Donnerstag, 25. April 2024

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Mexiko
Unterwegs mit El Chepe

Die Chihuahua al Pacífico gilt als eine der spektakulärsten Eisenbahnstrecken der Welt. Die 650 Kilometer lange Linie führt vorbei an Steppen, zerklüfteten Felsen, Marihuana-Feldern, Goldgräber-Städten und einer der tiefsten Schluchten der Welt. Zwei Mal täglich fährt auf ihr der letzte Personenzug Mexikos, El Chepe.

Von Tim Schauenberg | 08.01.2017
    Ein Zug der Chihuahua Pacific Railway überquert die Santa Barbara Brücke auf der Strecke Sierra Madre Occidental in Mexiko.
    Ein Zug der Chihuahua Pacific Railway überquert die Santa Barbara Brücke. Auf der Strecke gibt es insgesamt 37 Brücken mit einer Gesamtlänge von 3,6 km. (picture alliance / dpa / Kurt Scholz)
    Langsam fährt der Zug in den kleinen Kopfbahnhof ein. Der Lokführer der Linie "Chihuahua a Pazifico", oder auch "El Chepe" genannt, lässt es sich nicht nehmen seine Ankunft anzukündigen. Egal wie spät oder eher, wie früh es ist.
    Es ist halb sechs Uhr morgens und vor dem Bahnhof und auf dem Bahnsteig ist es noch stockfinster. Nur die tellergroßen gelben Scheinwerfer beleuchten den Anfang der Strecke zwischen der Stadt Chihuhua, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates, im tiefen Norden Mexikos und Los Mochis vor der Küste Baja Californias.
    Während der Motor der Diesel-Lock für die große Fahrt noch warm läuft, steht allen Reisenden eine lange und legendäre Zugfahrt bevor. Sie führt durch die Hochebenen Chihuahuas und Sinaloas, über alpine Berg- und Seenlandschaften hinweg, bis hinunter in die subtropische Tiefebene.
    Die Mexi
    Viele Reisende steigen während der Fahrt in Dörfern entlang der Strecke aus - und ein paar Tage später wieder ein. (imago stock / Cindy Miller Hopkins)
    Wer will fährt 650 km in 16 Stunden. Nicht wenige der Reisenden werden sich mehr Zeit lassen und in einigen Dörfern entlang der Strecke (hier gibt es eine Karte) aus- und ein paar Tage später wieder einsteigen.
    Viele Bahn-Strecken hat man verkommen lassen
    Zu dieser nächtlichen Zeit sind der Zeitungs- und der Burrito-Verkäufer die einzigen, die schon richtig wach zu sein scheinen. Während andere Verkäufer die ersten Souvenirs anbieten, füllt sich die Eingangshalle bereits mit müde aussehenden Passagieren, die sich alle den Wecker gestellt haben, um an diesem Donnerstag mit an Bord zu sein.
    Dann geht es los und die 5 Wagons setzten sich in Bewegung. Hunde bellen zum Abschied. Noch ist der Dampf der Lock nicht zu sehen, man riecht ihn nur.
    José de Jesús Bogadilla Chavez ist mit seiner Frau und seiner Tochter extra aus der Hauptstadt Mexiko-City nach Chihuahua geflogen, um diese Fahrt mitzuerleben:
    "Meine Tochter ist noch nie mit dem Zug gereist und sie sagte mir: "Papa, ich will unbedingt mal Zugfahren." Jetzt löse ich mein Versprechen also endlich ein." Sagt der Sohn eines Lokomotivführers, der beim Thema Zugfahren, so sagt er, einige Tränen verdrücken könnte.
    "Sie müssen sich vorstellen. Mexiko hatte früher in der ganzen Republik Bahnstrecken. Leider hat man die Strecken und die Wagons verkommen lassen. Ich habe meiner Tochter erzählt, dass wir immer mit dem Zug in die Ferien gefahren sind. Also warum gerade diesen Zug, weil es der einzige Personenzug in Mexiko ist."
    "Chihuahua al Pacífico" wurde 1961 fertig gestellt
    1872 hatte der US-Amerikaner Albert Kimsey Owen die Idee einer sozialistischen Kolonie an der Pazifikküste bei Topolobampo. Er plante eine Zugstrecke durch den Norden Mexikos bis in die USA. So sollte seine Kolonie New Harmony zum Dreh- und Angelpunkt für den Handel mit Waren in Übersee werden.
