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Migrationsgipfel in Berlin
Regierung will Pflege für Zuwanderer öffnen

Bis 2032 wird die Zahl der Senioren mit Einwanderungsbiografie auf 3,5 Millionen steigen. Je nach Religion und Geschlecht unterscheiden sich die Anforderungen an Ärzte und Pfleger. Schon jetzt fehlt es an Personal und Geld.

Von Stefan Maas | 17.11.2015
    Eine Pflegerinn begleitet am 12.02.2015 in Hamburg eine Bewohnerin eines Seniorenwohnheims mit ihrer Gehhilfe (Rollator).
    In den nächsten Jahrzehnten werden immer mehr Einwanderer in Deutschland pflegebedürftig - eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitssystem. (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    Niemand dürfe aus sozialen, kulturellen oder religiösen Gründen benachteiligt werden, deshalb sei es von großer Bedeutung, das Pflege- und Gesundheitssystem noch stärker für Menschen ausländischer Herkunft zu öffnen, erklärte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özogus nach dem Treffen im Kanzleramt. Dieses Thema habe nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine politische Dimension, die weit über Deutschland hinausreiche. Wenn man sich anschaue, wie der sogenannte Islamische Staat für sich werbe,...
    "... dann kann man eben durchaus feststellen, dass sie immer wieder versuchen darzustellen, wir, die westlichen Gesellschaften würden gar nicht genug für Migranten tun, beispielsweise im sozialen oder gesundheitlichen Bereich."
    Auch deshalb sei ein Gesundheitswesen, das interkulturell offen sei von großer Bedeutung. Schon heute leben in Deutschland mehr als anderthalb Millionen Senioren mit Einwanderungsbiografien, diese Zahl werde bis zum Jahr 2032 auf schätzungsweise 3,5 Millionen anwachsen. Daher habe auch das Thema Zugang zu Pflegeleistungen eine wichtige Rolle beim heutigen Integrationsgipfel gespielt, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe:
    "Es ist eine ja auch gute Entwicklung, dass Menschen, die zugewandert sind, und die vielleicht in früheren Generationen gesagt haben, aber die letzten Lebensjahre will man in der hergestammten Heimat verbringen, jetzt sagen, dies ist meine Heimat, hier lebt meine Familie, hier werde ich auch als pflegebedürftiger Mensch leben."
    Noch aber würden von Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund die Leistungen der Pflegeversicherung, nicht so stark abgerufen wie bei anderen Gruppen. Daher arbeite sein Ministerium daran, Informationen über das Gesundheits- und Pflegesystem noch einfacher und in vielen Sprachen zur Verfügung zu stellen. Auch sind kultursensible Ansätze noch nicht breit verankert, obwohl sich Wohlfahrtsverbände, Krankenhäuser und Ausbildungsstätten seit Jahren mit diesen Fragen beschäftigten, zeigt eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.
    Grundsätzlich unterschieden sich zwar die Bedürfnisse der Einwanderer nicht von denen der deutschstämmigen Pflegebedürftigen, es gebe aber besondere Wünsche bei der Religionszugehörigkeit und dem Geschlecht der Pflegekräfte. Deshalb gehöre zu einer besseren Versorgung der Pflegebedürftigen auch, betonte Ramazan Salman, der Geschäftsführer des Ethno-Medizinischen Zentrums:
    "Viele Migrantinnen und Migranten für diese Berufe in diesen Bereichen zu gewinnen, darum zu werben, sie auszubilden und auch einzustellen."
    Eine Herausforderung auch, weil bis zum Jahr 2060 die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland stärker steigen wird als bisher erwartet, wie der heute vorgestellte Pflegereport der Barmer GEK zeigt. Sind heute rund 2,6 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, werden es dann gut 4,5 Millionen sein. Fünf Prozent mehr als bislang angenommen. Diese Zahlen basieren auf dem Zensus 2011, der ergeben hat, dass bei früheren Vorausberechnungen der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung unterschätzt wurde.
    Um das derzeitige Verhältnis von Pflegenden pro Pflegebedürftigem wenigstens stabil zu halten, müsste sich der Anteil der Pflegekräfte an der Erwerbsbevölkerung mehr als verdoppeln.