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Methadonambulanz
Leben dank der Ersatzdroge

Seit 20 Jahren gibt es in Bochum eine Methadonambulanz. Hier bekommen Drogensüchtige die Ersatzdroge Methadon, dabei werden sie von Ärzten und Sozialarbeitern überwacht. Das Programm hilft vielen, ein normales Leben zu führen - drogenfrei werden jedoch nur die wenigsten.

Von Kai Rüsberg | 26.11.2014
    Süchtiger trinkt Methadon: Die Ersatzdroge soll Süchtige von der Beschaffungskriminalität fernhalten
    Süchtiger trinkt Methadon: Die Ersatzdroge soll Süchtige von der Beschaffungskriminalität fernhalten (dpa/picture alliance/Ponizak Paulus)
    Jacqueline hat mit ihren 24 Jahren alle Abgründe des Lebens durchgemacht. Mit 12 vom Stiefvater missbraucht. Die Mutter war Alkoholikerin und konnte sie nicht schützen. Sie floh von zu Hause, landete auf der Straße, geriet an einen Zuhälter, wurde unter Drogen gesetzt und zum Anschaffen geschickt. Das Leben war ein Chaos. Nur mit fremder Hilfe schafft sie es heraus und fand Halt in der Ambulanz der Bochumer Krisenhilfe.
    "Die Methadonambulanz gibt mir ein Stück Sicherheit. Dann müsste ich anschaffen, um das Geld zu bekommen."
    Statt Heroin nimmt sie täglich in der Ambulanz unter Aufsicht die Ersatzdroge Methadon. Es hat keine berauschende oder gesundheitsschädliche Wirkung. Zudem überwacht ein Arzt regelmäßig ihren Gesundheitszustand. Und noch mehr. Denn in der Ambulanz ist auch eine Sozialstation integriert. Diese Betreuung ist für viele Süchtige besonders wichtig.
    "Egal welche Probleme man hat, die setzen sich für einen ein. Egal welche Probleme, ob es mit Behörden ist oder Privates, die helfen einem. Und durch das Methadon, dass es 24 Stunden hält, hat man auch die Beschaffungskriminalität nicht."
    Diese integrierten Ambulanzen wurden erstmals vor 20 Jahren eingerichtet. In Bochum erkannte man schnell, wie wichtig die Betreuung von Drogensüchtigen nicht nur für sie selbst, sondern auch für die ganze Stadt ist, sagt der Arzt der Krisenhilfe, Heinrich Elsner:
    "Bochum engagiert sich, dass ihre Bürger nicht verwahrlosen."
    "Der ganze soziale Rahmen wird von der Kasse nicht bezahlt"
    Bis dahin konnten sich Drogenkonsumenten mit ihren Problemen nur an ihren Arzt wenden. Drogensüchtige sind aber zumeist Einzelgänger, ohne sichere familiäre Strukturen. Diese sind für einen Ausstieg aus der Sucht und der Beschaffungskriminalität unerlässlich.
    "Menschen, die zu uns kommen, haben meist auch ein soziales Problem. Viele haben behördliche Dinge zu regeln und dabei ist Hilfe nötig."
    Von den schätzungsweise mehr als 1.200 Süchtigen werden etwa ein Viertel in der Bochumer Methadonambulanz betreut. Etwa ebenso viele Methadonpatienten werden in normalen Arztpraxen betreut. Doch dort ist eine umfassende Hilfe kaum möglich und kann auch nicht finanziert werden, meint Heinrich Elsner.
    "Der andere Teil der Behandlung, die psychosoziale, die ist in der hausärztlichen Praxis nicht möglich. Und vor allem ist der ganze soziale Rahmen nicht von der Krankenkasse bezahlt."
    Roland Bienert ist süchtig, seitdem ihm sein Bruder mit 18 die Droge gegeben hat. Jetzt ist er 53 Jahre alt und nie wieder von der Sucht losgekommen.
    "Habe ich gespritzt. Nicht zu wenig. Da hat der Prof gesagt, ich kann sie aufnehmen. Ziehen sie das durch, dann kriegen sie das bis zum Lebensende. Bin immer noch hier."
    Er gehört zu den ersten Klienten der Methadonambulanz in Bochum. Täglich ist er hier. Früher auch viele Stunden am Tag. Vor dem Ausstieg aus der Ersatzdroge, einer Entwöhnung, hat er Angst:
    "Bis der Nagel zu ist. Für mich hat das keinen Sinn, abstinent zu sein, weil dann gehe ich wieder auf Heroin, wenn ich kein Methadon habe."
    Zukunft der Ambulanz ungewiss
    Die Erfahrung hat in Bochum gezeigt, dass ein Ausstieg aus der Sucht nicht allein durch die Substitution von Heroin mit Ersatzdrogen gelingt. Dazu ist ein langlaufendes Ausstiegsprogramm notwendig, das sich nur wenige zutrauen. Nach den Erfahrungen aus den 20 Jahren in der Methadon-Ambulanz sind es etwa zehn Prozent, die den Ausstieg und ein dauerhaftes Leben ohne Drogen schaffen, schätzt der Leiter der Ambulanz der Krisenhilfe, Ulrich Merle, ein:
    "Wir sind damals vielleicht naiv gestartet und haben gedacht, wir werden mit den Medikamenten in der Lage sein, Abstinenz zu schaffen. Haben aber im Laufe der Jahre gemerkt, dass Überlebenssicherung das erste Ziel sein muss und Abstinenz weit weg rückt."
    Die Finanzlage der Einrichtung ist unsicher. Die medizinische Betreuung wird von den Krankenkassen bezahlt. Die Kosten der Sozialarbeit werden von der Kommune und vom Land übernommen. Besonders in ländlichen Gebieten sei die Versorgungslage bereits schwierig, sagt Merle.
    "Bundesweit ist die Versorgungslage schwierig. Bayern hat ein großes Problem. Aber auch die ländlichen Bereiche in NRW. Da gibt es ein Versorgungsproblem."
    Auch in Bochum gibt es Probleme, die Einrichtung zu finanzieren. Denn der größte Teil der Kosten wird durch kommunale Zuschüssen getragen. Da die Stadt Bochum zwischenzeitlich eine Haushaltsperre wegen ihrer Finanznot verhängen musste, fehlt dem Verein Krisenhilfe nun Geld und er muss Personal abbauen. Eigene Einnahmen kann der Verein nicht erwirtschaften. Daher ist die Zukunft der Methadonambulanz trotz 20 Jahren erfolgreicher Arbeit ungewiss.