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Mikroorganismen gegen Treibhausgase
Methan fressen und Eisen atmen

Methan ist ein Treibhausgas. Es entsteht auch durch Land- und Forstwirtschaft. Zu viele Treibhausgase erwärmen die Atmosphäre und gefährden das Klima. Nun hat man bakterienähnliche Mikroorganismen entdeckt, die Methan abbauen können. Forscherin Katharina Ettwig erklärt im DLF die globale Bedeutung dieser Organismen.

Katharina Ettwig im Gespräch mit Lennart Pyritz | 26.10.2016
    Die Kohlendioxidemissionen auf der Erde. Rote Flächen zeigen hohe Konzentrationen etwa von Auspuffgasen. Blaue Flächen zeigen hohe CO2-Konzentrationen über städtischen Zentren.
    Kohlenstoffdioxid, Fluorkohlenwasserstoffe, Methan - die Erdatmosphäre wird von verschiedenen Treibhausgasen belastet. (dpa / picture alliance / Nasa)
    Lennart Pyritz: Unter Mikroorganismen gibt es die abenteuerlichsten Lebensentwürfe. Manche leben in besonders heißer oder salziger Umgebung oder ohne Sauerstoff. Manche nutzen Licht als Energiequelle, andere Schwefel- oder Stickstoffverbindungen. Im Fachmagazin "PNAS" beschreiben Wissenschaftler jetzt Mikroben der Gruppe "Methanosarcinales", die das Treibhausgas Methan "fressen" und dabei Eisenpartikel beziehungsweise Rost veratmen.
    Welche globale Bedeutung den winzigen Organismen dank dieses Stoffwechsels zukommt, dazu habe ich vor der Sendung mit der Mikrobiologin und Studienautorin Katharina Ettwig von der Radboud-Universität im niederländischen Nijmegen telefoniert. Ich habe sie zuerst gefragt, wo und wie die Forscher die Mikroben entdeckt haben.
    Katharina Ettwig: Ja, wir haben diese Mikroorganismen eigentlich schon vor zehn Jahren entdeckt, aber wir wussten damals noch nicht, was sie alles können. Also, wir haben diese Mikroorganismen vor etwa zehn Jahren aus dem Twentekanal geholt in den Niederlanden und daran entdeckt – und das war damals auch neu und eine wichtige Entdeckung –, dass sie Methan mithilfe von Nitrat abbauen können. In der Zwischenzeit haben wir die Forschung dann ein bisschen hinten angestellt und uns um anderen Dinge gekümmert.
    Und es ist aber die Frage immer wieder aufgetaucht, wer kann eigentlich aus Methan mithilfe von Eisenverbindungen abbauen. Da haben wir selber und viele andere Kollegen diesen Prozess nämlich immer wieder in der Umwelt gefunden. Wir zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Utrechter Kollegen in der Ostsee, in Ostseesedimenten, aber der kommt auch im Grundwasser vor in anderen Meeressedimenten, in Seen. Es war aber nicht bekannt, wer das macht, welche Organismen.
    Die Organismen bauen Methan ab
    Pyritz: Was sind das denn nun für Organismen, die Sie da beschrieben haben, wie heißen die, und wovon leben die?
    Ettwig: Die sind sowas ähnliches wie Bakterien, aber dann auf genetischer Basis wieder ganz anders, Archaeen heißen die. Sie sind eng verwandt mit Mikroorganismen, die Methan produzieren, nur dass eben unsere Organismen den Prozess umdrehen und Methan abbauen. Die kommen an ganz vielen Stellen vor. Seit wir sie kennen, kann man ja auch gezielt danach suchen, also sie kommen in sehr vielen Sedimenten vor, wo es keinen Sauerstoff gibt.
    Pyritz: Können Sie das noch einmal zusammenfassen, welche Stoffwechselwege haben diese Archaeen?
    Ettwig: Ja, die ernähren sich von Methan. Also in Analogie zu uns Menschen würden sie Methan fressen. Und atmen tun sie mit entweder Nitrat oder Eisenverbindungen. Und bei den Eisenverbindungen ist es so, dass sie im Grunde den Prozess des Rostens umdrehen. Also sie nehmen oxidiertes Eisen, und was am Ende herauskommt, ist dann reduziertes Eisen.
