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Merkel-Porträt in US-Vogue
Angekommen im Pop-Olymp

In der kommenden Ausgabe der amerikanischen "Vogue" wird die Bundeskanzlerin zu sehen sein, porträtiert von der Malerin Elizabeth Peyton. Damit sei Angela Merkel endgültig im Pop-Olymp angekommen, meint Martin Becker. Dass Merkel darauf einer Verjüngungskur unterzogen wurde, verschweige aber zu viel. [*]

Von Martin Becker | 27.07.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Mann Joachim Sauer kommen am 25.07.2017 in Bayreuth (Bayern) zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele. Die Richard-Wagner-Festspiele werden mit der Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" eröffnet. Foto: Nicolas Armer/dpa | Verwendung weltweit
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Mann Joachim Sauer bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth: So gelöst sieht man die Politikerin selten. (dpa/Nicolas Armer)
    Die Frau, fast möchte man sagen: das Mädchen auf dem Bild hat gerötete Augen. Als wäre die Nacht davor lang gewesen. Sehr lang. Hat es vielleicht Tränen gegeben? Was auf jeden Fall feststeht: die Gemalte schöpft aus dem Vollen. Sie packt das Leben Tag für Tag bei den Hörnern, sie nimmt mit, was mitzunehmen ist – und dann sitzt sie der Malerin eben nach schlafloser Nacht gegenüber, so müde und abgekämpft, zugleich aber unheimlich jung und vor Hoffnung geradezu blassblau schimmernd. Das Merkel-Porträt der amerikanischen Malerin Elizabeth Peyton lässt viele und durchaus gewagte Interpretationen zu. Da sind ganz viele Merkels auf einen Streich: Merkel, die Übernächtigte, Merkel, die Schelmische, Merkel, die Mädchenhafte.
    Die Kanzlerin: eine internationale Celebrity
    Nun erscheint das Bild in der amerikanischen "Vogue". [*] Was schlichtweg bedeutet, dass die zu Unrecht als spröde verschriene Angela Merkel nun also tatsächlich als internationaler Celebrity wahrgenommen wird, ja, als popkulturelles Phänomen. Malerin Elizabeth Peyton hat zweifelsohne einen prädestinierten Blick auf das Merkel-Prinzip, verfügt sie doch nicht nur über die US-amerikanische Außensicht, sondern zugleich als ehemalige Professorin an der Düsseldorfer Kunstakademie auch über eine Binnenperspektive.
    Merkel als harmloses Mädchen
    Merkels Gesicht, so die Aussage der Künstlerin, habe sich in den letzten Monaten sehr verändert, es zeige "Schmerz und Hoffnung". Aber wird man dadurch wirklich um Jahrzehnte jünger? Natürlich, man sollte keinen knochentrockenen Naturalismus verlangen, und doch bleibt nach der intensiven Betrachtung der Malerei das Gefühl, dass sie Angela Merkel nicht ganz gerecht wird. Das Problematische an dem Bild ist nicht die Verjüngung der Kanzlerin, sondern vielmehr, dass ihm vermeintlich negative Nuancen fehlen, die Angela Merkel aber nun mal positiv ausmachen, weil sie ihr Ecken und Kanten verleihen. Beispielsweise die oftmals schlecht gelaunt wirkende Mundstellung, beispielsweise das Gefühl, dass man sich mit dieser Expertin der Macht schlichtweg niemals anlegen sollte. So zeigt die Malerin Peyton die Politikerin Merkel letztlich als harmloses Mädchen. Doch sind die Zeiten, als die heutige Bundeskanzlerin ein Mädchen von irgendwem war, zum Glück schon seit vielen Jahrzehnten vorbei.

    [*] Anmerkung der Redaktion: Das Kunstwerk wird anders als zunächst im Deutschlandfunk berichtet im Innenteil des Magazins zusammen mit einem Artikel erscheinen.