Donnerstag, 28. März 2024

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Milliardeninvestition in die Bundeswehr
"Wir brauchen nicht diese Größe an Panzern"

Die angekündigte 130-Milliarden-Investition in die Ausrüstung der Bundeswehr stößt bei den Linken auf Widerstand. Es fehle eine sicherheitspolitische Lageanalyse, sagte der Linken-Obmann im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu, im DLF. Deutschland sei keiner konventionellen Bedrohung ausgesetzt.

Alexander S. Neu im Gespräch mit Thielko Grieß | 27.01.2016
    Gefechtsübung mit dem Spähwagen Fennek in der Oberlausitz.
    Gefechtsübung mit dem Spähwagen Fennek in der Oberlausitz. (imago/Thiel)
    Thielko Grieß: Knapp 33 Milliarden Euro gibt die Bundesrepublik zurzeit in jedem Jahr für die Bundeswehr aus, zumindest in diesem Jahr. Das ist kein kleiner Posten im Haushalt. Die Bundesregierung macht sich nun aber sichtbar auf den Weg, diese Summe zu erhöhen. Gestern hat der Wehrbeauftragte des Bundestages - er ist eine Art Interessenvertreter der Soldaten - beklagt, die Ausrüstung sei mangelhaft, es gebe zu wenig Personal, insgesamt sei die Armee kaum einsatzfähig. Das Bundesverteidigungsministerium will reagieren und mehr Geld ausgeben.
    Jetzt begrüße ich am Telefon Alexander Neu, Obmann der Fraktion Die Linke im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Tag, Herr Neu.
    Alexander S. Neu: Schönen guten Tag.
    Grieß: Ich sage noch kurz dazu: Ihr Wahlkreis liegt bei Siegburg bei Bonn. - Hubschrauber, die fliegen können, Panzer, die nicht stehen bleiben, weil sie nicht verrostet sind, ist das etwas, wofür man mit Ihrer Stimme rechnen kann?
    Neu: Das ist natürlich eine schwierige Frage für einen Linken. Ich finde, dieser ganze Ansatz ist in der Tat schwierig. Wir haben natürlich Waffensysteme, die nicht voll einsatzfähig sind. Das hat ja auch diese Ampelliste gezeigt, die wir letztes Jahr vorgelegt bekommen haben, und auch dieses Jahr vorgelegt haben, was die Einsatzbereitschaft der Großwaffensysteme betrifft. Das ist richtig. Punkt ist aber: Es gab in der Vergangenheit enormes Fehlmanagement im BMVG.
    Grieß: Entschuldigung! Das habe ich akustisch nicht verstanden. Was für ein Management gab es?
    Neu: Fehlmanagement! Fehlmanagement in der Bundeswehr, im BMVG und in Verabredung mit der Verteidigungsindustrie oder Rüstungsindustrie. Das ist das eine. Das andere ist: Man darf die Diskussion um Rüstung, was wir benötigen an Waffensystemen, natürlich nicht von der sicherheitspolitischen Lage ablösen, und hier habe ich den Eindruck, dass es gelöst wird. Es wird hier von einem 130 Milliarden Euro Wunschzettel gesprochen, der in den nächsten 13 Jahren umgesetzt werden soll. Mir fehlt als Grundlage eine seriöse sicherheitspolitische Lageanalyse, und zwar eine seriöse und nicht eine daherabonnierte.
    "Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte können nicht innerhalb von zwei, drei Jahren behoben werden"
    Grieß: Das wollen wir trennen. Das wollen wir der Reihe nach trennen, Herr Neu. Würden Sie sagen, das Management der Bundeswehr ist immer noch so schlecht, dass es sich nicht lohnt, in dieses Fass ohne Boden weiteres Geld hineinzuwerfen, oder wo stehen Sie?
    Neu: Zugegebener Weise hat sich das Management der Bundeswehr beziehungsweise des BMVG verbessert. Das ist durchaus der Verdienst von Frau von der Leyen und der Staatssekretärin Frau Suder. Keine Frage! Aber die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte - und das kann man auch so bezeichnen - können natürlich auch nicht innerhalb von zwei, drei Jahren behoben werden. Auch das ist der Punkt. Ob nun in der Tat - es geht ja im Wesentlichen um das Heer, was ich gesehen habe - Leopard II, Fennek, Marder und so weiter, ob diese Waffensysteme die Waffensysteme der Zukunft sind, ist eine ganz andere Frage. Ich habe da meine Zweifel.
    Grieß: Sind das denn Waffensysteme, die in der Gegenwart - mehr können wir ja nicht tun; alles andere wäre Glaskugel-Schauerei, - Guckerei -, ist es für die Gegenwart gerechtfertigt, auf diese Systeme zu setzen?
    Neu: Angesichts der derzeitigen sicherheitspolitischen Lage in Deutschland und in Europa nein.
    Grieß: Was brauchen wir stattdessen?
