Mittwoch, 24. April 2024

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"Mind the Gap" - Podcast zur Einkommensschere
"Es geht ums Geld"

Das Einkommen von Frauen in Deutschland liegt im Durchschnitt rund 21 Prozent unter dem der Männer. Die Journalistin Susanne Klingner hat nun Geschichten gesammelt, an denen Ursachen und Folgen dieses Unterschieds sichtbar werden. Doch "glücklicherweise verändert sich gerade etwas", sagte Klingner im Dlf.

Susanne Klingner im Corsogespräch mit Sören Brinkmann | 13.12.2017
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    "Geld ist der Knackpunkt", so Susanne Klingner im Gespräch."Das soll der Podcast deutlich machen." (Audible GmbH)
    Sören Brinkmann: Der Frauenstreik, die Trümmerfrauen oder auch Hausfrauengehalt. So heißen die ersten Folgen des Podcasts "Mind the Gap". Mit diesem Gap, auf den es zu achten gilt, ist die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen gemeint. Und thematisiert wird die von der Journalistin Susanne Klingner. Sie hat in Leipzig Politik und Journalistik studiert, danach ein Volontariat bei der "taz" absolviert. Dort hatte Sie die Kolumne "Die Farbe Lila" - später hat sie den Lila-Podcast erfunden, mit feministischen Themen. Und nun eben der Podcast "Mind the Gap". Guten Tag, Frau Klingner.
    Wenn wir über die Lohnlücke sprechen - das ist ein Thema, das schon länger diskutiert wird, dass eben Frauen im Schnitt zwanzig Prozent weniger verdienen als Männer. Glauben Sie, dass Sie noch neue Diskussionsbeiträge bringen können? Oder geht es Ihnen auch vor allem darum, den Druck zu erhöhen, sage ich mal?
    Susanne Klingner: Also tatsächlich gebe ich Ihnen total Recht, dass dieses Thema sehr, sehr intensiv besprochen wird und ist. Und tatsächlich hat das so eine Schwierigkeit, da noch Aufmerksamkeit zu bekommen. Und genau so war aber auch die Idee für diese Serie. Also dass man nicht immer wieder sagt: Es gibt diese 21 Prozent und dagegen müssen wir jetzt protestieren oder so. Sondern kleine konkrete Geschichten zu erzählen: Wie entsteht denn diese Lohnlücke? Oder: Durch welche Phänomene drückt sich denn die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern aus? Also da gibt es dann zum Beispiel eine Episode über eine Studie, dass Frauen, die besonders dünn sind, sehr viel mehr verdienen als Frauen, die normalgewichtig sind.
    Brinkmann: Bemerkenswert fand ich zum Beispiel eine Episode, wo Sie erzählen, dass Hausfrauen und Mütter in der schicken Upper Eastside in New York, dass die Frauen dort ein Taschengeld bekommen und am Jahresende sogar einen Bonus.
    Klingner: Also das fand ich auch eine sehr beeindruckende Geschichte. Und die fand ich vor allen Dingen spannend, weil die in mir ganz unterschiedliche Gefühle ausgelöst hat. Also erst dachte ich, das ist ja total gestört. Also: Wie kann denn der Mann der Frau irgendwie so einen Bonus zahlen dafür, dass sie jetzt eine gute Hausfrau und Mutter war? Und dann ist aber ja auch der zweite Gedanke: In Deutschland haben wir genug Hausfrauen, die das alles ohne Bezahlung machen. Und da bin ich dann auf so eine Spurensuche gegangen: Was bedeutet es denn, wenn Frauen so ein Hausfrauengehalt bekommen? Also es gab auch im Feminismus der 70er-Jahre immer mal die Forderung danach. Da ging es letzten Endes vor allen Dingen auch um die Anerkennung der Fürsorgearbeit. Diesen Fragen so nachzugehen, das legt ganz viele Geschichten frei und auch immer wieder Widersprüche. Also meine ursprüngliche Idee war, an diese Punkte zu gehen und an diesen Punkten hinzuschauen, wo Geld eine Rolle spielt im Verhältnis zwischen Männern und Frauen.
    Wir haben noch länger mit Susanne Klingner gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Brinkmann: Sind wir dann eigentlich bei dem ganz zentralen feministischen Thema?
    Klingner: Sie meinen das Thema Geld? Ja, für mich ist es schon ein zentrales Thema. Nun bin ich auch Wirtschaftsjournalistin, deswegen ist der Fokus da vielleicht auch noch einmal zentral. Aber ich muss auch sagen, dass die Fokussierung auf Wirtschaftsthemen bei mir schon mit feministischen Themen kam. Und ich sehe da schon immer wieder den Knackpunkt. Und das soll die Serie deutlich machen. Geld ist ja dann oft ein Platzhalter: Entweder zeigt es Machtverhältnisse auf oder zum Beispiel bei dieser Episode über die dünnen Managerinnen, die so viel mehr verdienen, ist es natürlich nur ein Symptom dafür, was wir von einer Frau erwarten. Wie sie aussieht, was unser Ideal ist, oder auch, was unser idealer Mann ist.
    Berufseinstieg und Kinder - Knackpunkte in der Biografie von Frauen
