Wiederentdeckte Musik

Das Revival einer Gastarbeiter-Band

07:53 Minuten
Musiker der Grup Doğuş stehen in roten Samtanzügen auf einer Treppe.
In Vergessenheit geraten: Die Musik von Bands wie Grup Doğuş ist ein wichtiger Teil der deutschen Musikszene, der neu entdeckt werden muss. © Ironhand Records
Von Arndt Peltner · 26.08.2019
Audio herunterladen
Die Band Grup Doğuş war der deutschen Öffentlichkeit bislang fast völlig unbekannt. Das dürfte daran liegen, dass deren Mitglieder sogenannte Gastarbeiter waren. Nun ist eine ihrer Platte aus den 70er-Jahren neu veröffentlicht worden.
Ercan Demirel ist der Labelgründer von Ironhand Records, einem kleinen Indie-Label in Duisburg, auf dem türkische Musikperlen veröffentlicht werden. Mehr durch Zufall stieß er auf Grup Doğuş, eine Mitte der 70er-Jahre in München gegründete Band von damaligen Gastarbeitern.
Demirel dachte, das sei genau das Richtige für sein kleines Speziallabel und machte sich auf die Suche nach der Band. Denn auf dem Tape selbst waren keine Angaben über Musiker und Label zu finden:
"Zum Glück haben sie das Lied 'Gülme ha Gülme' von Baris Mancho gecovert. In dem Lied singt Barış Manço, ‚Barış wird eines Tages sterben und wird zu Erde‘. Und Grup Doğuş singt dann diese Zeile mit eigenen Namen."
Der Labelgründer habe andere Musiker angeschrieben, aber auch die hätten nichts gewusst. Erst bei Facebook wurde Demirel fündig, als er den Namen "Tufan" mit Suchort München eingab: "Mir fiel da ein etwas gealterter Mann auf, der Keyboard gespielt hat. Und siehe da, es war wirklich der Keyboarder."
So fand Ercan Demirel den Gründer von Grup Doğuş, Tufan Aydoğan. Als Kind kam er in den 1960er-Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Deutschland. 1972/73 musste er sich zum Wehrdienst in der Türkei melden. Während dieser Zeit lernte er auch die charismatischen Musiker Barış Manço und Yıldırım Gürses kennen.

Psychedelic und treibende Beats

Nach Ende seiner Militärzeit ist Tufan Aydoğan wieder nach München zurückgekehrt, erzählt Demirel. Gemeinsam mit seinem Bruder, dem Gitarristen Sedat Ürküt und dem Schlagzeugspieler Koray Dikmen habe er dann die Grup Doğuş gegründet. Wie ihnen der Durchbruch gelang?
"Nach anfänglichen Clubauftritten haben sie von dem türkischen Labelinhaber Tahir Minareci in München ein Angebot erhalten, dass sie ein Album aufnehmen sollen und so hat das ganze dann Fahrt aufgenommen", erinnert sich Demirel.
Tufan Aydoğan von der Grup Doğuş
Nach dem Militärdienst nach München: Tufan Aydoğan gehört zu den Gründungsmitgliedern von Grup Doğuş.© Ironhand Records
Die nun auf Ironhand Records veröffentlichte Platte von Grup Doğuş ist ein mitreißender Mix aus Psychedelic, 70er-Jahre-Tanzmusik und neu arrangierten traditionellen türkischen Liedern mit langen Hammond-Orgelsoli und treibenden Beats. Es ist zeitlose Musik, die am Rande der deutschen Gesellschaft entstanden ist und über Jahrzehnte kaum von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

Ein unentdeckte deutsche Musikszene

Als "Gastarbeiter-Musik" wurde sie sogar oftmals abschätzig abgetan. Von daher ist das, was Ercan Demirel mit seinem Label Ironhand Records veröffentlicht, die Hebung eines mehr als wichtigen Kulturschatzes aus der jüngeren bundesdeutschen Geschichte. Warum ihm die Band so wichtig ist?
"Ich bin nicht auf Kommerz aus. Ich habe einen normalen Beruf, ich mach das nebenbei. Ich möchte selbst unbekannte Schätze herausgraben, aber ich will es dann nicht für mich behalten. Wenn das Thema Gastarbeiter-Musik in Deutschland ist, werden dann immer die gleichen Namen genannt. Mich ärgert das dann ein bisschen, weil das nur die Spitze des Eisberges ist. Und wenn jetzt in diesen Veröffentlichungen auch Grup Doğuş erwähnt wird, bin ich froh darüber, weil ich nicht mich in den Vordergrund gebracht habe, sondern die Band", erklärt er.
Grup Doğuş ist als LP und als Download erschienen. Das Album macht durchaus neugierig auf die vielen unbekannten musikalischen Veröffentlichungen der Immigrantinnen und Immigranten in Deutschland. Auch das ist ein wichtiger Teil der deutschen Musikszene, der ganz neu entdeckt werden muss.
Mehr zum Thema