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    Über 650 Kilometer lang überwindet die Linie, die wegen ihrer Abkürzung ChP auch El Chepe genannt wird, fast 2.000 Meter Höhenunterschied. (imago stock / Oliviero Olivieri )
    Owen erhielt die Erlaubnis und Gelder für den Bau der Bahn. Doch seine Modellstadt und die Strecke in die USA scheiterten. Wenigstens die Strecke "Chihuahua a Pazifico" wurde 1961 fertiggestellt. Fast 90 Jahre später.
    Ende der 90er Jahre hat der mexikanische Staat den Betrieb für den Personenverkehr eingestellt, bis auf diese eine Strecke. Heute nutzen ihn ausländische Touristen gleich wie Einheimische.
    Cuauthemoc ist Zentrum der Mennoniten
    Die Sonne geht allmählich auf über den mit saftigen Gräsern bewachsenen Hügeln und Feldern, auf denen die Bauern Mais und Bohnen anbauen oder ihr Vieh zum Weiden treiben. Ein Esel steht verlassen in der Pampa und kaum eine Hütte ist zu sehen, weit und breit. Wir passieren Cuauthemoc, hier lebt der größte Teil einer evangelikalen Gemeinde, der Mennoniten.
    Mennoniten sind eine weiße und meist blonde Minderheit Mexikos, die vor rund 200 Jahren aus Deutschland und Osteuropa auf den amerikanischen Kontinent emigriert sind. Sie leben recht isoliert in ihren Gemeinden, streng nach dem Evangelium und sprechen vorzugsweise das Plattdeutsch des 18. Jahrhunderts.
    Zwar treffe ich keinen Mennoniten, dafür aber einen der schick gekleideten Schaffner: weißes Hemd, schwarze Weste, grünes Sacko. Pavel Ramírez nippt an seinem Kaffee und schaut aus dem Fenster.
    An das frühe Aufstehen habe er sich schon lange gewöhnt, er sei schon seit sechs Jahre dabei, sagt er. Außerdem entschädige der Ausblick für so manche Qual.
    "Gott sei Dank, hat das Jahr ja vier Jahreszeiten. Gewöhne ich mich also an die eine, kommt immer schon die andere und dann beginnt das Jahr wieder von vorne. Und die Landschaft ist jedes Mal wunderschön."
    Die Hochebene gilt als Hochburg für den Marihuana-Anbau
    Immer mit an Bord ist auch eine Truppe bewaffneter Männer in Uniform. Sie tragen schwere Maschinengewehre über der Schulter und patrouillieren die Wagons auf und ab.
    "Das sind Polizisten des Ministeriums. Es ist einfach nur zur Sicherheit der Passagiere und des Personals. Es ist zwar noch nie etwas passiert und trotzdem, eine reine Vorsichtsmaßnahme."
    Die wohl nötig zu sein scheint. Die Hochebene, in die wir uns langsam und ächzend durch Tannenwälder hinauf schlängeln, ist eine Hochburg für den Anbau von Marihuana und Opium mexikanischer Drogenkartelle. Von hier aus wird die Ware weiter Richtung Norden in die USA vertrieben und es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen konkurrierenden Kartellen.
    Die Bundesstaaten Sinaloa und Chihuahua, die der "Chepe" passiert, gehören daher zu den Staaten mit den höchsten Mordraten des Landes. Auf Touristen haben es die Banden dabei aber nicht abgesehen, versichert mir der Schaffner Pavel Ramírez entspannt. Das sei eine Sache, die sie unter sich regeln.
    Die zweite Klasse wird auch "Hühnerzug" genannt
    Die Prärie haben wir inzwischen hinter uns gelassen und je höher der Zug die Berge hinauf steigt, umso kälter wird es draußen.
    Nach sechs Stunden Fahrt erreichen wir gegen Mittag Creel, eine kleines Dorf mitten in der Bergen umringt von Pinienwäldern. Für viele ist es ein Anlaufpunkt für einen ersten Stopp. Auch ich steige aus und mache die Bekanntschaft mit einem alten Herren in spitzen Stiefeln und Cowboyhut. In Creel wird er nur "Don David" genannt. Er erzählt mir von den Anfängen des "Chepe".
    "Damals haben wir den Zug der zweiten Klasse noch Hühnerzug genannt, weil noch alle möglichen Menschen eingestiegen sind, die auch alles Mögliche mit an Bord gebracht haben. Hühner und was weiß ich nicht alles. Der Hühnerzug ist eine günstige Reisemöglichkeit, die viele Leute genutzt haben, um ihre Sachen zu transportieren und die sich die erste Klasse nicht leisten konnten."
