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Merkel in Stockholm
Gesprächsbedarf beim Thema Flüchtlingspolitik

Bundeskanzlerin Merkel bricht an diesem Dienstag zu einer kurzen Reise nach Schweden auf. In Stockholm trifft sie das Königspaar, mit Regierungschef Stefan Löfven will sie über die Zukunft der EU, Sicherheit und Flüchtlinge sprechen. Nach dem Brexit sehen die Schweden Deutschland als neuen engsten Partner an.

Von Carsten Schmiester | 31.01.2017
    Blick von Södermalm auf die Stockholmer Altstadt Gamla Stan aufgenommen am 07.09.2011 in Stockholm. Gamla Stan gehört zu den größten und besterhaltenen historischen Stadtkernen Europas. Hier wurde die Stadt im Jahre 1252 gegründet.
    In der schwedischen Hauptstadt Stockholm soll es auch um engere wirtschaftliche Beziehungen vor allem auf digitalem Gebiet gehen. (picture-alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Man kennt sich, man schätzt sich. Erst vor wenigen Monaten hatte Königin Silvia vor ihrem Deutschlandbesuch in einem ARD-Interview der Kanzlerin Rückendeckung gegeben und war bis an die Grenze des Protokolls gegangen, denn eigentlich sollten sich die schwedischen Royals mit politischen Aussagen zurückhalten. Aber eigentlich sollten auch nicht Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Krieg sein und eigentlich sollten sich die europäischen Länder auch nicht über ihre Aufnahme streiten.
    "Die Grundeinstellung, das ist ja die christliche Botschaft. Dass man dem Nächsten hilft. Und auch wenn Frau Merkel sagt 'das schaffen wir schon'... Das, finde ich, sitzt in uns allen."
    Bei vielen Deutschen und vielen Schweden gibt es große Hilfsbereitschaft
    Nur eben nicht in allen gleichermaßen fest. Aber, und auch da sind sich Angela Merkel und die Königin einig: Bei vielen Deutschen und vielen Schweden gibt es große Hilfsbereitschaft und andere Gemeinsamkeiten. Sie werden heute ausgiebig besprochen. Die Kanzlerin wird am Vormittag zunächst vom Königspaar im Schloss empfangen, danach trifft sie sich zu einem Arbeitsessen mit Stefan Löfven, dem sozialdemokratischen Chef der rot-grünen Minderheitsregierung. Und da geht es dann ganz bestimmt um einen Mann, den gerade erst ein Mitglied des schwedischen Königshauses als derart ignorant bezeichnet hat, "dass es wehtut". Die schwedische Zeitung "Aftonbladet" zitiert Chris O'Neill, Prinzessin Madeleines Ehemann, der diesen Kommentar in einem sozialen Netzwerk geschrieben hatte. Und auch wenn sich Löfven und Merkel öffentlich sicher nur für Dinge aussprechen werden, für eine stabile Europäische Union auch nach dem Ausstieg der Briten oder für die Wahrung der Mitmenschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen, für enge Beziehungen zu den USA; im persönlichen Gespräch dürfte die beiden eher wiederholen, was Schwedens Außenministerin Margot Wallström erst vorgestern öffentlich zu Donald Trumps Einreisestopps gesagt hat.
    "Jetzt muss der Rest der Welt zusammenhalten. Solidarität und Asylrecht müssen geschützt werden."
    Schweden würde sich gerne wieder als "Weltmacht der Mitmenschlichkeit" präsentieren
    Zusammenhalten ist das Stichwort auch in der Europapolitik. Mit Großbritannien verliert Schweden seinen bisher engsten Partner in der Union und allgemein ist man der Meinung, dass Deutschland doch ein prima Ersatz wäre. Im schwedischen Rundfunk sagte Peter Wolodarski, Chefredakteur der schwedischen Tageszeitung "Dagens Nyheter", wie er sich die zukünftigen Außenbeziehungen seines Landes vorstellt.
    "Schweden wäre gut beraten, noch engere Beziehungen mit Deutschland und anderen europäischen Demokratien zu knüpfen. Wir teilen viele Werte und müssen in diesen Zeiten zusammenhalten."
    Auch etwa, was die Haushaltsdisziplin der EU-Mitgliedsstaaten angeht oder die Harmonisierung der Asylgesetze in Europa. Schweden hatte vor gut einem Jahr Grenzkontrollen wieder eingeführt und unter dem Druck der fremdenfeindlichen "Schwedendemokraten" sein Asylrecht deutlich verschärft. Beides ist hier nach wie vor sehr umstritten, man würde sich gerne wieder als "Weltmacht der Mitmenschlichkeit" präsentieren. Die Rücknahme der Maßnahmen wäre aber nur dann politisch durchsetzbar, wenn künftige Flüchtlinge gleichermaßen auf alle EU-Staaten verteilt werden. Das will man gemeinsam mit Merkel schaffen. Wie auch engere wirtschaftliche Beziehungen vor allem auf digitalem Gebiet. Zum Abschluss ihres eintägigen Besuches eröffnet sie mit Löfven zusammen deshalb ein neues deutsch-schwedische Technologieforum.