Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Milliarden für Afrika
Die Flüchtlingskrise im Tunnelblick?

1,8 Milliarden Euro. Mit diesem Geld im "Nothilfe-Treuhandfonds" will die EU-Kommission vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise Afrika unterstützen. Geld, das zusätzlich zu den mehr als 20 Milliarden Euro jährlich an Entwicklungshilfe fließen soll. Ist das der richtige Weg?

12.11.2015
    Europäische und afrikanische Regierungsvertreter sitzen sich gegenüber.
    Zwei Tage lang kamen auf Malta europäische und afrikanische Regierungsvertreter zusammen (picture alliance/dpa/Tiberio Barchielli / Palazzo Chi)
    Beim Gipfel in Malta haben die EU-Staats- und Regierungschefs einen Treuhandfonds aus der Taufe gehoben, der afrikanische Länder in der Flüchtlingskrise unterstützen soll. Die Vertreter der EU-Länder unterzeichneten in der Hauptstadt Valletta eine Vereinbarung für die Gründung eines "Nothilfe-Treuhandfonds".
    Der ist mit 1,8 Milliarden Euro aus dem EU-Budget ausgestattet. Und geht es nach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wird es noch mehr: Ziel ist es, die Fonds-Summe auf 3,6 Milliarden Euro zu verdoppeln, das zusätzliche Geld soll von den Mitgliedstaaten kommen. Mehr als 20 Milliarden Euro erhalten afrikanische Staaten bereits jedes Jahr aus Afrika.
    SPD stellt Forderungen an Entwicklungshilfe
    Die Grünen-Europaabgeordnete Barbara Lochbihler rief die EU auf, ihre eigene Handels- und Agrarpolitik zu hinterfragen. Nur so ließen sich "Fluchtursachen bekämpfen, die jetzt mit Armut und Unterentwicklung zusammenhängen". Mit Blick auf die Ergebnisse des Gipfels von Valletta sagte die ehemalige Amnesty-Deutschland-Chefin im Deutschlandfunk: "Es ist zwar gut gesagt und vielleicht gut gemeint, aber sehr unrealistisch, dass das irgendwie auch nur mittelfristig erreicht werden kann."
    "Wir erleben in Valletta einen schmutzigen Deal", sagte der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, auf unsere Anfrage. Die EU verhandle ausgerechnet mit autoritären Regimen über die Rücknahme von Flüchtlinge. Damit würden europäische und auch deutsche Entwicklungsgelder zweckentfremdet. "Die EU konditioniert verantwortungsloserweise ihre Zusammenarbeit ungeachtet der menschenrechtlichen Situation vor Ort", so Kekeritz.
    Die SPD-Fraktion im Europäischen Parlament riet davon ab, die Aufgaben der Entwicklungs- mit denen der Flüchtlingshilfe zu vermischen. In ihren "Sieben Forderungen an Entwicklungshilfe und Migrationspolitik" schreiben die Abgeordneten Norbert Neuser und Birgit Sippel: "Mit einer humanen Politik zur Regelung der Migration müssen wir die Zu- und Abwanderung von schutzbedürftigen Menschen organisieren. Entwicklungshilfe muss demokratische staatliche Strukturen stärken und Armut nachhaltig bekämpfen."
    Der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland und Europa erfordere "einen tiefgreifenden Prozess des Wandels im Umgang mit Migration und Integration", stellten terre des hommes und die Welthungerhilfe in ihrem "23. Bericht zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik" fest. Die Hilfswerke forderten die Bundesregierung zum Umdenken auf. Internationale Verantwortung bedeute die Verpflichtung zu finanzieller Hilfe für die Bekämpfung von Armut und Hunger, aber auch die Umstellung der Produktions- und Konsummuster in Deutschland, sagte Albert Recknagel, Vorstand Programme von terre des hommes, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.
    Fonds soll Beschäftigung fördern
    Von den in Malta zugesagten Milliarden des Aktionsplans können 23 Länder profitieren, und zwar im Sahel-Gebiet und um den Tschad-See, am Horn von Afrika sowie in Nordafrika. Verwendet werden sollen die Mittel unter anderem, um die Beschäftigung von jungen Männern und Frauen zu fördern.
    Ein Teil wird auch für die Wiedereingliederung von Rückkehrern aus Europa bereit gestellt. Geld soll aber auch zur Verhinderung von Schlepperkriminalität und zur besseren Grenzsicherung eingesetzt werden.
    Uno warnt vor Kürzungen in der Entwicklungshilfe
    Gleichzeitig hatten zuvor mehrere Länder bereits angekündigt, bei der Entwicklungshilfe sparen zu wollen, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu finanzieren. Doch davor warnt Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon. "Wenn die nötigen Gelder für arme Regionen in solch kritischer Zeit umgeleitet werden, könnte das die Herausforderungen nur verschärfen."
    Wer die Entwicklungshilfe reduziere, handele kontraproduktiv und erzeuge einen Kreislauf, "der schädlich ist für Gesundheit, Bildung und Chancen auf ein besseres Leben in der Heimat von Millionen verletzlichen Menschen überall auf der Erde".
    (bor/tj)