    In Divisadero warten schon die Verkäuferinnen
    Als ich am nächsten Tag wieder auf den Zug aufspringe, fahren keine Hühner oder andere Tiere in der zweiten Klasse mit. Ein Transportmittel für die Landleute ist es trotzdem noch, so auch für Maríbel Luna:
    "Ich bin eigentlich aus Creel, aber praktisch lebe ich zwischen La Junta und Creel. Dort habe ich meine ganze Familie, meine Mutter, meine Geschwister, leben alle dort. Mein Mann arbeitet in La Junta als Elektriker an Telegrafenmasten, deshalb bin ich da. Ich fahre aber gerne mit dem Zug, weil er günstig ist. Er ist zwar ziemlich langsam, dafür ist es schon rauszugucken."
    Der nächste Stopp in Divisadero ist für viele eines der Highlights der ganzen Fahrt. Aber nicht nur für die Touristen, sondern auch für die Verkäuferinnen. Sie haben sich den ganzen Vormittag auf die Ankunft der Kundschaft vorbereitet. Für Señora Daisy geht es nun um ihr Tagesgeschäft.
    Die 37-jährige trägt eine bunte Blumenschürze und pinken Lippenstift. Ihre langen schwarzen Haare hat sie zu einem Dutt nach oben gebunden. Wenn sie Essen für ihre Kunden zubereitet, braucht sie komplette Bewegungsfreiheit, sagt sie. "Kommen Sie, kommen Sie zu mir, setzten Sie sich"
    Tortillas mit blauem Mais sind sehr beliebt
    Ihren Herd hat sie aus einer gelben Metalltonne gebaut, darüber ein Dach aus Wellblech, eine Bank und ein Tisch. Fertig ist das Mini-Restaurant, in dem sie ihre "Gorditas" verkauft. So heißen die kleinen Maisfladen gefüllt mit einer der zehn verschiedenen Füllungen in allen Farben, die in ebenso vielen Töpfen auf ihrem Herd köcheln.
    Hühnchen in grüner Chilisoße, Schmorfleisch, Chorizo in Tomatensoße und ohne Tomatensoße, Hackfleisch in Sahnesoße, Kartoffelfleisch. Die Handgroßen Tortillas, aus gelbem oder blauem Mais macht sie selbst. Sie schlägt noch einmal drauf, damit sie schön platt sind und wirft sie dann auf den Herd. Nach einer halben Minute sind die Gorditas fertig, um mit einer der Füllungen aus den Töpfen serviert zu werden.
    "Tortillas mit blauem Mais verkaufen sich am besten. Für eine gute Tortilla braucht man eigentlich nur Wasser und Maismehl. Das war es dann, alles vermischen, dann kommt das alles in den Comal und fertig."
    Gerade noch leer, ist ihr Stand mittlerweile bis auf den letzten Bankplatz voll. Die Europäer haben übrigens einen besonderen Geschmack, hat Señora Daisy festgestellt.
    "Klar, die Leute steigen hier aus und kommen um bei mir zu essen. Die Europäer essen gerne mit Käse gefüllte Chilis oder Chili mit Champions. Sie sind, wie soll ich das sagen. Sie sind irgendwie Vegetarier. Die mögen fast alle kein Fleisch."
    "Barranca del Cobre" ist größer als der Gran Canyon
    Ihr Geschäft läuft gut an der Haltestelle der spektakulären Aussichtsplattform. Man braucht nur einige Treppenstufen von ihrem Stand hinunter zu gehen und schon eröffnet sich ein Kilometer weiter und hunderte Meter tiefer Blick in die "Barranca del Cobre". Zu Deutsch, Kupferschlucht. Grüne Adern schneiden in die massiven Klippen hinein, ein Adler lässt sich vom warmen Wind treiben. Mit rund 700 Quadratkilometern ist sie dreieinhalb mal größer als der Gran Canyon und eine der größten Schluchten der Welt. Der Franzose Ronan teilt seine Gedanken mit mir.
    "Die Natur ist einfach wunderbar. Ich kann gerade gar nichts richtiges denken, es ist einfach fantastisch."
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    Die "Barranca del Cobre Copper", auch Kupferschlucht genannt. (imago stock&people / Christian Kober)
    Schaut man sich etwas um, kann die Idylle leicht getrübt werden. Nur wenige hundert Meter von der Aussichtsplattform entfernt wird daran gearbeitet, den Blick und die Schlucht mit einer riesigen Bungee-Säule, einer Seilbahn und einem Kletterpark zu einem Event zu vermarkten.
