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Merkels Regierungserklärung
"Deutschland kann es schaffen"

Neuen Zusammenhalt schaffen, Polarisierungen abbauen - in ihrer Regierungserklärung skizzierte Kanzlerin Merkel, wofür die neue Koalition stehen soll. Daneben verurteilte sie das Vorgehen der Türkei in Afrin und erklärte den Islam zu einem "Teil Deutschlands". Kritik gab es von allen Oppositionsparteien.

Von Paul Vorreiter | 21.03.2018
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht am 21.03.2018 am Rednerpult im Bundestag
    Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung am 21.03.2018 (dpa / Wolfgang Kumm)
    Eine Stunde lang hat sie gedauert: In ihrer Regierungserklärung versucht Kanzlerin Merkel zu verdeutlichen, wofür die neue große Koalition stehen soll.
    Es gehe darum, neuen Zusammenhalt zu schaffen, Polarisierungen in der Gesellschaft sollen abgebaut werden. Kanzlerin Merkel zeigt sich in diesem Zusammenhang nachdenklich mit Blick auf ihre Flüchtlingspolitik und verweist auf ihren bekannten Spruch: "Wir schaffen das".
    "Der Streit um diesen eigentlich so banalen Satz steht seither gerade symptomatisch dafür, was unser Land und wir gemeinsam schaffen können und vor allem auch, was wir gemeinsam schaffen wollen."
    "Islam inzwischen ein Teil Deutschlands"
    Merkel zählt Punkte aus dem Koalitionsvertrag auf, die helfen sollen, die Gesellschaft zu einen. Mehr Geld für die Bildung, gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt, das Sofortprogramm in der Pflege, die Wiederherstellung der Parität bei Krankenkassenbeiträgen.
    Im Sinne der Schaffung von Zusammenhalt scheint es Merkel auch notwendig, eine Aussage von Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU zu korrigieren.
    Zwar sei Deutschland historisch christlich und jüdisch geprägt, doch sei es ebenso richtig, dass "mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen, ihre Religion, der Islam inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist. Ich weiß, dass viele ein Problem damit haben, diesen Gedanken anzunehmen und das ist auch ihr gutes Recht."
    "Inakzeptabel, was in Afrin passiert"
    In den letzten Tagen war die Kritik an der Bundesregierung gewachsen, das Vorgehen der Türkei in der nordsyrischen Kurdenhochburg Afrin nicht zu verurteilen. Darauf reagiert Merkel in ihrer Rede nun erstmals deutlich, unter Zwischenrufen.
    "Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei, ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert, wo tausende und abertausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode gekommen sind, oder flüchten müssen. Auch das verurteilen wir auf das Schärfste."
    "Deutschland das sind wir alle"
    Merkel sagt, sie wünsche sich als Ziel für diese Legislaturperiode, dass ein Aufbruch für Europa gelinge, der auch an zentraler Stelle im Koalitionsvertrag verankert ist. Zum Ende ihrer Rede schlägt sie eine Brücke - zur Regierungserklärung am Anfang ihrer Kanzlerschaft 2005.
    "Fragen wir bei allem zuerst, was geht und suchen wir nach dem, was noch nie so gemacht wurde. Überraschen wir uns damit, was möglich ist, überraschen wir uns damit, was wir können. Ich bin überzeugt, Deutschland kann es schaffen und heute füge ich hinzu: Deutschland, das sind wir alle".
    Kritik von der AfD
    Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, der größten Oppositionspartei, greift die Migrationspolitik der Regierung an. Er wirft Merkel vor, ihre Flüchtlingspolitik in Wahrheit nicht zu ändern und zu einer Spaltung in der Gesellschaft beigetragen zu haben:
    "In dem Land, in dem sie gut und gerne leben, Frau Bundeskanzlerin, bekommt ein Syrer mit zwei Ehefrauen und sechs Kindern in Pinneberg ein ganzes Haus und üppige Sozialleistungen geschenkt, während immer mehr Deutsche obdachlos werden und immer mehr Rentner verarmt sind und an Lebensmitteltafeln essen müssen."
    Nahles für soziale Politik im Wohnungsbereich
    Auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles übernimmt den Tenor der Rede Merkel und betont, Konflikte nicht weiter anzuheizen, sondern Brücken zu bauen und Lösungen finden zu wollen. Das soll mit einer sozialen Politik etwa im Wohnungsbereich gelingen.
    "Ich glaube, dass die Frage bezahlbaren Wohnens eine der zentralen sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts geworden ist, ob in Berlin, Frankfurt Düsseldorf oder München, Bürgerinnen und Bürger werden mit Luxussanierungen und explodierenden Mieten aus ihrer Heimat verdrängt, aus ihren angestammten Quartier gedrängt, das ist absolut nicht akzeptabel."
    Lindner kritisiert Altmaier
    FDP-Chef Christian Lindner wirft der Bundesregierung eine unseriöse Finanzpolitik vor.
    So habe der jetzige Wirtschaftsminister und vorige Interims-Finanzminister Peter Altmaier "gegenüber den Jamaika-Verhandlungen innerhalb weniger Wochen Milliarden zusätzlich Euro gefunden - man wünscht sich ihn als privaten Vermögensverwalter. Niemals zuvor hatte eine Regierung einen solchen Verteilungsspielraum und dennoch reicht er nicht."
    Auch Linke und Grüne kritisieren
    Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei, wirft der Regierung einen uncharmanten Start vor; gemeint sind die Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Islam. Außerdem verweist er auf Mängel im Koalitionsvertrag.
    "Im Koalitionsvertag kommt der Osten nur in der Präambel vor und sonst nur als naher Osten und als Kosten. Ich finde, das ist ein Problem"
    Was den Startauftritt der neuen GroKo angeht, gibt es Konsens mit den Grünen. Und so appelliert Anton Hofreiter, Fraktionschef, schließlich an die neue Regierung.
    "Herr Spahn gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, Frau Nahles und die SPD sind sowieso mit sich selbst bestätigt und bei der CSU gibt es einen Wettbewerb zwischen Seehofer und Söder, wer am weitesten nach rechts ausschlägt - hören Sie damit auf."