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Methanverluste
Lecks in der Öl- und Gasindustrie

Enorme Mengen Methan, die nutzlos verpuffen: Durch Lecks und Verdunstung bei der Produktion von Erdöl und Erdgas gehen der Industrie hohe Gasmengen verloren - die dann auch noch als Treibhausgas das Klima stark belasten. Dabei wären viele dieser Verluste vermeidbar.

Von Volker Mrasek | 06.12.2017
    Eine Leitung mit dem Schriftzug "Methan" auf dem Gelände einer Anlage zur industriellen Produktion von Methangas. In dieser Anlage in Werlte wird mit Hilfe von überschüssigem Ökostrom aus Wasser Wasserstoffgas und in einem zweiten Schritt Methan, also synthetisches Erdgas, hergestellt.
    Am häufigsten tritt Methan durch unbemerkte Lecks in Raffinerien und Pipelines aus (dpa / Hermann Pentermann)
    Rund 75 Millionen Tonnen - so viel Methan entweicht jedes Jahr bei der Produktion von Erdöl und Erdgas in die Atmosphäre, schätzt die Internationale Energieagentur IEA in Paris. Dort beschäftigt sich der nordirische Physiker Christophe McGlade mit dem Problem:
    "Bei der Erdgasgewinnung sind die Methanverluste etwas höher als beim Erdöl. Man kann sagen: Im Durchschnitt gehen 1,7 Prozent der weltweiten geförderten Gasmenge durch Leckagen verloren."
    Methan ist ein Hauptbestandteil von Erdgas. Am häufigsten tritt es durch unbemerkte Lecks in Raffinerien und Pipelines aus. Es verdunstet aber auch aus Erdöl, wenn das Öl in Tanks unter freien Himmel lagert. Oder es entweicht diffus aus dem Boden von Förderfeldern und aus verwendeten Bohrflüssigkeiten.
    Verluste vermeidbar - ohne Zusatzkosten
    In den meisten Fällen wäre der großindustrielle Methan-Schlupf allerdings vermeidbar. Oft sogar, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. McGlade und weitere Experten der IEA haben das jetzt genauer untersucht:
    "Wir haben uns angeschaut, welche Technologien verfügbar sind und was sie kosten. Dabei kam heraus, dass etwa drei Viertel der Methanverluste technisch vermeidbar sind. Und in 40 bis 50 Prozent aller Fälle würde das nicht einmal etwas kosten. Weil man das aufgefangene Methan ja verkaufen kann. Die Einnahmen sind dann höher als die Ausgaben für den Einbau zusätzlicher Technik."
    Enorme Treibhausgasverminderung wäre möglich
    Das im Erdgas enthaltene Methan ist ein potentes Treibhausgas. Seine Wärmewirkung in der Atmosphäre ist rund 30 mal so stark wie die von Kohlendioxid, das vor allem Kohlekraftwerke in die Luft blasen. Deshalb hätte es einen bemerkenswerten Klimaeffekt, würde man tatsächlich die Hälfte der Methanverluste in der Öl- und Gasindustrie unterbinden:
    "Um denselben Effekt beim Kohlendioxid zu erzielen, müsste die Energiewirtschaft 160 Milliarden Tonnen einsparen. So viel CO2 würden sämtliche Kohlekraftwerke in China ausstoßen, wenn sie noch bis zum Ende des Jahrhunderts liefen. Es geht hier also um wirklich enorme Treibhausgasverminderungen, die möglich sind."
    McGlade zufolge gibt es eine Reihe von Technologien, um zu verhindern, dass Methan aus Raffinerien, Tanks oder Pipelines entweicht:
    "Man kann zum Beispiel Öl-Tanks mit einer Verdunstungssperre abdichten und das Methan sammeln. Oder man setzt Infrarot-Kameras ein, um Erdgasanlagen zu inspizieren. Damit lässt sich erkennen, ob irgendwo Methan austritt, weil ein Tankhahn nicht richtig zu oder eine Leitung leck ist. Ich kenne Berichte aus Ländern, da hieß es: 'Bei uns gibt es keine Methan-Austritte, da sind wir ganz sicher!' Und dann enthüllte die Kamera eine ganze Reihe. Was zeigt, dass sich die Industrie des Problems oft noch immer nicht bewusst ist."
    Die Industrie reagiert
    Ein Problem, das in Zukunft noch größer werden soll:
    "Wir gehen davon aus, dass der globale Verbrauch von Erdgas bis zum Jahr 2040 um rund 45 Prozent zunimmt. Und der von Erdöl um zehn Prozent. Das bedeutet: Die Methanverluste der Öl- und Gasindustrie werden weiter steigen. 2040 könnten es über 100 Millionen Tonnen sein."
    Offenbar zeigen die neuen Studien der IEA jetzt aber Wirkung. Die Industrie wolle mehr gegen die unnötigen Methanverluste tun, sagt Christophe McGlade:
    "Acht große Erdgaskonzerne haben auf unseren Bericht reagiert und erklärt, dass sie etwas in der Sache unternehmen wollen. Ich denke, damit ernten sie Früchte für den Klimaschutz, die sehr niedrig hängen."