    Während Naturliebhabern, dabei das Herz bluten dürfte, sieht es der Touristenführer César Baltasar Loyel eher pragmatischer.
    "Mag sein. Natürlich, das sind Konstruktionen, die nicht hier sein sollten, weil sie die Gegend natürlich wenig attraktiv aussehen lassen und die Umwelt schädigen. Andererseits ist es sehr gut, dass wir so etwas machen, weil es uns mehr Tourismus bringt und ein großes Geschäft für uns ist. Also mehr Arbeit. Dasselbe mit dem neuen Flughafen, der in Creel gebaut werden soll. Dadurch werden wir mehr Arbeit haben, weil mit den Direktflügen auch mehr Leute kommen werden."
    Wer keine Lust auf Fun und Adventure hat und lieber die Natur genießen möchte, der hat auch dazu genügend Möglichkeiten. Im ganzen Gebiet können von den umliegenden Dörfern aus spektakuläre Wanderungen in die Kupferschlucht unternommen werden. Pensionen und Hotels bieten Unterkünfte für jede Preisklasse. Von Massentourismus keine Spur, dafür sind atemberaubende Ausblicke garantiert.
    900.000 US-Bürger und Kanadier verbringen ihre Rente in Mexiko
    Es geht weiter in den quietschenden Wagons des "Chepe". Wenige Kilometer weiter und bergauf, dann ist die Spitze der Strecke mit über 2400 Höhenmetern erreicht. Von nun an geht es vor allem abwärts.
    Der 70 jährige Amerikaner Bob Broaton ist zugestiegen und steht mit einem Taco in der Hand im Bistro. Er trägt ein gelbes T-Shirt auf dem "Tacotrucks on every Corner" gedruckt ist. Ein Gegen-Slogan auf eine rassistische Äußerung eines republikanischen Unterstützers Donald Trumps im US-amerikanischen Wahlkampf.
    Bei dem weißhaarigen Amerikaner, der sich mit dem Spanischen noch schwer tut, stand die Zugfahrt mit dem "Chepe" ganz oben auf der Liste. Bob Broaton ist vor vier Jahren nach Mexiko ausgewandert und somit einer von rund 900.000 US-Amerikanern und Kanadiern, die ihren Ruhestand in Mexiko verbringen.
    "Nun man trifft so eine Entscheidung nicht einfach so. Zum einen war es ganz klar eine Entscheidung wegen des Geldes. Ich lebte in Vancouver, wo es einfach sehr teuer war und im Gegensatz dazu lebe ich in Guanajuato wie ein Prinz. Und natürlich ist Mexiko kulturell auch ziemlich interessant für mich."
    Reich an Silber- und Goldvorkommen
    Als der Zug am Nachmittag in Bahuichivo anhält, steigen viele aus, um das Weinfest der Region zu besuchen und auch ich entscheide mich, eine Nacht im unweit gelegenen Cerocahui zu übernachten.
    Trotz der negativen Schlagzeilen um die Gewalt und den Drogenhandel floriert der Tourismus wieder auf der Route des "Chepe". Und gleichzeitig mit ihm auch die Bergbauindustrie um die Gewinnung von Edelmetallen.
    Trotz ihres Namens ist die Kupferschlucht nämlich eher für ihre reichen Silber- und Goldvorkommen, als für das weniger wertvolle Kupfer bekannt. Von den Spaniern entdeckt, werden die Rohstoffe dort seit drei Jahrhunderten abgebaut.
    Das 70 km entfernte und abgelegene Batopilas, war nach Mexiko-Stadt, die erste Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts. mit Strom versorgt wurde, um die Ausbeutung der Silbervorkommen mit industrieller Kraft voran zu treiben.
    Einer der letzten Goldgräber
    Auf einem meiner Spaziergänge komme ich an einer kleinen Hütte vorbei. Hier, am Stadtrand des 2.000 Seelendorfes, Cerocahui, lebt Fernando Lopez Gonzáles. Vor dem kleinen flachen Lehmhaus laufen ein paar Hühner herum und wirbeln den Sand auf. Ein Berg von Steinen steht neben der verrosteten Gerätschaft. Es sind verschiedene kleine und eine große Steinmühle, sein Arbeitsmaterial. Denn Fernando Lopez Gonzáles ist Goldgräber. Wie er sagt, der letzte von dreien in der Region.
    "Es gibt hier überall Goldadern, dort hinterm Berg. Bei der alten Miene, wo ich geboren bin habe ich gesehen, wie die Leute arbeiten. Vor zehn Jahren habe ich dann damit angefangen. Früher war ich Bauer, dann habe ich als Fahrer gearbeitet. Als es keine Arbeit mehr gab, habe ich vor zehn Jahren angefangen die Steine zu mahlen." Sagt der Vater von neun Kindern und Großvater von dreißig Enkelkindern.
