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Methusalem des Universums

Astronomie. - Astronomen glauben, die älteste bislang bekannte Galaxie entdeckt zu haben. Sie soll sich 500 Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet haben, berichten die Forscher in der aktuellen "Nature". Die Beobachtung gelang mit dem Weltraumteleskop Hubble.

Von Dirk Lorenzen | 27.01.2011
    Das Hubble Ultra Deep Field ist der tiefste Blick, den das Weltraumteleskop jemals ins All geworfen hat. Mehrere hundert Stunden lang hat Hubble auf dieselbe Stelle am Himmel gestarrt. Diese Dauerbelichtung zeigt nun die schwächsten Objekte, die die Forscher je im Universum aufgespürt haben. Auf dieser Aufnahme hat es Garth Illingworth, Astronom an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, vor allem ein blasser roter Lichtfleck angetan:

    "Diese Galaxie ist extrem lichtschwach und sehr klein, nur etwa ein Prozent so groß wie unsere Milchstraße. Zugleich ist diese Galaxie sehr dynamisch. Dort entstehen gerade viele neue Sterne. Wir sehen die Galaxie in einer Phase, als das Universum knapp vier Prozent seines heutigen Alters hatte. Wir sehen sie etwa 500 Millionen Jahre nach dem Urknall."

    Sollte der schwache Lichtfleck auf der Hubble-Aufnahme wirklich eine so weit entfernte Galaxie sein, so hätten Garth Illingworth und seine Kollegen das bisher älteste Objekt im Kosmos entdeckt. So schön dieser Rekord auch wäre – die Entfernungs- und damit Altersbestimmung ist nicht ganz eindeutig. Daher mahnt der Astronom vor zu großer Euphorie:

    "Wir kommen hier wirklich an die technischen Grenzen von Hubble. Zwar nutzen wir unsere Messmethode schon seit vielen Jahren und sie wurde oft durch andere Beobachtungen bestätigt. Aber hin und wieder lagen wir auch daneben. Unsere Daten sind nicht ganz exakt, aber wir halten sie dennoch für sehr zuverlässig. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, dass wir hier eine Galaxie 500 Millionen Jahre nach dem Urknall beobachten, liegt bei 80 bis 90 Prozent. Aber eine 100prozentige Garantie haben wir nicht."

    Die Astronomen stecken in einem Dilemma: Für eine sichere Entfernungs- und Altersbestimmung müssten sie das Licht dieser Galaxie in seine Wellenlängen zerlegen – doch dafür ist dieses Objekt zu leuchtschwach. Daher haben die Forscher diese Galaxie durch sieben verschiedene Filter beobachtet und so eine Art Stichprobe des Spektrums genommen. Nur durch die ganz roten Filter war die Galaxie zu erkennen. Das ist ein klarer Hinweis auf eine große Entfernung, aber kein echter Beleg. Erstaunlich ist, dass sich auf der Hubble-Aufnahme bisher nur diese eine möglicherweise sehr weit entfernte Galaxie finden ließ, erklärt Rachel Somerville. Als Astronomin am Wissenschaftlichen Institut des Hubble-Teleskops in Baltimore verfolgt sie die Arbeit ihrer Kollegen aus kritischer Distanz:

    "Wissenschaftlich ist es sehr schwierig, von einem einzelnen Objekt viel zu lernen. Denn wir wissen nicht, wie typisch oder untypisch diese Galaxie ist. Doch 200 Millionen Jahre später in der kosmischen Geschichte gab es schon sehr viele Galaxien – da sind gut 50 bisher bekannt. Wenn diese jetzt entdeckte Galaxie wirklich so alt ist, dann heißt das, dass innerhalb dieser astronomisch sehr kurzen Phase enorm viele Sterne entstanden sind. Offenbar blicken wir jetzt genau in die Ära 500 bis 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, in der sich Galaxien sehr schnell entwickelt haben."

    Die Astronomen ahnen jetzt, dass es im Universum nach dem Urknall wohl nur recht kurz stockfinster war. Binnen weniger hundert Millionen Jahre haben sich viele Sterne und Galaxien gebildet und wieder Licht im Kosmos gemacht. Doch was, wann und wo genau in der Anfangszeit des Weltalls passiert ist, wird Hubble allein nicht herausfinden. In die früheste Kindheit des Kosmos kann erst das James-Webb-Teleskop blicken. Die Astronomen müssen sich gedulden: Der viel größere und empfindlichere Nachfolger von Hubble startet frühestens in fünf Jahren.