    Neu: Wir brauchen nicht diese Größe an Panzern. Wir brauchen nicht diesen Umfang an Marder, an Fennek oder an anderen Großwaffensystemen des Heeres, weil wir keiner konventionellen Bedrohung in Europa ausgesetzt sind.
    Grieß: Warum setzt die Bundesverteidigungsministerin auf diese Systeme, die Sie für Vergangenheit halten?
    Neu: Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, warum sie unbedingt diese Systeme in den Vordergrund stellt, die wir unbedingt nicht benötigen. Ich könnte ja noch nachvollziehen, wenn sie die Luftwaffe bezeichnet, oder wenn sie die Marine bezeichnet, aber in diesem Bereich der beiden anderen Waffengattungen soll es ja keine großartigen Veränderungen geben. Insofern kann ich das nicht ganz nachvollziehen, was ihr Ansatz ist.
    Grieß: Also doch Fehlmanagement? Sie hatten gerade davon gesprochen, das habe sich verbessert.
    Neu: Natürlich. Es hat sich dahingehend verbessert, dass Frau Ministerin jetzt erst mal Klarheit ins BMVG hineinbekommt und Strukturen durchleuchtet, wo Fehlmanagement stattgefunden hat. Was die tatsächliche derzeitige Perspektive auf das notwendige Waffen-Reservoir anbetrifft, da liegt sie meiner Meinung nach falsch.
    Grieß: Nun ist es ja so, Herr Neu, dass sich die Bundeswehr in einer Reihe von Auslandseinsätzen bewegt. Das kann man beklagen, das kann man aber auch als Realität schlicht hinnehmen, weil die Beschlüsse so sind wie sie sind. Und die Soldaten, die dort im Ausland sind - das kann man argumentieren -, haben ein Anrecht auf eine anständige Ausstattung. Da geht es nicht nur um Panzer, da geht es auch um einfachere Dinge, die zur notwendigen Ausstattung dazugehören. Halten Sie es für gerechtfertigt, dafür Geld auszugeben?
    Neu: Nun, wenn man der Auffassung ist, dass man Außenpolitik mit militärischen Mitteln betreiben muss, was ja eine zunehmende Dimension darstellt, dann muss natürlich auch die Bundeswehr in dem Bereich entsprechend ausgestattet sein. Das ist keine Frage. Aber es darf natürlich nicht losgelöst sein von der Frage, ob es tatsächlich erforderlich ist, in jedem Krisengebiet auch militärisch dabei zu sein. Das ist eine ganz andere Frage, aber die muss zuvorderst beantwortet werden.
    "Wir glauben nicht, dass diese Auslandseinsätze tatsächlich eine Verbesserung herbeibringen"
    Grieß: Aber grundsätzlich würden Sie sagen, Auslandseinsätze der Bundeswehr sind unter bestimmten Bedingungen in Ordnung?
    Neu: Nein! Das kritisieren wir als Linke ohnehin. Wir haben momentan 14 laufende Einsätze. Demnächst wird wahrscheinlich Libyen dazukommen. Das sind 14 laufende Einsätze. Die Bundesregierung ist selber nicht in der Lage, den Überblick zu halten. Wir glauben nicht, dass diese Auslandseinsätze tatsächlich eine Verbesserung herbeibringen. In der Tat: die gesamten Auslandseinsätze, die gelaufen sind in den letzten Jahren, haben nicht das gehalten, was sie im Mandat versprochen haben. Sie sind weit hinter dem zurückgeblieben. Auch deshalb, weil man sich dann auf die Soldaten vor Ort verlassen hat, aber keine weitere politische Lösung verfolgt hat.
    Grieß: Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, Herr Neu, dass sich die Herausforderungen ändern. Vor zwei, drei Jahren haben wir in Europa vom IS allenfalls dunkel etwas gehört, aber nicht ausführlich darüber gesprochen. Das hat sich geändert.
    Neu: Na ja. Der IS ist herangewachsen als ein Produkt dessen, dass der Irak 2003 überfallen wurde, die staatlichen Strukturen komplett zerlegt wurden und die Sunniten als Minderheit aus dem staatlichen politischen Leben entfernt worden sind, wovon der IS sich unter anderem auch speist. Den IS zu bekämpfen, das ist militärisch nicht wirklich möglich. Man kann ihn natürlich schwächen militärisch, aber auch hier gibt es andere Möglichkeiten, ihn definitiv schachmatt zu setzen, und das ist die finanzielle Austrocknung und die Austrocknung, was personellen Nachwuchs bedeutet, oder auch der Waffenlieferungen. Nach wie vor ist die Türkei einer der Hauptübeltäter, die den IS de facto unterstützen.
    Grieß: ... sagt Alexander Neu, der Obmann von der Fraktion Die Linke im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Kritik haben wir gehört an der Strategie, die Ausgaben für die Bundeswehr zu erhöhen. Herr Neu, danke für das Gespräch heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk.
    Neu: Ja bitte! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.