    Brinkmann: Wenn Sie diese Einkommensunterschiede thematisieren - und gerade bei jungen Frauen gibt es, glaube ich, häufig den Elan, dass sie sagen: Diese feministischen Debatten kann man vielleicht zur Seite schieben, wir können es doch auch nach ganz oben schaffen. Und dann kommt irgendwann die Ernüchterung?
    Klingner: Also glücklicherweise verändert sich da gerade etwas. Ich habe ein Gespräch geführt - das müsste die Folge sein, die heute online geht - über Gehaltsverhandlungen. Und da sagte die eine Gesprächspartnerin zu mir, dass die, die in Gehaltsverhandlungen die besten Gehälter erzielen, junge zielstrebige Frauen sind. Tatsächlich kann man aber oft diesen Effekt sehen, dass junge Frauen noch das Empfinden haben, dass die gleichgestellt sind. Hatte ich auch - kann ich ganz offen so sagen. In der Schule hatten wir einmal im Unterricht eine Diskussion über die Quote, und ich habe vehement gegen die Quote argumentiert, weil ich gesagt habe: Ich bin doch gut! Ich will doch diesen Job haben, weil ich gut bin. Das sehe ich heute auch anders, dass es einfach bestimmte Mechanismen gibt, in die man eingreifen muss. Und oft sind es die ersten Jahre in der Berufstätigkeit oder zum Beispiel, wenn man Kinder bekommt - das sind solche Knackpunkte, an denen einem noch einmal sehr deutlich wird, dass Frauen- und Männerleben noch unterschiedlich laufen, Männer da oft sehr viel mehr Chancen haben: sei es in der Karriere oder dass sie mehr verdienen und dass sehr viel der unbezahlten Arbeit bei Frauen hängen bleibt.
    Brinkmann: Nun habe ich aber gehört, dass Sie eigentlich ein Buch um dieses Thema herum schreiben wollten. Warum ist es jetzt ein Podcast geworden?
    Susanne Klingner lächelt in die Kamera
    Die Podcast-Autorin Susanne Klingner (Theo Klein für Audible)
    Klingner: An dem Buch arbeite ich schon ganz lange. Und Bücher haben es ja so an sich, dass man die Dinge einfach aufs Papier bringen muss und dann sollen die da auch so stehen können und wahr bleiben, sage ich mal. Das ist wahnsinnig schwer bei dem Thema. Weil sich so viel so schnell verändert. Dieses Buch jedenfalls liegt im Moment so ein bisschen auf Eis. Und dann kam von Audible diese Ausschreibung, also es war ein Aufruf, dass man Ideen einreichen sollte. Und ich dachte mir: Vielleicht kann ich dieses Thema noch einmal knacken, indem ich es eben in zwölf Episoden zerlege und mir immer ein Phänomen ganz in Ruhe anschaue, zulasse, dass es Widersprüche gibt, dass es Ungeklärtheiten gibt, dass ich keine abschließenden Antworten auf irgendetwas geben muss. Ich merke, dass es mir total gut tut, dieses Thema so anzugehen und eben nicht etwas aufschreiben zu müssen, was dann einfach auch in fünf Jahren so noch stimmt und was Antworten, tatsächlich abschließende Antworten liefern könnte.
    "Diese experimentellen Formen, die es in den USA schon gibt, würde ich wahnsinnig gern auch in Deutschland sehen"
    Brinkmann: Ihr Podcast erscheint jetzt - oder ist erschienen - bei Audible, auf der Plattform, Amazon-Tochter. Sie selbst haben aber auch eine Firma zur Podcast-Vermarktung gegründet: Hauseins. Warum jetzt diese Veröffentlichung bei Audible?
    Klingner: Die Ausschreibung bei Audible liegt schon eine Weile zurück. Der Aufruf für Konzepte war im Sommer 2016. Und ich bin zu der Zeit gerade in die USA gegangen, in ein Sabbatical und dort habe ich eigentlich so richtig meine Leidenschaft für Podcasts entdeckt, weil ich mich dort auch sehr viel mit Podcast-Produzenten unterhalten habe - also auch von den großen Produzenten von NPR oder Gimlet Media und so weiter. Irgendwie hat mich das dann angefixt. Also ich war immer Magazin-Journalistin, und den einzigen Podcast, den ich vorher gemacht habe seit 2013 war der Lila Podcast - das ist aber ein Gesprächsformat, also nicht so dieses gebaute, wie ich es jetzt für Audible mache. Die Idee, dann eine Firma zur Podcast-Produktion und auch Vermarktung zu gründen, kam dann im Frühjahr. Die Firma gibt es mittlerweile, das ist Hauseins. Und die ist nicht nur zur Vermarktung, sondern auch zur Podcast-Produktion. Also gerade dieses ganze Storytelling und diese ganzen experimentellen Formen, die es in den USA schon gibt, würde ich halt wahnsinnig gern hier auch in Deutschland mehr sehen.
    Brinkmann: Und in den USA sind gerade der Podcast-Markt und der Boom ungebrochen. Dort gibt es ja auch einen ähnlichen Podcast, was das Thema angeht, wie bei Ihrem "Mind the Gap". Haben Sie den zum Vorbild genommen oder vorab gehört?
    Klingner: Nein, den kannte ich vorher nicht. Den gibt es ja, glaube ich, seit Herbst 2016 und die Idee war, wie gesagt, aus dem Sommer 2017.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.