    Lopez Gonzáles führt ein armes Leben. Sein Hemd ist verschlissen, voller Löcher, seine Hände und die Haut an seinen Unterarmen so dick und grau wie die eines Reptils. Er hat kaum noch Zähne.
    Mit einem kleinen Spaten schippt der alte Mann kleine gelbe Steine in die Mühle in etwa so groß wie ein Brunnen. Mit etwas Wasser vermengt mahlen zwei große Steine stundenlang das Gestein, bis es nur noch feines Pulver ist.
    Ein Gramm Gold bringt circa 20 Euro
    Dann gibt er das hochgiftige Edelmetall Quecksilber hinzu, damit das Gold gebunden wird und sich auf dem Grund absetzten kann. So kann er es später heraus waschen. Schließlich kehrt er den glänzenden Sand zusammen und lässt den Rest der sandigen Suppe direkt in den anliegenden Fluss abfließen.
    "Als ich angefangen habe gab es noch gute Goldadern, da waren es manchmal zwei Gramm pro Eimer. Aber was es heute noch gibt, da mahlt man und kriegt fast nichts dafür. Ich brauche manchmal sechs oder sieben Eimer für ein Gramm."
    Für ein Gramm Gold, bekommt er hier umgerechnet 20 Euro. Dafür muss er häufig über eine Woche schuften. Manchmal braucht man alleine mehrere Tage, um die dicken Brocken zu zerschlagen, bis er sie endlich mahlen kann.
    "Ich bräuchte viel Geld um gute Stellen im Berg zu finden. Ich kann nur das nehmen, wo andere schon waren und was ich mit den Händen aufladen kann. Damit ich gute Steine bekomme, müsste ich außerdem mit Dynamit sprengen, aber das darf ich nicht mehr. Früher ging das."
    Zugstrecke dient als Transportroute für die Industrie
    Heute sind es kanadische Firmen, die das Gold aus gleich sieben Bergwerken in der Umgebung schürfen. Sie haben kein Interesse daran, dass Menschen wie Fernando Lopez Gonzáles eigene Löcher in den Berg sprengen und herausholen, wofür die Investoren bezahlt haben.
    Die Zugstrecke des "El Chepe", dient dabei seit seiner Fertigstellung in den 60er Jahren bis heute als eine wichtige Transportroute für die Güterzüge der Industrie.
    Als ich mich verabschieden will, kommt die Frau von Fernando Lopez Gonzales zu mir. Sie hat ihren Kopf mit einem schwarzen Tuch, einem sogenannten Reposo gehüllt als Schutz vor der Sonne. Ob nun die Touristen aus Deutschland auch zu ihnen kommen würden, fragt sie mich. Vielleicht, antworte ich. Das sei gut, sagt sie und wir machen ein gemeinsames Foto. Dann verabschiede ich mich endgültig, der Zug kündigt sich bereits an.
    Die letzte Etappe von "Chepe" beeindruckt am meisten
    Noch einmal steige ich auf und es folgt die letzte Etappe der Fahrt. Aus dem Fenster betrachtet vielleicht die am meisten beeindruckende. Es geht immer abwärts durch etliche Tunnel und über rund 40 Brücken, wir passieren Wasserfälle und fahren entlang steiler Abhänge an hinreißenden Seelandschaften vorbei.
    Papaya- und Mangobäume wachsen in den Tälern und teilen sich die Einsamkeit mit alleinstehenden Hütten im Nirgendwo, des subtropischen Tieflandes. Schließlich strömt die schwüle Luft durch die Fensterschlitze, als sich die Sonne in jeder erdenklichen Nuance gelb und orange, in roten und violetten Streifen am Horizont verabschiedet. Die Pazifikküste ist nun nicht mehr weit.
    Im Speisewagen stimmen einige Reisende, die mit dem Einbruch der Dunkelheit, fröhliche Lieder anstimmen. Es sind die Banda, die Musik der Viehhirten aus dem Norden Mexikos, die uns bis in den finsteren Bahnhof von Los Mochis hineinträgt.
    Und auch wenn es schon nachts ist als wir ankommen, lässt es sich der Lokomotivführer der Linie "Chihuahua a Pazifico" nicht nehmen seine Ankunft anzukündigen, bevor der "Chepe" für diesen Tag ein letztes Mal schnauft.