Freitag, 19. April 2024

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Merkel und Trump
"Man merkt, dass er sie als Partner schätzt"

Bei den Gesprächen zwischen Angela Merkel und Donald Trump habe man gemerkt, dass der US-Präsident die Bundeskanzlerin als Partnerin schätze - auch wenn er einen anderen Ton anschlage, sagte der Politikwissenschaftler Jeffrey Rathke im DLF. Trump scheine zu wissen, dass er vorsichtig mit Merkel umgehen müsse.

Jeffrey Rathke im Gespräch mit Stephanie Rohde | 18.03.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Donald Trump treffen am 17.03.2017 in Washington im Weißen Haus zusammen.
    Merkel trifft Trump (Michael Kappeler/dpa)
    Stephanie Rohde: Wann bekommt man schon mal eine zweite Chance für ein erstes Date? Angela Merkel und Donald Trump haben sie bekommen, nachdem das erste Date wegen schwieriger Wetterbedingungen abgesagt werden musste. Vom Charakterprofil waren die beiden nicht gerade ein perfekter Match für ein Date, die nüchterne Merkel, die die alte Werteordnung bewahren will, und ein aufbrausender Trump, der gerne disruptiv agieren möchte und Altes über Bord werfen will.
    Ist es der deutschen Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten trotzdem gelungen, das Fundament zu legen für eine Beziehung? Wenn ja, was bedeutet das konkret für die vielen strittigen Fragen, zum Beispiel wenn es um den Freihandel geht? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Jeffrey Rathke, dem stellvertretenden Leiter des Europa-Programms des Center for Strategic and International Studies in Washington. Bis 2015 hat er die Pressestelle des amerikanischen Außenministeriums geleitet, davor hat er in Brüssel beim Generalsekretär der NATO gearbeitet und in den amerikanischen Botschaften in Berlin und Moskau. Guten Morgen!
    Jeffrey Rathke: Guten Morgen!
    Rohde: Herr Rathke, zwischen never again und großer Liebe – wo würden Sie dieses Date von Merkel und Trump einordnen?
    Rathke: Es war natürlich spürbar, wie kühl die Atmosphäre war zwischen den beiden. So war das früher nicht bei gemeinsamen Presseauftritten wie mit Theresa May, Justin Trudeau oder Shinzo Abe. Da war ein bemerkbarer Unterschied. Aber aus meiner Sicht wirkte die Bundeskanzlerin selbstbewusst und hat sogar in der amerikanischen Berichterstattung viel Respekt verdient für den Auftritt.
    "Trump wirkte eher als Schüler"
    Rohde: Und hat sie auch Respekt bekommen von Donald Trump? Trump ist ja ein Mann, der bekannt dafür ist, dass ihm Stärke imponiert, starke Führungspersönlichkeiten. Haben Sie den Eindruck, dass Trump Merkel gestern erst genommen hat als Führungspersönlichkeit?
    Rathke: Ernst genommen, würde ich sagen, ja.
    Rohde: Und respektiert?
    Rathke: Respektiert, das ist eine schwierige Sache. Also, man sieht das zum Beispiel in der Szene, als die beiden im Oval Office saßen, da wirkte die Bundeskanzlerin offen und vielleicht könnte man sagen souverän, als sie darüber sprachen, sollte man die Hände schütteln oder nicht? Und Trump wirkte eher als Schüler, der in der Klasse sitzt und woanders sein möchte. Aber man merkt in der Pressekonferenz, dass er sie als Partner, na ja, schätzt, sogar wenn er einen anderen Ton anschlägt, würde ich sagen. Das ist nicht Liebe, das auf keinen Fall, aber dass Trump weiß, dass er vorsichtig mit der Bundeskanzlerin umgehen muss, schien auch klar.
    Rohde: Merkel hat Trump ja beim Amtsantritt angeboten, auf Basis der Grundwerte zusammenzuarbeiten. Ist mit diesem Treffen klarer geworden, was diese Basis ist?
    Rathke: Ich würde die Frage so stellen: Wie steht das transatlantische Verhältnis nach diesem Treffen, besser oder schlechter? In einer Hinsicht besser, in der Sicherheitspolitik. Da hat der Präsident ausdrücklicher denn je seine Unterstützung für die NATO ausgesprochen, das ist eine gute Sache. Er hat auch Verständnis dafür geäußert, dass Deutschland und die anderen Bundespartner die Verteidigungsausgaben erhöhen. Aber auf der anderen Seite hat er über sogenannte Schulden aus der Vergangenheit, die irgendwie ausgeglichen werden müssten, gesprochen. Was das genau bedeutet, weiß man nicht. Was die Handelspolitik und die Europäische Union angeht, da ist ein großes Fragezeichen immer noch.
