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Merkwürdiger Campus-Roman

Es beginnt genau dort, wo Erstlingsromane junger amerikanischer Autoren schon viele Male begonnen haben: Auf dem College, dem ersten Trainingslager für den Kampf ums erotische Überleben. Und es beginnt ziemlich absonderlich, das aber auf brillante Weise.

Von Eberhard Falcke | 16.01.2005
    Die meisten wirklich hübschen Mädchen, stellt Lenore auf einmal fest, haben ziemlich hässliche Füße. So auch Mindy Metalman. Ihre Füße sind lang und dünn, die Zehen abgespreizt und schwielig, und an der Ferse wuchert die Hornhaut in tektonischen Schichten. Einzelne lange schwarze Haare wachsen aus dem Spann, und der rote Nagellack gammelt streifig vor sich hin, bis er aussieht wie eine Zuckerstange. Lenore fällt das alles nur auf, weil sich Mindy auf dem Stuhl neben dem Kühlschrank nach vorn beugt, um an dem Nagellack zu kratzen.

    Unglaublich, wie eklig hübsche Mädchen sein können! Einigermaßen überraschend steht diese Entdeckung am Anfang des ersten Romans von David Foster Wallace, welcher den seltsamen Titel trägt: "Der Besen im System". Da es sich um eine Entdeckung aus der Perspektive von Lenore Beadsman handelt, zeigt sie sich von vornherein als eine junge Dame, in deren Weltsicht Kritik und Widerwille eine beträchtliche Rolle spielen. Was nicht ganz unerheblich ist, da es sich bei ihr um die Heldin des Romans handelt.

    Dass David Foster Wallace gelegentlich mit Hingabe abseitige und dennoch merkwürdige Gesichtspunkte ins Auge fasst, das war schon seinen bereits auf deutsch veröffentlichten Story-Sammlungen abzulesen. Damit überraschte er in den letzten Jahren als rücksichtlos eigenwilliger Analytiker der medialisierten Welt. Dank der glänzenden Übersetzung seines Debütromans von Markus Ingendaay erweitert sich nun der Einblick in sein Werk erheblich. Auch die College-Szene ist nicht zuletzt ein ironisches Zitat des entsprechenden Genres. Lenore bekommt, als sie ihre ältere Schwester im Mädchen-College Mount Holyoke besucht, noch mehr geboten, was der allerweltskritischen Laune ihrer fünfzehn Jahre Nahrung gibt. Als sich die älteren Mädchen im Zimmer mit Kiffen und juvenilen Schlüpfrigkeiten für die jährliche College-Party warmlaufen, tauchen plötzlich zwei ungebetene männliche Gäste auf. Schon ihre Namen klingen wie schmutzige Witze: Biff Diggerence und Wang-Dang Lang. Sie haben mit ihren Kumpeln Wetten abgeschlossen, dass sie bei den Mädchen Autogramme auf ihre nackten Hintern eintreiben würden. Lenore findet das widerlich und haut ab. Als Leser mag man das ähnlich sehen, und doch muss man die Kunst bewundern, mit der Wallace diese albernen Teenager-Spiele mit latenter Gewalt und der Komik von Initiationsriten aufgeladen hat.

    Nach diesem Vorspiel aber lässt der Roman die College-Welt, aus der später noch einige Figuren wiederkehren werden, hinter sich. Gerade so, als hätte der damals 24-jährige Debütant mit parodistischer Verve zeigen wollen, dass er auch so etwas locker aus dem Ärmel schütteln kann, um dann unverzüglich richtig zu Sache zu gehen. Und das heißt nichts Geringeres, als auf gut sechshundert Seiten einen ganzen Sack postmodernen Spielmaterials mit Schwung und unermüdlicher Einfallskraft durcheinander zu wirbeln: die burleske Karikatur des American Way of Life, die Metafiktion, Pop und Medien, haarsträubende Intrigen, Psychotherapie und eine zugleich ambitionierte wie ungemein komische Auseinandersetzung mit der Sprachphilosophie. Denn wenn zu Beginn Mädchennamen auf Jungenhintern geschrieben werden, dann erkennt man in dem platten Ulk bald den ersten Auftritt eines bedeutsamen Themas. Fast alles in diesem Roman dreht sich nämlich offenkundig oder insgeheim um Sprache, Text, Zeichen und Kommunikation.

