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Methanhydrate aus dem Ozean

CO2, also Kohlendioxid, gilt als Hauptverursacher des sogenannten Treibhauseffekts. Trotzdem steigt der Ausstoß des Klimagases immer weiter. Forscher wollen jetzt den Königsweg gefunden haben, wie man CO2 einerseits sicher speichert und dabei gleichzeitig Erdgas gewonnen wird.

Von Jens Wellhöner | 29.10.2008
    Im Nordatlantik vor Spitzbergen: Gasblasen steigen auf. Sie kommen von tief unten, vom Meeresgrund. Dort liegt das brennende Eis der Tiefsee: Methanhydrat. Große, weiße Brocken, die von außen so aussehen wie normales Eis. In diesem Eis sind aber große Mengen Methangas eingeschlossen. Wie in einem Käfig aus gefrorenem Wasser. Wenn man dieses Gas aus seinem Käfig befreien würde, könnte man mit ihm Energie produzieren. Sehr viel Energie. Die Methanvorräte im Ozean scheinen fast grenzenlos, mit ihnen könnte man um ein Vielfaches mehr Energie erzeugen als mit allen Kohle- und Ölvorkommen der Welt zusammen. Versuche, an das Gas in den Methanhydraten heranzukommen, gibt es schon. Zum Beispiel, indem man warmes Wasser zu den Hydraten leitet. Klaus Wallmann, Meeresgeologe am Kieler Ifm-Geomar-Institut und Methanhydratexperte:

    "Dann schmelzen die Hydrate und dann kann man auch das Gas fördern. Das wird jetzt gerade getestet, an Land. Noch nicht im großen industriellen Maßstab, aber immerhin. Und es soll dann nächstes Jahr im Offshore-Bereich vor Japan und den USA getestet werden. "

    Gashydrate sind sehr empfindlich. Steigt die Temperatur auf über fünf Grad oder steigt [gemeint ist "sinkt", d. Red.] der Druck, löst es sich in seine Bestandteile auf. Das Methan kommt aus seinem eisigen Käfig frei und kann an die Meeresoberfläche transportiert werden. Aber: Diese Methode gefährdet Lebewesen, die sich speziell an den Lebensraum Gashydrat angepasst haben. Und es gibt noch ein Problem: Das feste Methanhydrat wirkt wie Zement auf den sehr labilen Meeresboden. Dort stapeln sich viele 100 Meter hohe sandige Ablagerungen. Fehlt das Methanhydrat, könnte es zu gigantischen Bergrutschen unter Wasser kommen:

    "Wenn man einfach nur die Methanhydrate rausräumt, indem man einfach nur die Temperatur erhöht oder den Druck erniedrigt, und die nicht ersetzt durch einen anderen Zement, dann steigt natürlich das Risiko von Hangrutschungen."

    So eine Hangrutschung kann Dutzende von Kilometern breit sein. Und Tsunamis auslösen. Klaus Wallmann und ein Verbund mehrerer deutscher Forscher glauben aber nun eine sichere Methode gefunden zu haben. Sie wollen an Methanhydrate heran kommen, die unter dem Meeresgrund liegen, umgeben von mindestens 100 Meter dicken sandigen Schichten. Und zwar sollen bei dieser neuen Methode die Gashydrate nicht zerfallen. Der Trick dabei: Die Forscher ersetzen das Methangas in seinem Käfig aus Eis durch ein anderes Gas. Und zwar durch CO2, also Kohlendioxid:

    "Das heißt, dass Methanmolekül wird aus diesen Käfigen verdrängt und durch ein CO2-Molekül ersetzt. Dabei wird dann Wärme frei, die die Reaktion weiter beschleunigt. "

    Das CO2 wird in die Hydrate injiziert, also eingespritzt. Es soll aus Kohlekraftwerken kommen. Bevor man es von dort auf seine lange Reise auf den Ozean schickt, muss das Gas aber erst verflüssigt werden. Dann wird es auf Tankschiffen abtransportiert. Klaus Wallmann:

    "Das heißt, wir kommen mit dem flüssigen CO2 zu Offshore-Plattformen. Und injizieren das dann mit großer Geschwindigkeit, damit wir auch die entsprechenden Erdgasförderraten bekommen."

    Das Ergebnis: Aus Methanhydrat wird CO2-Hydrat. Das Methangas würde so frei. Und könnte per Pipeline an die Meeresoberfläche transportiert werden. Das CO2 würde eingeschlossen bleiben, tief unter dem Meeresgrund. Und würde so nicht mehr in die Atmosphäre aufsteigen können, und den Klimawandel anheizen. Aber: Die Technologie, durch die man so große Gasmengen an die Meeresoberfläche transportieren kann, ist noch nicht ausgereift. Und:

    "Das Hauptproblem wird sein, die richtige Förderrate zu erzielen. Bisher ist es so, dass diese Umwandlung der Hydrate im Labor zu langsam abläuft. Und wir werden in den nächsten drei Jahren verschiedene Methoden testen, um das zu beschleunigen."

    Bis jetzt dauert die Umwandlung der Gashydrate im Labor noch mehrere Tage. Sehr skeptisch gegenüber der neuen Methode ist Mojib Latif, Klimaforscher am IFM-Geomar-Institut. Für ihn ist das Risiko für die Umwelt bei der neuen Methode seines Institutskollegen Wallmann noch sehr hoch:

    "Methan, auch die Methanhydrate, haben ein Treibhauspotenzial. Das heißt, sie tragen zur globalen Erwärmung bei, wenn sie in die Atmosphäre gelangen. Entweder beim Abbau, oder wenn man es als fossile Energie verbrennt, dabei entsteht CO2. Das heizt natürlich die Atmosphäre auf!"

    Die Kieler Meeresgeologen kennen diese Bedenken. Und versuchen, ihre neue Methode, Methangas aus der Tiefe zu holen, sicherer zu machen. Ob es klappt: Nach 2011 sollen die ersten Versuche im Ozean starten. Dann werden es die Forscher wissen.