das eine Besatzung ist."
    "Aus meiner Sicht wichtig, dass diese Reise stattfindet"
    Streit um besetzte Gebiete und umstrittene Staatsgrenzen begleitet Merkel schließlich auch auf der letzten Station ihre Reise, in Aserbaidschan. Dem CDU Bundestagsabgeordneten Albert Weiler, der in Georgien und Armenien noch Mitglied der offiziellen Delegation der Kanzlerin war, wurde die Einreise verweigert. Weiler war in den vergangenen Jahren mehrfach in das von proarmenischen Kräften beherrschte Gebiet Bergkarabach eingereist – aus Sicht Asberbaidschans ein Straftatbestand, weil die Region völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört. Trotz des Affronts hatte sich Merkel entschieden, in die aserbaidschanische Hauptstadt zu reisen und das Gespräch mit autoritär herrschenden Präsidenten Alijew zu suchen
    "Nur in Gesprächen kann man überhaupt die Konflikte lösen. Durch Nichtsprechen werden Konflikte mit Sicherheit nicht gelöst. Und deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass diese Reise stattfindet "
    Tatsächlich geht es auf der letzten Station der Reise aber auch mehr als auf den vorherigen um deutsche Interessen. Aserbaidschan ist ein wichtiger Öl- und Gaslieferant. Interessenpolitik, Moderation in regionalen Konflikten und immer wieder die Begegnung mit blutigen Auseinandersetzungen der Vergangenheit prägen das Besuchsprogramm Merkels in diesen drei Tagen im Südkaukasus.