    Pyritz: Also zusammengefasst, die fressen sozusagen Methan und veratmen Eisen beziehungsweise Rost.
    Ettwig: Ganz genau. Das Methan wiederum, das ist vielleicht gar nicht so komisch, wenn wir uns vorstellen, dass Erdgas natürlich auch für uns eine sehr gute Energiequelle ist, bloß wir verbrennen den mit Sauerstoff. Und diese Archaeen schaffen das sozusagen, das auch unter Wasser ohne Sauerstoff so zu nutzen, als Energiequelle.
    Auswirkungen auf Methan-Emmissionen?
    Pyritz: Also der Stoffwechsel dieser Archaeen beeinflusst den Eisen- und den Methanhaushalt. Methan ist ja auch ein bedeutendes Treibhausgas. Lässt sich abschätzen, welche Rolle diese Mikroorganismen für die globalen Emissionen von Methan spielen?
    Ettwig: Das können wir im Moment noch schwer sagen, also sicherlich noch keine Prozentzahlen angeben. Es ist aber klar, dass eigentlich auf dem gesamten Meeresboden sowohl viel Methan vorkommt, oder im Meeresboden vielmehr, und in vielen Bereichen des Ozeanbodens sind auch reiche Eisen- und Manganvorkommen. Mangan können diese Organismen auch benutzen. Da kann man schon annehmen, dass sie an vielen Stellen wie ein Filter wirken. Der Filter, der sorgt dann eben dafür, dass dieses Methan nicht freikommt, nicht in den Ozean und dann schließlich in die Atmosphäre gelangt.
    Pyritz: Also sozusagen ein Überhitzungsschutz für den Planeten.
    Ettwig: Genau. Allerdings einer, der sich natürlich schon Jahrmillionen Jahren so eingespielt hat, und den können wir jetzt nicht einfach hochdrehen sozusagen. Diese Organismen können uns vermutlich nicht dabei helfen, erhöhte Emissionen an anderer Stelle zu vermindern. Sondern sie sind eher schon immer da und vermindern das Methan, was einfach so natürlicherweise in Meeresböden und in anderen Sedimenten geformt wird.
    Rolle der Archaeen in der Erd-Frühgeschichte
    Pyritz: Sie haben es jetzt schon angedeutet: Der Fund könnte auch ein neues Licht auf die Frühgeschichte der Erde werfen, als die Atmosphäre besonders reich an Methan war. Kann man dieses Szenario vielleicht noch etwas mit Leben füllen?
    Ettwig: Das kann man, es ist allerdings wirklich ein spekulatives Szenario. Also die frühe Erdatmosphäre war wirklich sehr reich an Methan. Und wahrscheinlich gab es durch die rege vulkanische Aktivität auch eine ganze Menge Eisenverbindungen, die zum Teil auch verfügbar gewesen sein können für Organismen. Man könnte sich also vorstellen, dass damals diese Art von Organismen oder Verwandte davon wirklich sehr häufig waren und auch dazu beigetragen haben, das Methan aus der Atmosphäre verschwinden zu lassen.
    Pyritz: Wenn wir zurück in die Gegenwart schauen: Die Archaeen, die Sie jetzt in der Studie beschreiben, und das haben Sie eben auch erwähnt, die können auch Nitrat verwerten. Welche Relevanz hat dieser Stoffwechselweg der Archaeen?
    Ettwig: Ja, dieser Stoffwechselweg ist für uns Menschen wahrscheinlich der relevantere, denn wir könnten versuchen, sie in Mengen in Kläranlagen einzusetzen. Und da eigentlich die Technik, die viel mehr Energie braucht - nämlich mit großem Aufwand Sauerstoff in das Abwasser zu blasen -, könnte die ersetzt werden durch eine rein anaerobe Abbaukette, wo dann diese Archaeen einen Teil machen würden. Und zwar das Umsetzen von Nitrat in Ammonium. Und das Ammonium wiederum könnte von anderen anaeroben Organismen, Anammox-Bakterien, abgebaut werden zu unschädlichem Stickstoffgas.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.