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Migration und Integration
"Kommunikationskultur statt Leitkultur"

Deutschland braucht Zuwanderung, sonst stirbt die Gesellschaft langsam aus. Das sagte der Schriftsteller Burkhard Spinnen im DLF. Die Integration sei eine gewaltige Aufgabe für mehrere Generationen - und dazu gehöre auch das Setzen von klaren Normen.

Burkhard Spinnen im Gespräch mit Birgid Becker | 06.09.2015
    Der Schriftsteller Burkhard Spinnen im Porträt
    Der Schriftsteller Burkhard Spinnen erwartet große Veränderungen durch die Migration. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    "Wir müssen dafür sorgen, dass die Kinder der Migranten so gut deutsch lernen, dass es keine Kommunikationsprobleme im Alltag gibt", sagte Spinnen. "Und wir müssen dafür sorgen, dass Familien von Migranten keine Miniaturghettos zuhause bilden, in denen die Kinder zweisprachig sind, während die Eltern ein Leben lang auf Übersetzer angewiesen sind." Wichtiger als eine kulturelle Angleichung sei die Fähigkeit des Austausches: "Nennen wir es statt Leitkultur Kommunikationskultur."
    Deutschland habe eine freiheitliche Gesellschaft: "Wer zuhause nach den Regeln des Islam leben will, darf das genauso wie nach den strengen Regeln des katholischen oder jüdischen Glaubens", so Spinnen. Sobald man aber in den öffentlichen Raum trete, dürfe es keine existenziellen Unterschied geben - und diese Unterschiede beruhten im Wesentlichen auf mangelndem Sprachvermögen.
    "Das ist ein Generationenprojekt"
    Langfristig werde sich die Gesellschaft durch Migration verändern. Dies zu vermitteln, sei eine gewaltige Aufgabe - auch den Migranten gegenüber: "Man muss ihnen sofort sagen: Du bist als Gast gekommen, hast damit mein Leben als Gastgeber verändert und bist sofort gefordert, daran mitzuarbeiten", erklärte der Schriftsteller. "Das ist ein Generationenprojekt, denn es wird mehrere Generationen brauchen." Bislang hätten Migranten in erster Linie die Essenskultur in Deutschland verändert. "Das haben, wir ganz gut hingekriegt, aber das ist ja nur ein erster Schritt", sagte Spinnen. "Die Schritte, die noch kommen, sind viel aufwändiger. Wir müssen in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft damit leben, dass Menschen hier sind, die ein anderes gewachsenes, viel innigeres Verhältnis zur Religion haben." Man könne den Migranten nicht sagen: "Wenn ihr hier mitessen wollt, wird am Tisch nicht gebetet, weil wir das nicht tun."
    Die größte Beförderung des Mammutprojekts Integration werde in der Einsicht bestehen, dass Deutschland Zuwanderung brauche. "Wir sind dabei, langsam auszusterben, wir haben nicht genug Nachkommen, um den Gesellschaftsvertrag zu erfüllen." Migration sei notwendig, um um unsere Gesellschaft mit all ihren Möglichkeiten zu erhalten. "Wer das einmal eingesehen hat, wird sich damit abfinden, dass es Schwierigkeiten gibt auf diesem Weg", meinte Spinnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das vollständige Interview können Sie im Rahmen unseres Audio-on-demand-Angebotes mindestens fünf Monate nachhören.