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"Merkozy ist vorbei"

Egal ob Hollande oder Sarkozy gewinnt - das deutsch-französische Verhältnis werde nach der Entscheidung um die Präsidentschaft in Frankreich schwieriger, glaubt der Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen Hans Stark.

Hans Stark im Gespräch mit Rainer Brandes | 24.04.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Francois Hollande gegen Nicolas Sarkozy, so heißt die Ausgangslage vor der Stichwahl um die Präsidentschaft in Frankreich am 6. Mai – und zwar in dieser Reihenfolge. Amtsinhaber Sarkozy ist schon schwer dabei, die Wähler der rechtsextremen Front National für sich zu gewinnen. Der ein oder andere stellt sich bereits auf einen heftigen Wahlkampf ein. Mein Kollege Rainer Brandes hat gestern Abend gesprochen mit Hans Stark. Er ist Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen. Und er hat ihn zunächst gefragt, ob der Kampf gegen die europäische Schuldenkrise verloren ist, wenn Francois Hollande Präsident wird.

    Hans Stark: So einfach wird das nicht, denn man muss auch sehen: In Frankreich würde dann noch einmal gewählt werden, und zwar im Juni. Welche Mehrheit die Assemblée nationale, also das französische Parlament, bekommen wird, das ist noch eine heikle Frage. Man weiß nicht genau, wenn man auch einen linken Präsidenten eventuell haben wird mit Francois Hollande – es sieht danach aus -, ist es nicht sicher, dass man eine linke Mehrheit haben wird. Das mal bei Seite gestellt: Es gibt eine Parallele zu Francois Mitterrand. 1981 ist damals der Mann an die Macht gekommen, hat eine sehr starke keynesianistische, völlig antideutsche, antieuropäische Politik betrieben und musste dann zwei Jahre später das Ruder herumreißen und war dann von `83 bis ´95 der beste Partner, den die Deutschen jemals gehabt haben, in der Europapolitik. Man kann nicht völlig ausschließen, dass die PF, die jetzige sozialistische Partei, in die gleiche Richtung geht.

    Rainer Brandes: Aber ist die Einschätzung denn richtig, dass Francois Hollande nicht so sehr für Stabilitätspolitik steht und offener für neue Schulden ist als Sarkozy?

    Stark: Das ist absolut richtig, wobei auch Sarkozy inzwischen selber das Ruder herumreißt aufgrund des Drucks der nationalen Front in Frankreich. Zurück zu Hollande: Er hat versprochen, den Fiskalpakt nicht zu unterschreiben. Allerdings hat er sich nie gegen den sogenannten Sixpack ausgesprochen, der ja auch kurz davor angenommen worden ist, im Dezember 2011, und im Grunde genommen genau in die gleiche Richtung geht wie der Fiskalpakt, nur mit Ausnahme der Schuldenbremse, die dann nicht in die Verfassung aufgenommen wird. Hollande hat auch nicht die Tatsache in Frage gestellt, dass Frankreich bis spätestens 2016, 2017 zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen muss. Das heißt, Schuldenabbau steht auch bei Hollande auf dem Programm. Nur will Hollande – und da ist der Kasus knacktus mit den Deutschen – das verbinden mit einem Wachstumsprogramm. Ob das wirtschaftlich überhaupt machbar ist, ist die eine Frage. Vor allen Dingen, ob das politisch umsetzbar ist mit der Regierung Merkel, ist eine andere.

    Brandes: Da sprechen Sie schon das richtige Stichwort an: Frau Merkel. Wenn Hollande der Präsident werden sollte, werden die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich denn dann erheblich schwieriger werden, als sie das bisher sind?

    Stark: Das werden sie mit Sicherheit, denn der Fiskalpakt ist aus innenpolitischen Gründen für Frau Merkel unheimlich wichtig aufgrund der Kritik in der Bundesrepublik, insbesondere von Seiten der FDP und der CSU, am Schuldenmanagement der Europäischen Zentralbank. Also da stehen beide unter innenpolitischem Druck, aber unter unterschiedlichen Voraussetzungen. Hollande will mehr Ausgaben, Merkel will eine noch striktere Austeritätspolitik und das wird in Frankreich inzwischen wirklich sehr, sehr kritisch gesehen, denn man sieht doch an den Beispielen auch von Spanien und von Italien, auch in Frankreich, dass die Austeritätspolitik ohne Wachstumsimpulse im Grunde genommen einen Teufelskreis erzeugt, wo es weniger Wachstum gibt und höhere Schulden, und keiner weiß genau, wie man da herauskommen will.
    Ich möchte noch hinzufügen, dass selbst wenn Hollande nicht gewählt werden würde, sondern Sarkozy, dass Sarkozy seine Wiederwahl der französischen Front National verdanken würde und dann seinerseits ein anderer Präsident wäre in der Europapolitik als in den Jahren davor. Also der Partner, Merkozy ist vorbei, auch wenn Sarkozy erneut gewählt werden würde, was wie gesagt aber unwahrscheinlich ist.

    Brandes: Wie sicher kann sich Hollande denn überhaupt sein, dass er diese Wahl am Ende auch gewinnen wird, denn der Vorsprung jetzt in der ersten Runde war ja doch sehr knapp?

    Stark: Ja. Aber man ist nicht davon ausgegangen, dass der Vorsprung größer sein würde – im Gegenteil. Dass der Herausforderer an erster Stelle steht, vor einem amtierenden Präsidenten, das hat es in der Fünften Republik, also seit 1958, noch nie gegeben und das ist ein Novum und das stärkt Hollande. In den Umfragen steht er bei 54 Prozent, 46 Prozent werden Sarkozy gegeben. Es wird sicherlich etwas enger werden am Ende. Allerdings kann Hollande viel sicherer sein, dass in den übrigen linken Parteien die unterlegenen Kandidaten, dass die die Stimmen ihrer Parteien auf Hollande praktisch setzen würden, dass diese Wucht viel größer sein wird als etwa bei Sarkozy, der sich nicht sicher sein kann, dass die unterlegenen Kandidaten der Rechtsparteien für ihn stimmen werden.

    Brandes: Sie haben eben schon Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsradikalen Front National, angesprochen, die bei den Wahlen immerhin auf knapp 18 Prozent gekommen ist. Was sagt das über die Stimmung in Frankreich aus, dieser Wahlerfolg für den Front National?

    Stark: Ja, das ist sehr, sehr bitter, wobei man hier noch mal sehen muss auch, dass die nationale Front, die Front National, sich insgesamt etwas moderater gegeben hat, in keinster Weise auch nur irgendwie entfernt mit der deutschen NPD zu vergleichen ist. Es ist eine rechtspopulistische Partei, die weniger Fremdenfeindlichkeit jetzt in ihr Programm reingeschrieben hat, als vielmehr einen Rückgang, eine Rückkehr zu einem sehr stark etatistisch, colbertistisch, staatsinterventionistisch ausgerichteten Wirtschaftsprogramm, das völlig realitätsfern ist, völlig irrealistisch, aber damit wurde es ja möglich, den kleinen Mann praktisch auf der Straße anzusprechen, den Verlierer der Globalisierung, den Arbeitslosen und nicht nur im rechten Lager zu fischen, sondern auch im linken Lager zu fischen, und von daher ist es zu befürchten, dass Marine Le Pen aus dieser, na ja, Splitterpartei eine Sammlungs-, eine Volkspartei machen wird, die viel stärker werden wird in den kommenden Monaten und Jahren als die jetzige Präsidentenpartei, die UMP hinter Sarkozy, und das wäre in der Tat ein politisches Erdbeben in Frankreich.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.