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Milliarden für Sozialleistungen
Polens PiS macht teure Wahlkampf-Versprechen

Für jeden etwas Bares dabei: Ökonomisch versierte Beobachter in Polen staunen über die sozialpolitischen Versprechen des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski. Gesteigerte Sozialausgaben hatten der Partei 2015 die absolute Mehrheit eingebracht. Aber lässt sich diese neue Offensive wirklich bezahlen?

Von Jan Pallokat | 04.03.2019
Jaroslaw Kaczynski am Abend der Kommunalwahlen in Polen
"Ein Mensch, der leere Taschen hat, ist nicht frei. Wir füllen diese Taschen", hat der polnische PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski auf einem Parteitag vollmundig versprochen (imago )
Den Auftritt des eigenen Parteivorsitzenden fanden die Wahlkampfstrategen bei der PiS-Partei offenbar so gelungen, dass sie in samt und sonders in einen Wahlwerbespott für die Europawahlen aufnahmen. In nur wenigen Minuten hatte Jaroslaw Kaczynski auf einem Parteitag seinen Wählern Milliarden in Aussicht gestellt, wie später ökonomisch versierte Kommentatoren staunten: Eine Ausweitung des Kindergelds, das PiS überhaupt erst eingeführt hatte, eine 13. Monatsrente für Ältere, Steuerfreiheit für Jüngere und weiteres mehr – für jeden etwas Bares dabei. Denn:
"Ein Mensch, der leere Taschen hat, ist nicht frei. Wir füllen diese Taschen."
Tatsächlich gehörte neben nationalistischen Tönen auch das Versprechen sozialer Leistungen zu den Themen, mit denen die PiS-Partei 2015 die politische Landschaft umpflügte. Schon damals warnten Ökonomen angesichts des Kindergeldprogramms 500+, das Land drohe sich zu übernehmen und in eine Schieflage zu geraten. Tatsächlich brach Polen aber am Kindergeld nicht zusammen, das etwa ein Prozent der Wirtschaftsleistung kostet, auch dank der anhaltend guten Konjunktur finanzierte sich die gute Gabe scheinbar von selbst: Der polnische Staat gibt zwar mehr aus, als er einnimmt, aber das Defizit liegt momentan klar unter zwei Prozent.
Warnung vor "griechischer Tragödie" in Polen
Dennoch werden liberale Geister wie Leszek Balcerowicz auch jetzt angesichts neuer Versprechen nicht müde, vor einer "griechischen Tragödie" in Polen zu warnen – Balcerowicz gilt als Architekt der liberalen Reformen nach der Wende.
"So wie die Griechen haben wir über Jahre die gute Konjunktur und die EU-Mittel genutzt, aber diese Goldader geht zu Ende. Denn es ist nicht so, dass ein Mensch, der in einem Jahr das große Los gezogen hat, es im nächsten Jahr wieder ziehen wird, aber so geht die Propaganda der PiS."
Doch geht es angesichts des nicht enden wollenden Wirtschaftsbooms in Polen Balcerowicz ein bisschen wie dem Hirtenjugen, der immer wieder fälschlich vor dem Wolf warnt und vielleicht nicht mehr ernst genommen wird, sollte er wirklich kommen.
"Mehrheit polnischer Ökonomen ist nun doch beunruhigt"
Was aber sagen weniger politisch befangene Ökonomen? Witold Orlowski von der privaten Warschauer Vistula-Universität erkennt an, dass das von PiS gleich nach dem Wahlsieg eingeführte Kindergeld die Armut kinderreicher Familien stärker gesenkt hat, als gedacht, sein eigentliches Ziel, höhere Geburtenraten, aber nicht erreicht habe. Fazit: Teuer, aber nicht so schlecht.
Und die nun umrissenen neuen Programme, die die Sozialausgaben nach ersten Kalkulationen mindestens verdoppeln, und im Eilverfahren noch vor den in Polen anstehenden Wahlen Wirklichkeit werden sollen?
"Die Mehrheit der polnischen Ökonomen ist nun doch beunruhigt, denn das, was von der Regierung versprochen wird, läßt sich aus der ökonomischen Rechnung nicht herleiten und ist eher mit Politik verbunden, mit bevorstehenden Wahlen. Man muss sich bewusst sein, Polen ist trotz guter Entwicklung immer noch ganz hinten im Vergleich zum Westen, etwa was Technologie betrifft. Polen müsste die ganze Zeit intensiver investieren, um den Abstand zu verringern."
Technologischer Quantensprung ist augeblieben
Tatsächlich hatte Premier Mateusz Morawiecki, ein früherer Banker, bei Amtsantritt einen Quantensprung in technologischer Entwicklung versprochen – davon ist aktuell kaum noch die Rede. Dafür behauptete Morawiecki, der gerade erst verabschiedete Haushalt müsse trotz milliardenschwerer Programme nicht korrigiert werden.
Droht also doch ein "griechisches" Fiskal-Fiasko in Polen? Der Vergleich hinkt schon deswegen, weil das Land nicht dem Euro-Raum angehört. Käme tatsächlich eine fiskalische Krise, etwa wenn Polens mit Abstand wichtigster Wirtschaftspartner Deutschland einknickt, Polen wäre auf sich selbst gestellt – verfügte aber auch über eine Währung, die im Notfall abwerten könnte.