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Metamorphose

Seit dem 1. Januar ist eine neue Datenbank in Betrieb, die Sozialdaten von cirka 40 Millionen Bundesbürgern speichern soll. Elektronischer Entgeltnachweis, kurz Elena, heißt dieses Verzeichnis und ruft Datenschützer auf den Plan.

Von Peter Welchering | 23.01.2010
    Elena hat einen Vater, und der heißt Peter Hartz. Als der damalige VW-Personalvorstand und enge Vertraute des im Jahre 2002 amtierenden Bundeskanzlers Gerhard Schröder in der nach ihm benannten Regierungskommission Konzepte zur Förderung des Arbeitsmarktes diskutieren ließ, war ziemlich schnell klar, dass die von den Arbeitgeberverbänden vorgetragenen Forderungen nach Entbürokratisierung des Arbeitsmarktes im "Aktionsprogramm Informationsgesellschaft Deutschland 2006" berücksichtigt werden mussten.

    So wurde in der Hartz-Kommission das "Projekt Jobcard" entwickelt, das im regierungsamtlichen Aktionsprogramm Informationsgesellschaft neben der Gesundheitskarte zum wichtigsten Bestandteil von Bund online 2005 avancierte.

    Ehrgeizige Ziele hatte sich die Regierung Schröder mit der Jobcard vorgenommen. Bereits im Herbst 2002 startete ein Modelversuch, mit dem die zentrale Speicherung von sogenannten Arbeitsbescheinigungen entwickelt werden sollte. Vorgesehen war, alle zur Beschreibung eines individuellen Beschäftigungsverhältnisses notwendigen Arbeitnehmerdaten zu erfassen. Bereits im Oktober 2003 sollte das, was seit dem 1. Januar 2010 nunmehr unter dem Projektnamen "Elektronischer Entgeltnachweis" läuft, als großangelegtes Praxisprojekt starten. Bis zum Ende des Jahres 2004 sollten im Projekt Jobcard II auch alle Einkommensnachweise von Arbeitnehmern zentral gespeichert werden.

    Die Jobcard sollte ab 2005 sogar den Sozialversicherungsausweis ersetzen. Verpflichtend eingeführt werden sollte sie dann entgültig zum 1. Januar 2006.

    Mit der Jobcard wollte die Hartz-Kommission Bürokratie abbauen. Die Arbeitsmarktexperten hatten ermittelt, dass die drei Millionen Arbeitgeber in Deutschland ihren Arbeitnehmern Verdienst- und Arbeitsbescheinigungen für nahezu 200 verschiedene behördliche Antragsverfahren ausstellen. Wenn solche Bescheinigungen durch die Jobcard überflüssig würden, so rechneten die Experten weiterhin hoch, könnten die Arbeitgeber in ihren Personalverwaltungen drastisch sparen, denn das Erstellen solcher Bescheinigungen wurde mit 100.000 Personentagen veranschlagt. Mögliche Einsparung für die Arbeitgeber: 500 Millionen Euro pro Jahr.

    Am 21. August 2002 beschloss die Bundesregierung die Einführung der Jobcard. Doch im Laufe des Jahres 2003 stellten sich in einem Modellversuch mit fiktiven Arbeitnehmerdaten, an dem mehrere große deutsche Konzerne sich beteiligten, unerwartete Schwierigkeiten mit dem geplanten technischen Konzept heraus. Im Mai 2004 wurde der Startermin der Jobcard vom 1. Januar 2006 auf den 1. Januar 2007 verschoben. Die Zeit sollte auch genutzt werden, um die für das Projekt Jobcard benötigte Signaturkarte anwenderfreundlich zu entwickeln. Dadurch verzögerte sich das Projekt immer weiter. Vor allen Dingen die technischen Voraussetzungen zur Garantie der Datensicherheit aller mit der Jobcard erhobenen Arbeitnehmerdaten waren nicht so einfach umzusetzen.

    Am 25. Juni 2008 hat die Bundesregierung dann schließlich den Gesetzentwurf über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises beschlossen. Elena musste unbedingt ab dem 1. Januar 2010 einsatzbereit sein. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder meldeten zahlreiche datenschutzrechtliche Bedenken an. Dennoch stimmte am 6. März 2009 der Bundesrat dem Elena-Gesetz zu und am 1. April 2009 ist Elena im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Das Elena-Gesetz regelt unter anderem, dass Beschäftigte die Übermittlung von Daten aus ihrem Arbeitsverhältnis an die zentrale Speicherstelle zu dulden haben, auch wenn weder abgeschätzt, noch auf einer soliden Grundlage festgelegt werden kann, in welchem Umfang die Speicherung der Daten wirklich erforderlich ist.

    Seit Jahresanfang müssen die Arbeitgeber Angaben zu einem 57 Seiten starken Datenkatalog an das Zentralregister übermitteln. Dazu zählen mit Name, Vorname, Geburtsdatum, Wohnort und monatlichem Einkommen Daten, die auch schon bisher auf jeder Lohnbescheinigung standen. Es müssen allerdings auch sensible Daten übermittelt werden. So ist zum Beispiel auf Seite 25 des Elena-Datenkatalogs die Frage nach Fehlzeiten vermerkt. Dafür müssen auch Gründe angegeben werden, weshalb der Datenkatalog auch nach der Beteiligung an Arbeitsniederlegungen fragt. Über Elena kann so auch die Gewerkschaftszugehörigkeit eines Arbeitnehmers ermittelt werden. Bei Kündigung soll eine Bewertung des Kündigungsgrundes erfasst werden. Und auch Abmahnungen sind in der Elena-Datenbank erfasst.

    Ab dem Jahr 2012 sollen dann die bisher in Papierform von den Arbeitgebern erstellten Bescheinigungen nur noch über den elektronischen Entgeltnachweis erteilt werden. Welche Arbeitnehmerdaten dabei erfasst, gespeichert und an Behörden oder sogar an Arbeitgeber übermittelt werden sollen und dürfen, darüber wird gegenwärtig heftig diskutiert. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will demnächst eine reduzierte Datenliste für Elena vorlegen.