    Doch betrachten wir zunächst Lenores Herkunft, die für alles Weitere von entscheidender Bedeutung ist. Während sie von Downtown Cleveland in ihr bescheidenes Apartment nach East Corinth fährt, werden die Großtaten ihrer Familie geschildert, von denen sie sich nicht nur durch ihren mickrigen Kleinstwagen absetzen will.

    East Corinth war in den Sechzigerjahren von Stonecipher Beadsman II gegründet worden, Sohn von Lenore Beadsman, Lenore Beadsmans Großvater, der später, 1975, im Alter von erst fünfundsechzig Jahren bei einem Produktionsunfall ums Leben kam, gerade als bei Stoncipheco Baby Food Products die ersten - katastrophalen - Versuche anliefen, eine marktfähige Alternative zu Jell-O-Wackelpudding zu entwickeln. Stonecipher Beadsman II war ein Mann mit vielen Talenten und noch mehr Interessen. Er war nicht nur ein fanatischer Kinogänger, sondern auch ein begnadeter Freizeitstadtplaner, der seiner Begeisterung für Jayne Mansfield auf die ihm eigene Weise Ausdruck verlieh, indem er East Corinth als riesige Silhouette dieser Schauspielerin anlegte.

    Mit anderen Worten: Lenore entstammt einer Dynastie, deren Macht, jedenfalls in der satirischen Fiktion des Romans, sich ziemlich unbegrenzt austoben kann. Die Oberhäupter solcher kapitalistischen Geschlechter gehören zu jenen Titanen des amerikanischen Alptraums, die es gewohnt sind, die Welt nach ihren Vorstellungen zu deformieren. Auch die anderen Reichen und Mächtigen gebärden sich hier wie Comicfiguren. An Mister Bombardini ist noch das Menschlichste, dass er Lenore den Hof macht. Ansonsten agiert er nicht nur als Immobilienkrösus raumgreifend, er strebt als Vielfraß auch buchstäblich danach, möglichst viel Raum mit seinem monströsen Körper zu besetzen. Der Gouverneur des Staates dagegen lässt ganze Landstriche mit schwarzem Sand in künstliche Wüste verwandeln, weil es ihm eines Tages einfällt, dass es seine Bürger viel zu bequem haben und nicht mehr mit den Naturkräften ringen müssen, wie einst die Vorfahren in der wilden Vergangenheit des Landes.

    Lenore Beadsman indes, die inzwischen vierundzwanzig Jahre zählt, hat weder Geld noch Macht im Sinn. Sie ist ein Kind aus der Ära der Selbstfindung. Außerdem hält sie sich lieber an die bedeutenden Vertreterinnen der weiblichen Geschichte, von denen sie glücklicherweise gleich eine in der Familie hat. Ihre Urgroßmutter, ebenfalls Lenore geheißen, hat einst in Cambridge studiert und hütet seitdem ein besonderes Wissen.

    Auf jeden Fall hat sie dort klassische Literatur, Philosophie und wer weiß was noch alles studiert, aber ausgerechnet bei einem durchgeknallten Genie namens Wittgenstein, der die Auffassung vertrat, alles auf der Welt sei Sprache. Im Ernst. Wenn dein Auto nicht ansprang, lag der Fehler irgendwo in der Sprache. Liebesunfähigkeit bedeutete, du warst verloren in der Sprache. Verstopfung hatte seine Ursache in einer Blockade linguistischer Sedimente.

    So respektlos sieht Rick Vigorous als Lenores Liebhaber die Sache. Lenore allerdings verehrt ihre Urgroßmutter über alles und ist unter deren Anleitung zu einem wahren Wittgenstein-Opfer geworden. Ständig muss sie sich mit der Frage herumschlagen, ob ihr Leben eine eigene Wirklichkeit besitzt oder ob, frei nach Wittgenstein, nur das wirklich ist, was sich sinnvoll in Sprache fassen lässt.

