Die Präparatorenwerkstatt

Wie macht man tote Tiere wieder lebendig?

43:40 Minuten
Tierpräparator Detlev Matzke bei der Arbeit im Naturkundemuseum in Berlin
Tierpräparator Detlev Matzke bei der Arbeit im Naturkundemuseum in Berlin © Deutschlandradio / Manuel Gogos
Von Manuel Gogos · 06.05.2020
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Tiere werden schon lange nicht mehr ausgestopft. Was man beispielsweise im Naturkundemuseum in Berlin sieht, nennt sich "Dermoplastik" - die Tiere werden streng nach der Natur nachmodelliert. Detlev Matzke ist einer der besten Tierpräparatoren Deutschlands. Ein Besuch in seiner Werkstatt.
Tierpräparator Detlev Matzke ist der Mann, der den Eisbären Knut so in die Vitrine setzte, dass jedem Museumsbesucher unwillkürlich ein "Oh, wie süß" entfährt. Bald geht der Berliner Chefpräparator in Rente, in einem Workshop will er einer jungen Kollegin seine Erfahrungen weitergeben: Wie macht man tote Tiere wieder lebendig?
Tierpräparator Detlev Matzke bei der Arbeit im Naturkundemuseum in Berlin
In der Präparatorenwerkstatt von Detlev Matzke im Naturkundemuseum in Berlin© Deutschlandradio / Manuel Gogos
Der Mikrokosmos-Reporter geht mit in die Lehre: Zuerst lernt er, darauf zu achten, in der Pathologie keine Spritzer abzubekommen. Auf dem Tisch ein japanischer Serau, gestern noch lebendig, heute hier, fast lecker, wie Detlev Matzke meint. Wie macht der das - einer seltenen Ziegenart die Totenmaske abnehmen und das Fell über die Ohren ziehen? Und wohin wandern die Gedanken des Präparators bei der wochenlangen, mühsamen Kleinstarbeit?
Lächelnde Ziegen, mürrisch schauende Schafe
Der Präparator interpretiert die Schnittführung und improvisiert über Ziegenphysiognomie in der Kunst:
"Die Faune der griechischen Mythologie - halb Ziege, halb Mensch - die haben immer so ein eigenartiges Lächeln; Ziegen lächeln eigentlich, während Schafe immer etwas mürrisch gucken."
Tierpräparator Detlev Matzke bei der Arbeit im Naturkundemuseum in Berlin
Tierpräparator Detlev Matzke© Deutschlandradio / Manuel Gogos
Weil die Haut des japanischen Seraus erst zum Gerber geht und die Knochen noch einige Tage in der Mazerationsanlage bleichen, demonstriert der Präparator in seinem Atelier den zweiten wichtigen Arbeitsschritt der Dermoplastik: das Aufmodellieren aus Ton - anhand eines Blauschafs. Dazu macht Detlev Matzke quasi gymnastische Übungen, um es innerlich, körperlich nachzuempfinden, das Gehen des Blauschafs im hohen Gebirge: "Es ist wahr, in gewisser Hinsicht wird man zu dem Tier." Das erste Stück Ton ist noch formlos, dann gibt es kein Zurück. Dann schließt Detlev Matzke die Augen, klemmt sich den Holztorso zwischen die Beine und spürt beim Modellieren, ob Brustkorb und Rippen des Blauschafs schon symmetrisch sind. Dazu hört der Meister Musik - den Karneval der Tiere, oder beim Gipsabkloppen auch mal Rammstein.
Augen sind das A und O eines lebendigen Ausdrucks
Am Ende - gibt es eine Anprobe für eine Schraubenzieherziege und Matzke freut sich wie ein Herrenausstatter: Wie maßgeschneidert passt die gegerbte Haut auf den nachgebauten Ziegenkörper. Jetzt muss der Präparator dem Tier nur noch die rechte Mimik verpassen, die Augen sind das A und O eines lebendigen Ausdrucks. Selbst ein Make-Up bekommt die Ziege am Ende aufgetragen.
Das Naturkundemuseum ist ein großes Haus toter Tiere, ein Haus der unendlichen Geschichten. Detlev Matzke erzählt in seinen Präparaten diese Geschichten und verhilft den Tieren so zu einem "zweiten Leben"; doch präpariert der Präparator in Zeiten des großen Artensterbens seine Tiere damit nicht auch für die Ewigkeit?
Über diese Fragen spricht Manuel Gogos mit dem Generaldirektor des Naturkundemuseums Berlin, Professor Johannes Vogel.
(Whlg. vom 19.01.2018)
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