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Merkels Allzweckwaffe

Peter Altmaier hat im Mai quasi über Nacht das Amt des Umweltministers übernommen und damit eine der Mammutaufgaben der Bundesregierung: die Organisation der Energiewende. Ob Netzausbau, steigende Strompreise oder die Krise der Solarbranche - Altmaier reist zurzeit im Turbogang durch die Länder und verschafft sich ein Bild der Lage - diese Woche in Thüringen.

Von Blanka Weber | 02.08.2012
    "Und ich glaube, dass der Bundesumweltminister mit diesen Besuchen und diesen Stellungnahmen auch dazu beiträgt, dass die Banken und der Finanzsektor sehen, dass die Finanz- ... die Solarbranche in Deutschland ..."

    Das wäre beinahe schiefgegangen denn, dass die Finanzbranche die Unterstützung der Politik hat - ist sowieso jedem klar. Doch nun geht es für Altmaier um die Solarbranche und auch die, lässt - zumindest verbal - niemand hängen:

    "Dass die Solarbranche in Deutschland die Unterstützung der Politik hat! Und dass dies dann auch eine kleine Hilfe sein kann, diese Durststrecke zu überwinden."

    Im Eiltempo tourt der Bundesminister durch die Bundesländer, um die Durststrecken zu vermessen. Peter Altmaier will Vertrauen schaffen. In seine Person, seine Politik und letzten Endes in die groß angekündigte Energiewende seiner Kanzlerin. 70 Tage ist er im Amt. Ihm bleiben noch 13 Monate Zeit, bis der Bundestag neu gewählt wird. In der Politik sind 13 Monate kurz. Denn das Schicksal seiner Chefin ist schon jetzt geknüpft an Sein oder Nichtsein des Euro, aber auch an eine erfolgreiche Energiepolitik.

    "Ich habe in Sachsen-Anhalt die Firma Q-Cells, die in der Insolvenz ist, besucht. Dort ist man auf der Suche nach einem neuen Investor und Partner. Ich werde auch in Sachsen mich dort vor Ort umsehen."

    Doch vorher ist Thüringen an der Reihe. Der Minister tritt an zum Krisengespräch - hinter verschlossener Tür. Über eine Stunde lang sitzt er mit Managern des Unternehmens MASDAR PV zusammen. Eine Firma, spezialisiert auf Dünnschicht-PV-Module und Ausrüster für Solarparks in Sachsen, Bayern und Brandenburg. Der Druck durch die chinesische Konkurrenz lastet schwer auf der Branche. Altmaier weiß um die Anti-Dumping-Klage der deutschen Unternehmen und hält sich doch bedeckt - zumindest nach außen. Er ist Jurist:

    "Wir werden wahrscheinlich die chinesischen Unternehmen nicht im Preis schlagen können, egal wie dieses Verfahren ausgeht, aber ich bin überzeugt, wir können sie in der Qualität - der PV-Anlagen und in, im Hinblick auf die systemischen Lösungen können wir attraktive Angebote machen."

    Ein Moment, in dem auch der wort- und sonst gewichtige Minister fast ins Schlingern kommt, wohl wissend, mit "systemischen Lösungen" und "attraktiven Angeboten" kommt man nicht weit, wenn es um JETZT, um Arbeitsplätze geht. Seine Botschaft: Weitermachen. Besser sein, der Markt wird sich bereinigen. Das kann auch ich nicht verhindern... Und wörtlich:"Kurzfristigen Aktionismus lehne ich ab!"
    Dass er mit leeren Worten nicht weit kommt, weiß Peter Altmaier. Sein Gegenüber aber auch. In dem Fall sind es die Manager der einst hochgepushten Solarbranche - wie MASDAR-Geschäftsführer Matthias Peschke, der um 200 Arbeitsplätze kämpft:

    "Er ist Politiker. Wie alle Politiker. Haben sie so ein bestimmtes Gen. Sie müssen in der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen. Auf mich macht er einen authentischen Eindruck. Und das bringt er für mich gut rüber","

    sagt er nach dem internen Gespräch mit dem neuen Minister. Offen und ehrlich spreche Altmaier an, was er von und über die Branche noch lernen muss - das kommt an bei Unternehmern. Und er als Person?

    ""Ich finde ihn smart, insofern, dass er dann auch diese Positionierungen beim Thema wie er sich jetzt geäußert hat zu dem Anti-Dumping-Thema, also diese Position, er hat sie erklärt, die möchte ich hier nicht weitergeben, aber klasse! Das hat mich überrascht."

    Altmaier sei verbindlich, loben seine Gesprächspartner. Er fragt nach und lässt sich die vorhandenen "systemischen Lösungen" erklären, wohl wissend, dass auch die besten Ideen made in Germany nicht lange alleiniges geistiges Eigentum bleiben werden. Und was aus der Anti-Dumping-Klage der deutschen Solar-Unternehmen gegen China wird? Kein gutes Thema. Kommuniziert wird es ministerial-verbindlich mit pastoraler Note:

    "Mir kommt es darauf an, dass alle auf dem Solarmarkt internationale Wettbewerbsbedingungen haben, und diese Klage in Brüssel, die ist dazu da, zu überprüfen, ob das so ist, und falls es nicht so ist, werden entsprechende Konsequenzen gezogen, das ist das gute Recht der Betroffenen und das sollten wir respektieren."

    Auch das Unternehmen MASDAR ist betroffen. Und wünscht sich klare Worte des Bundesumweltministers.

    "Herr Röttgen war auch so ein Charakter, ähnlicher Charakter, der sich noch mehr lösen wollte. Ich glaube, Herr Altmaier ist konservativer oder vorsichtiger in der Wahl seiner Positionierung."

    Vielleicht steht für ihn auch zu viel auf dem Spiel - immerhin geht es in den kommenden Monaten um die Energiewende, um seinen und den Job der Kanzlerin. Peter Altmaier habe sich, so hört man, mittlerweile angefreundet mit seinem neuen Amt zwischen Licht und Schatten, Sonne und Biogas. Im Thüringer Ilmkreis steht er lächelnd neben einem überdimensional großen Gülle-Behälter einer Biogas-Anlage, der ersten seiner Amtszeit, sagt er vorsichtig, und will nicht nur staunen, sondern über Probleme laut nachdenken:

    "Weil nämlich jetzt sozusagen der logischerweise nächste Schritt ist, hier einen Gasspeicher zu installieren, damit man dann den Strom erzeugt, wenn man besonders viel Geld dafür bekommt."

    Vielleicht geht es auch hier um "systemische Lösungen" - vermutlich aber auch um gute Presse für den neuen Minister - und um schöne Fotos zwischen Biogas und Kälberzucht.