    Urgroßmutter sagt mir - und sagt es so richtig überzeugend -, dass mein Leben nur insoweit existiert, als man darüber berichten kann,

    gesteht sie ihrem Psychologen, der die Urgroßmutter daraufhin für gaga erklärt und anschließend bei seiner Patientin einen Waschzwang diagnostiziert.
    Damit sind wir angelangt im Zentrum des durchaus ambitionierten, doch überwiegend urkomischen Wirbels, den Wallace mit der Sprache und ihrer Beziehung zur Wirklichkeit veranstaltet. Daraus ist der rote Faden der Romanhandlung gesponnen, was jedoch nicht heißt, man müsse sich hier in Theorie verstricken. Im Gegenteil: Mit unermüdlichem Einfallsreichtum, mit Spottlust aber auch analytischem Witz hat Wallace die Sprachspiele, die die Welt bedeuten, in vorwiegend höchst burleske Handlungsszenen gefasst. Dass Wittgenstein dabei mitunter mächtig auf die Schippe genommen wird, versteht sich fast von selbst. Die Wittgenstein-Lektionen von Lenores Urgroßmutter haben in diesem Roman nämlich vor allem eine Funktion: sie lassen umso deutlicher werden, wie sehr Sprache als Beschreibung der Realität danebengehen kann und wie hoffnungslos sprachliche Kommunikation zu scheitern vermag. Obwohl alle Romanfiguren mit größter Leidenschaft um die Sprache bemüht sind. Sei es, dass sie die Welt nach ihren Worten formen, wie die großen Bosse, bei denen ein Machtwort genügt, und schon wird die Wüste Wirklichkeit. Sei es, dass die verwirrte Lenore darauf hofft, ihrem Leben Wirklichkeit zu verleihen, indem sie es in eine sinnvolle, erzählbare Form bringt. Was natürlich schief geht. Schon der kraftstrotzende Name ihres Geliebten Rick Vigorous ist fern von allem, was sexuell der Fall ist. Überhaupt wird hier viel Scherz getrieben mit sprechenden Namen. So kann auch kein Zweifel bestehen, dass Rick Vigorous allen Grund zur Eifersucht hat, als Wang-Dang Lang, in dessen Namen ein gefährliches Baumeln anklingt, sich an Lenore heranmacht.

    "Der Besen im System" kam 1987 heraus. Damals waren die Kommunikations-, und Mediengesellschaft, wie wir sie heute kennen, noch in der Aufbauphase, die einschlägigen Begriffe und Konzepte mussten sich erst noch im allgemeinen Bewusstsein etablieren. Mit diesen Entwicklungen war auch eine - um es mit einem gängigen Begriff zu sagen - eminente Flexibilisierung der Sprache verbunden. Medien, Werbung, Kommunikation wälzen Sprache mit zunehmender Geschwindigkeit um, wobei man es mit der Bedeutung immer weniger genau nimmt. Für derartige Veränderungen besitzt David Foster Wallace, wie auch seine späteren Bücher beweisen, ein ungeheuer feines Sensorium. So gehört es zu den hochkomischen und zudem hellsichtigen Pointen seines Erstlingsromans, dass er ausgerechnet den strengen Sprachdenker Wittgenstein zum Gewährsmann einer bis zur völligen Beliebigkeit flexibilisierten Sprache macht. Wobei allerdings Lenores Urgroßmutter mit ihren närrischen Vereinfachungen eine unentbehrliche Vermittlerrolle spielt.

    Hat sie bei dir auch die Sache mit dem Besen abgezogen?" fragt Lenores Vater seine Tochter. "Also ich musste mich in die Küche setzen und zugucken, wie sie einen Strohbesen nahm und anfing, wie wild zu fegen. Dann fragte sie mich, welcher Teil des Besens der eigentliche sei, meiner Meinung nach, die Borsten oder der Stiel. Und um überhaupt etwas zu sagen, sagte ich, vermutlich die Borsten ... Darauf stieß sie mich vom Stuhl und schrie mich an: 'Aha, du willst also, dass ich mit dem Besen nur den Dreck aufkehre, du meinst allein dazu wäre ein Besen da?" Et cetera. Aber was, wenn wir den Besen benutzen wollten, um damit die Scheibe einzuschlagen? Wäre da nicht der Stil der eigentliche Teil des Besens?

    Was die Urgroßmutter dann auch gleich demonstrierte, um zu beweisen: "Der Nutzwert bestimmt das Sein" und damit wechselt auch die Sprache je nach Zweck und Nutzen ihre Bedeutungen. Mit diesem "Besen im System" sind alle Eindeutigkeit und Sicherheit schnell ausgekehrt. Nicht ohne Ironie präsentiert Wallace diesen Befund als Prophezeiung. Schließlich war sein Roman, der mit Ausnahme des ersten Kapitels im Jahr 1990 spielt, als er 1987 erschien, ein Zukunftsroman. Und eine Parodie auf dieses Genre, weil er signalisierte: Es gibt nichts zu Prophezeien, was in den Grundzügen nicht ohnehin schon offensichtlich wäre.

