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Minenunglück von Brasilien
Sechs Monate nach der Schlammlawine von Rio Doce

Beim Bruch eines Klärschlammbeckens einer Eisenerzmine im Bundesstaat Minas Gerais flossen Anfang November rund 60 Millionen Kubikmeter Klärschlamm in den Rio Doce. Zwar haben sich die Betreiber verpflichtet, Schadensersatz an Anwohner und Fischer zu zahlen, von einer Rückkehr zum Alltag kann aber bisher kaum die Rede sein.

Von Julio Segador | 06.05.2016
    Eine giftige Schlammlawine hat Teile des brasilianischen Dorfes Paracatu de Baixo im Bundesstaat Minas Gerais begraben.
    Eine giftige Schlammlawine hat Teile des brasilianischen Dorfes Paracatu de Baixo im Bundesstaat Minas Gerais begraben. (AFP / Douglas Magno)
    Der süße Fluss – wie der Rio Doce übersetzt heißt – macht seinem Namen derzeit keine Ehre. Was einst ein Naturparadies, die Heimat vieler Fischarten und die Lebensgrundlage Tausender Fischer war, ist sechs Monate nach der Schlammkatastophe über weite Strecken eine braune, undurchsichtige Brühe. Ein schlammbrauner Lindwurm, der sich auf über Hunderte von Kilometer bis zur Mündung in den Atlantik schiebt.
    Maria da Penha ist am Rio Doce aufgewachsen. Ihr Leben sei ihr Fischerboot, sei dieser Fluss, sagt sie.
    Noch gebe es Fische, trotz der braunen Brühe. Wie belastet diese seien, wisse sie aber nicht.
    Kein Alltag am Fluss möglich
    Weiter flussabwärts, nahe der Stadt Stadt Linhares ist die Situation nicht viel besser. Eine braune Brühe, von der bis heute keiner genau sagen kann, wie giftig sie wirklich ist. Rodrigo Paneto, der Umweltsekretär von Linhares, hat keine guten Nachrichten für die Flussanwohner.
    "Wir warnen die Leute davor, hier zu fischen. Sie sollen nichts aus dem Fluss essen und kein Wasser daraus trinken. Es sollte auch nicht darin gebadet werden. Wir haben noch keine Studie darüber, wie es sich auswirkt, wenn man sich weiter vom Rio Doce ernährt."
    Beim Bruch eines Klärschlammbeckens einer Eisenerzmine im Bundesstaat Minas Gerais flossen Anfang November rund 60 Millionen Kubikmeter Klärschlamms in den Rio Doce. Darin Arsen, Quecksilber und noch weitere Schwermetalle. Auf ihrem Weg zum Fluss begrub die Schlammlawine mehrere Dörfer. 19 Menschen starben.
    Betreiber der Mine ist das Unternehmen Samarco. Maury de Souza Junior, einer der Sprecher des Unternehmens, sieht die Anstrengungen von Samarco auf einem guten Weg.
    "Von den 680 belasteten Kilometern des Flusses sind 350 Kilometer wieder viel klarer, auch die Farbe ist viel besser. Und obwohl das Wasser noch orange schimmert, ist dort nach unseren Studien die Belastung bereits unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte."
    Weiter Druck auf Samarco
    Eine Aussage, die die staatliche brasilianische Umweltbehörde IBAMA so nicht teilt. Präsidentin Marilene Ramos sieht Samarco weiterhin der Pflicht. Vor allem mit Blick auf die kommende Regenzeit macht die IBAMA-Chefin Druck.
    "Das Unternehmen unternimmt nicht die notwendigen Anstrengungen, die nötig wären, um die Verwüstungen zu beseitigen, die durch den Dammbruch verursacht wurden. Es gibt Fortschritte, aber die Anstrengungen müssen intensiviert werden. Wir glauben, dass die eingesetzten Maschinen und Arbeiter nicht ausreichen."
    Erst im März hatte sich Samarco mit der brasilianischen Regierung auf einen Entschädigungsplan geeinigt. Demnach soll das Unternehmen in den kommenden Jahren umgerechnet rund fünf Milliarden Euro für Sanierung und als Entschädigung aufwenden. Für die Staatsanwaltschaft in Minais Gerais ist das nicht ausreichend. Sie stellt nun eine Summe von rund 38 Milliarden Euro in den Raum.
    Summen, die für Fischerin Maria da Penha nicht vorstellbar sind. Noch hat sie keinen Cent Entschädigung gesehen. Sie sieht nur, dass ihr ihre Lebensgrundlage geraubt worden ist.
    "Die Betreiber der Mine, Samarco, müssen die Leute unterstützen. Sie haben den Rio Doce vernichtet. Sie haben die Menschen am Fluss um ihr Einkommen gebracht. Deswegen stehen sie auch in der Pflicht."