Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Messe "Importersatz" in Moskau
Hoffen auf patriotische Käufer

Im vergangenen Sommer hatte Moskau die Einfuhr von Lebensmitteln aus den Ländern verboten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Das sei eine Chance für die heimische Industrie, hieß es. Was die zu bieten hat und ob "Hergestellt in Russland" ein Gütesiegel ist, zeigt die Messe "Importersatz" in Moskau.

Von Gesine Dornblüth | 17.09.2015
    Ein Aussteller zeigt Hygieneartikel aus russischer Produktion als Ersatz für Konkurrenz aus Polen und Schweden
    Der Domodedovksy-Farm-Lebensmittelmarkt in Moskau/Russland (deutschlandradio.de / Gesine Dornblüth)
    Für das Unternehmen "Ferma Rosta", "Farm des Wachstums", kam das Importverbot für westliche Lebensmittel letztes Jahr gerade richtig. Kurz zuvor hatte der Betrieb im Moskauer Umland mit modernen Anlagen neu eröffnet. Er produziert derzeit bis zu 70 Tonnen Milch, Butter und Sahne am Tag. Jetzt steht Mitarbeiterin Natalja Orjol auf der Messe "Importersatz" in Moskau, und alle paar Minuten kommt ein Besucher vorbei, um an ihrem Stand Milch zu kaufen. "Als das Importverbot kam, waren wir gerade dabei, Verträge mit den Handelsketten abzuschließen. Die Sanktionen haben uns den Marktzugang erleichtert. Wir haben eigentlich keine Konkurrenz."
    Das Unternehmen setzt auf hochpreisige Bioprodukte und will die Marktlücke füllen, die der finnische Konzern Valio in Russland hinterlassen hat. Auffallend: Auf den Milchtüten des russischen Erzeugers steht "organic" ganz unpatriotisch in englischen Buchstaben. Ein Versäumnis, das man jetzt korrigieren wolle, wie die Mitarbeiterin versichert.
    Wie ein willkürliches Sammelsurium
    Nicht alle Aussteller sehen den Importersatz als Chance. Die russische Firma Ekol ist seit 2008 auf dem Markt, sie produziert Halal, also nach islamischen Regeln in Russland geschlachtetes Fleisch: Vor allem Rind und Lamm, rund tausend Tonnen im Monat. Durch das Einfuhrverbot sei die Nachfrage nach russischem Schlachttier gestiegen – und damit auch die Preise für den Einkauf, erzählt Vertriebsmanager Daler Chamadow. "Wir sind Opfer der Gegensanktionen. Wir mussten unsere Preise um 20 bis 30 Prozent anheben. Die Kunden gehen über zu billigeren Produkten, zu Hühner- oder Schweinefleisch. Unser Absatz ist um bis zu 40 Prozent gesunken."
    Insgesamt wirkt die Messe in Moskau wie ein willkürliches Sammelsurium dessen, was der russische Erzeugermarkt derzeit zu bieten hat. Die Region Wologda wirbt mit Tee, das Gebiet Stawropol in Südrussland mit Insektenvernichtungsmittel und Deodorant, es gibt Wein von der Krim, ein Gewächshaus aus Moskau, einen Krankenwagen vom Typ Gazel aus Nischnij Nowgorod, einige Maschinen, wenig Elektronik. Die russische Regierung will auch die Einfuhr westlicher Medizintechnik beschränken – ein in der russischen Öffentlichkeit umstrittenes Thema, denn es gibt bisher kaum russischen Ersatz. Das Innovationszentrums Zitc in Zelenograd nahe Moskau präsentiert auf der Messe eine Herzpumpe. Sie ist für Patienten gedacht, die auf eine Herztransplantation warten, erläutert der Ingenieur Viktor Lazarew. Insgesamt kämen in Russland jedes Jahr 2000 solcher Pumpen zum Einsatz: bisher aber meist Importgeräte. Das russische Modell wurde erst zwölf Menschen eingesetzt. "Der erste Patient hat unser Gerät 9 Monate getragen, dann bekam er ein Spenderherz. Der größte Vorteil ist der Preis. Importprodukte kosten das Doppelte bis Dreifache."
    Möglichst überhaupt keine anderen Produkte mehr
    Viele Aussteller hoffen, dass die Kunden patriotisch kaufen, russische Produkte wählen, auch wenn die Konkurrenz aus dem Ausland gar nicht verboten ist. Die Firma Gigiena-Servis aus dem Gebiet Kaluga präsentiert ein mobiles Pissoir für Männer namens "Mobi Piss" und Inkontinenzeinlagen. Der Markt werde bisher von einer polnischen Marke dominiert, sagt Julia Kuleschowa, Marketingspezialistin des russischen Herstellers. Ihre Einlagen seien dagegen kaum bekannt. "Wir wollen den Importersatz nutzen, um die Nummer eins auf dem Markt zu werden. Damit hier möglichst überhaupt keine anderen Marken mehr verkauft werden. Hier ist Russland."
    Der Slogan "Hergestellt in Russland" soll, so heißt es an einigen Ständen, zu einem Gütesiegel werden. Bis dahin, so zeigt die Messe "Importersatz", ist es noch ein weiter Weg.