    "Wer kann gegen Fairness sein?"
    Rohde: Inwiefern?
    Rathke: Man hat wahrscheinlich bemerkt, dass der Präsident sogar nicht dazu kommen konnte, die Worte "Europäische Union" auszusprechen. Er sprach stattdessen über, wie war das, historische Institutionen. Das heißt Europäische Union, aber dass Länder auch das souveräne Recht haben, ihre eigene Entscheidung zu treffen, das heißt Brexit. Und er hat über den Freihandel gesprochen, aber er hat auch darüber gesprochen, wie Handelsverträge ausgehandelt werden, als wären die zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ausgehandelt.
    Rohde: Also bilateral, was ja Trumps …
    Rathke: Bilateral. Und die Bundeskanzlerin hat ihn darauf aufmerksam gemacht, das ist eigentlich Sache der Europäischen Union, aber das ist auch ein Grund dafür, dass ich nicht völlig optimistisch bin in der Sache im Verhältnis zwischen USA und Europäische Union.
    Rohde: Ich würde da gerne noch mal auf die Sprache gucken. Trump hat gestern da mit Blick auf den Freihandel gesagt: Wir wollen Fairness, keine Siege. Und auch Merkel hat dieses Wort Fairness, fair miteinander umgehen, viermal erwähnt. Steht diese Formel Fairness dafür, dass man sich eigentlich inhaltlich nicht so wirklich einig ist, aber einen kleinsten gemeinsamen Nenner des Umgangs gefunden hat?
    Rathke: Ja, so ist es vielleicht. Fairness, wer kann gegen Fairness sein? Das ist vielleicht ein Anfang. Aber was das im Detail bedeutet wurde nicht erläutert … Wir wissen, dass die Gespräche über den Handel nach der Pressekonferenz stattgefunden haben, und insofern mussten die beiden sich nicht dazu äußern, im Detail. Aber da muss man abwarten und sehen, wie sich diese Dinge entwickeln.
    "Es gibt Impulse, es gibt ein paar Ideen, aber es gibt keine Politik"
    Rohde: Was ist denn Ihr Eindruck? Merkel hat ja mehrere Drohungen als Signale sozusagen in Stellung gebracht. Einerseits hat sie vorab mit dem chinesischen Staatspräsidenten gesprochen und den gemeinsamen Einsatz für freien Handel und offene Märkte noch einmal bekräftigt, außerdem ist sie angereist mit einer Wirtschaftsdelegation, um zu zeigen, dass deutsche Firmen Arbeitsplätze in Amerika sichern. Glauben Sie, dass man Trump mit so was beeindrucken kann?
    Rathke: Vielleicht. Das war ziemlich klug, denke ich, von deutscher Seite, weil ein Thema im Wahlkampf hier in den Vereinigten Staaten war die Ausbildung für Berufe und auch die Hochschulen.
    Rohde: Und genau damit hat Merkel Trump dann geködert.
    Rathke: Genau. Das ist ein Thema, was in den Staaten aktuell ist, und das war ein guter Vorschlag aus dieser Perspektive auf den Beitrag deutscher Firmen in den Vereinigten Staaten und welche Lehren man daraus ziehen könnte für die Vereinigten Staaten. Das war eine gute Idee und das hat einiges entschärft, glaube ich, was die Wirtschaftsbeziehungen anbelangt.
    Rohde: Heißt das, dass die deutsche Wirtschaft sich jetzt weniger Sorgen machen muss nach diesem Treffen?
    Rathke: Es gibt jetzt keine Politik in dem Sinne, dass man aufgearbeitet hat, was man zustande bringen möchte und wie man das macht. Es gibt Impulse, es gibt ein paar Ideen, aber es gibt keine Politik. Das muss man abwarten. Und da gibt es immer noch entgegenströmende Tendenzen. Es gibt auf der einen Seite Leute, die meinen, Handelsbilanz ist das Wichtigste. Aber es gibt auch andere, die eher traditionell auf die Weltwirtschaft schauen und sehen, wie die Vereinigten Staaten von den Wirtschaftsinstitutionen profitieren. Da gibt es keine klare Linie im Moment und man muss sich darauf konzentrieren.
    Rohde: Sagt Jeffrey Rathke, der stellvertretende Leiter des Europa-Programms des Center for Strategic and International Studies in Washington. Dieses Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.