    Dennoch hat Wallace immerhin eine Science-Fiction-Idee eingebaut. Die Beschleunigung und Flexibilisierung der Sprache soll den Konzernen nicht nur nützlich sein, sie wollen auch an der Förderung dieser Entwicklung ordentlich verdienen. Der Stonecipheco Lebensmittelkonzern ist daher kurz davor, den Weg in die wunderbare Zukunft des großen Plapperns entscheidend abzukürzen. Und zwar durch ein spezielles Mittelchen in seiner Babynahrung, so berichtet das Magazin "Advertizing Age":

    Das Rinderdrüsenderivat, das Forschungsgelder von bis dahin nicht gekannter Höhe verschlungen hat, soll, wenn es regelmäßig anderen Stonecipheco-Produkten beigemischt wird, die geistige Entwicklung von Kleinkindern, etwa beim Spracherwerb, signifikant beschleunigen. Nun hofft man bei Stonecipheco auf eine rasche Kapitalisierung. 'Interne Tests haben gezeigt, dass die Kids tatsächlich Monate, wenn nicht Jahre früher anfangen zu sprechen als bisher', verlautete in dieser Woche aus Firmenkreisen.

    Allerdings scheint die Urgroßmutter das Zaubermittel erst einmal für die Senioren reservieren zu wollen - vielleicht zur besseren Vorbereitung auf den Kampf der Generationen. Jedenfalls hat sie zusammen mit anderen bejahrten Verschwörern den Schlüssel zur Patentlösung an sich gebracht und ist mit allen übrigen Insassen ihres Luxus-Altenheims untergetaucht. Was bei der Urenkelin Lenore große Sorge und im Familienkonzern reine Panik auslöst. Es gibt keinerlei Spur von den Alten, nur der Ziervogel von Lenores Mitbewohnerin nervt plötzlich mit einer so gesteigerten Redseligkeit, als wäre er mit einem ganz besonderen Stoff gefüttert worden. Lenore begibt sich also auf die Suche nach ihrer Urgroßmutter.

    Obwohl diese Suche den ganzen Roman hindurch allerlei Bewegung und Ortswechsel in Gang setzt, wäre es übertrieben, darin die Handlung zu sehen. Viel mehr als um Handlung im herkömmlichen Sinne geht es hier um Sprachhandlungen, ganz einfach gesagt: um das unablässige Ringen, durch Sprache, Sprechen, Reden und Quasseln sich mit der Wirklichkeit und den anderen Menschen auseinanderzusetzen. Das heißt, es geht um den Gebrauch der Sprache in den Zeiten ihrer technischen und operativen Beschleunigung. Und das ist nichts anderes als eine ungeheure, äußerst vielschichtige Komödie.

    Nehmen wir nur das absurde Desaster der Missverständigungen, welches Lenore alltäglich in ihrem bescheidenen Job als Telefonistin, also an einem Brennpunkt der Kommunikationsgesellschaft, erlebt.

    'Frequent & Vigorous', sagte sie.
    'Die Scheißkarre springt nicht mehr an', sagte eine Stimme.
    'Es tut mir leid, Sir, aber Sie sprechen nicht mir dem Abschleppdienst Cleveland Towing, sondern mit dem Verlagshaus Frequent & Vigorous. Ich gebe ihnen gern die richtige Nummer, allerdings ohne Garantie.'


    Wallace zeigt schon hier eine frühe Meisterschaft darin, jene Sprachspiele - oft mit satirischer Zuspitzung - vorzuführen, die unsere Weltbilder einfangen, interpretieren und widerspiegeln oder, was häufig vorkommt, alles ungeheuer verzerren. Besonders gut eignen sich dazu Dialoge, in deren Erfindung dieser Autor kaum zu übertreffen ist. Auf Schilderungen versteht er sich zweifellos ebenfalls, doch mit viel größerer Passion bringt er seinen Stoff in die Form von speziellen Textarten.

    Allenthalben findet sich bei ihm zum Beispiel die Form des Protokolls. In Fall dieses Romans handelt es sich pikanterweise um die sehr lustigen Mitschriften der sehr konfliktgeladenen Therapiesitzungen des Liebespaares Lenore Beadsman und Rick Vigorous. Beide haben denselben Psychologen, woraus köstliche Indiskretionen und Rückkopplungen entstehen. Andere Protokolle verzeichnen die Vorgänge im Gouverneursbüro oder die Schmierenkomödie bei der Hochzeit von Lenores Vater. Und wenn dieser Tycoon der Nahrungsbranche ohne Punkt und Komma richtig loslegt, dann kann es keinen Zweifel geben, dass auch der Chefmonolog zu den völlig eigenständigen Textgenres gehört. Außerdem gibt es Presseartikel, Tagebucheintragungen, literarische Notizen und nicht zu vergessen die eine oder andere High-Tech-Gebrauchsanleitung, natürlich die Kommunikationstechnik betreffend.

    Den größten Raum als Text im Text nimmt jedoch die Erzählung ein, die Short Story oder die manchmal ex tempore erfundene Geschichte. Das hat zwei Gründe. Erstens ist Rick Vigorous Chef des Verlagshauses Frequent & Vigorous, dessen Name, der sich als "oft & heftig" übersetzten lässt, sowohl im Hinblick auf Ricks sexuelle Fähigkeiten als auch auf den Ausstoß von Büchern, entschieden zuviel verspricht. Zweitens benutzt Rick die vielen Stories, die ihm von hoffnungsvollen Autoren zugesandt werden, um Lenore im Bett mit erfundenen Geschichten für seine ausbleibenden Taten zu entschädigen. Und im Lauf der Zeit geht er sogar dazu über, die verschiedenen Beziehungsprobleme, mit denen sich die beiden herumschlagen, zu fiktionalisieren und in die Geschichten, die er Lenore erzählt, einzubauen. Was dazu führt, dass er sich mit ihr schließlich nur noch auseinandersetzen kann, wenn er sich zwanghaft eine narrative Maske vorhält.

    'Du wirst sehen, diese Geschichte ist ebenso unterhaltsam wie ergreifend wie bemerkenswert.'
    'Rick, es gibt da etwas, über das müssen wir uns dringend unterhalten. Du sprichst nämlich mit einem Nervenbündel. Wir müssen uns aussprechen.'
    'Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass alle Probleme im Kontext der von mir angedachten Geschichte nicht nur behandelt, sondern auch gelöst werden können.'
    'Das bezweifle ich.'


    Überflüssig zu sagen, dass Lösungen, Klärungen und Sinngebungen jeder Art ausbleiben. Gleichgültig, wie viel Sprach- und Sprechaufwand getrieben wird, wie viele Textformen zum Einsatz kommen. Das letzte Wort haben der Fernsehprediger Reverend Sykes und sein plappernder Nymphensittich. Und beim allerletzten Wort wird Rick Vigorous durch den Schriftzug "ENDE" gerade noch an der lachhaften Behauptung gehindert, er sei ein Mann, der zu seinem Wort stehe.

    Der kühne Debütroman von David Foster Wallace erscheint mit siebzehnjähriger Verspätung, doch er bewährt sich auch in unserer Gegenwart, die damals noch eine relativ ferne Zukunft war.

    In seinen späteren, zuerst ins Deutsche übersetzten Erzählungen hat man den Autor als eine singuläre Stimme der jüngeren amerikanischen Literatur schätzen gelernt. Das dicke Wunderwerk seines Erstlings zeigt nun außerdem, dass der damals 24-Jährige damit gleich ungesäumt den erlauchten Club der postmodernen Metafiktionalisten ansteuerte. Von allen einschlägigen Zutaten findet sich da etwas: Von Thomas Pynchon die verborgenen Machtstrukturen, von William Gaddis das entropische Durcheinander, von Robert Coover die verrückten Eskalationen, von Stanley Elkin die Schlüsselrolle der Medien.

    Und natürlich finden sich auch die erzählerischen Längen, die der Nachwuchschampion schon so geläufig und ungeniert produzierte wie die Großen. "Der Besen im System" fegt eifrig, gewitzt und virtuos auf vielen Ebenen. Gleichwohl wird manches einfach wiederholt, zerdehnt oder breitgetreten. Doch um solche Schwächen kann man herumlesen. Und kommt dabei vielleicht auf den boshaften Gedanken, dass der reich begabte Jungautor seine monumentalen Vorbilder womöglich sogar noch mit der ultimativen post-postmodernen Romanparodie in die Pfanne hauen wollte.