Donnerstag, 28. März 2024

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Ein Jahr Diesel-Gipfel
"Keine wirklichen Lösungen für die Hardwarenachrüstung"

Es sei sinnvoller in Innovationen zu investieren als Hardware in Diesel-Fahrzeugen nachzurüsten, sagte Steffen Bilger, CDU-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, im Dlf. Nachrüstungen seien zu teuer und auch zu langwierig. Vielerorts sei die Luft zudem bereits deutlich besser geworden.

Steffen Bilger im Gespräch mit Dirk Müller | 02.08.2018
    Steffen Bilger, Bundestagsabgeordnete der CDU, aufgenommen am 06.05.2016 beim Landesparteitag der baden-württembergischen CDU in Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Beim Landesparteitag soll über den geplanten grün-schwarzen Koalitionsvertrag debattiert und abgestimmt werden. Foto: Marijan Murat/dpa | Verwendung weltweit
    Steffen Bilger ist CDU-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium (dpa / Marijan Murat)
    Dirk Müller: Volkswagen liefert deutlich mehr Autos, steigert den Umsatz erheblich und macht auch mehr Gewinne - das sind jedenfalls die jüngsten Zahlen –, trotz Milliardenstrafzahlungen zuvor in den USA, trotz des Vertrauensverlustes, trotz des Imageschadens, trotz vieler enttäuschter und auch getäuschter Kunden. Dann der Diesel-Gipfel von Bund, Ländern und Städten vor einem Jahr mit vielen Versprechungen und mit Milliardeninvestitionen verbunden. Und was ist jetzt mit der Luft, die wir einatmen, um die es letztendlich geht? Dieser Luft geht es immer noch nicht wesentlich besser. Stattdessen kommen die Fahrverbote. Hamburg, demnächst wohl auch in Stuttgart, und viele andere werden wohl folgen. Es werden immer noch Autos verkauft, die den Grenzwerten nicht entsprechen. Noch immer gibt es keine nachgerüstete effektive Hardware für die Millionen Dieselfahrzeuge, die zu viel Stickoxide ausstoßen. Das ist zumindest die Kritik der Umweltverbände. Steffen Bilger ist nun am Telefon, CDU, er ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Guten Morgen!
    Steffen Bilger: Guten Morgen, Herr Müller!
    Müller: Herr Bilger, wann kommt die Nachrüstung?
    Bilger: Zum einen will ich vielleicht gleich mal aus meiner Sicht richtigstellen, dass die Darstellung, dass alles so schlimm sei und sich nichts gebessert hätte, sicherlich nicht der Realität entspricht. Wir führen manchmal die Diskussion um die Luft in unseren Städten, als würde alles immer schlimmer werden. Dabei haben wir die beste Luft seit vielen Jahrzehnten, und wir sehen ja auch, dass bei den Städten, die Probleme mit der Luftreinheit haben, immer mehr rausfallen aus der Liste, weil sie die Grenzwerte jetzt erreichen, und es ist auch unser Ziel, dass das so weitergeht.
    Müller: Es sind noch 65.
    Bilger: (Es kam leider zu Leitungsausfällen in dieser Antwort) Und da gehen wir sicher davon aus, dass auch dieses Jahr wieder viele aus dieser Liste fallen werden und dass wir am Ende auch nur bei relativ wenigen Städten wirklich über Fahrverbote diskutieren müssen. Also, es ist schon viel erreicht worden seit dem einen Jahr, seit dem Diesel-Gipfel. Wir haben viel tun können durch das Sofortprogramm Saubere Luft. (...) der Nachrüstung von (...). Da hilft man dann ganz konkret dort, wo die Probleme auftreten in den Städten. (...) können durch die Förderung der Elektromobilität. Gestern hat das Kabinett beschlossen, dass bei der Dienstwagenbesteuerung noch etwas gemacht wird, was auch dazu helfen wird, dass zusätzlich noch mal viele Elektrofahrzeuge auf die Straße kommen werden. Und können auch die weiteren Kommunen bei vielen anderen Maßnahmen (...).
    "Wir brauchen schnelle Lösungen"
    Müller: Herr Bilger, wir haben ein bisschen Schwierigkeiten mit der Leitung. Vielleicht können Sie die Position ein bisschen verändern. Ich weiß nicht, Sie sind mit Handy jetzt vermutlich verbunden mit uns. Machen wir erst mal weiter, versuchen wir es. Meine Frage war, wann kommt die Nachrüstung, auch die Wirtschaft fordert jetzt die Nachrüstung. Wann kommt sie?
    Bilger: Ich habe zu denen gehört bei den Koalitionsverhandlungen, die sich dafür ausgesprochen haben, dass wir in den Koalitionsvertrag aufnehmen, dass wir das ernsthaft prüfen und offen dafür sind. So steht es jetzt auch im Koalitionsvertrag. Allerdings haben wir schon einige Fragezeichen, die, glaube ich, auch nicht ganz unberechtigt sind. Denn zum einen muss man ja sehen, wenn wir jetzt anfangen, alle betroffenen Dieselfahrzeuge bei der Hardware nachrüsten zu wollen, geht es um sehr, sehr viele Fahrzeuge. Das heißt, das müsste erst mal bewältigt werden. Die Werkstätten sind jetzt schon gut ausgelastet. Wir brauchen aber schnelle Lösungen, die uns helfen, die Luft zu verbessern. Es geht natürlich auch um erhebliche Kosten, die damit verbunden sind. Wer soll die tragen? Die, die sagen, das müsst ihr den Automobilherstellern aufbürden, die erklären uns aber nicht, mit welcher Rechtsgrundlage das passieren sollte.
    Müller: Warum ist das denn nicht eindeutig? Da muss ich mal einhaken, wenn Sie mir das gestatten. Warum ist das nicht eindeutig, dass der Verursacher haftet?
    Bilger: Man muss ja immer unterscheiden zwischen den Autos, bei denen betrogen wurde, da ist ganz klar, dass die nachgebessert werden müssen. Dann gibt es aber eben auch viele Fahrzeuge, die zu den Problemen bei der Luftreinhaltung in den Städten beitragen, die aber zu den damals geltenden Regeln zugelassen wurden. Und da ist es rechtlich eben nicht so einfach, zu sagen, dafür muss dann die Automobilindustrie bezahlen, zumal man ja auch die Frage stellen muss, ob es wirklich sinnvoll ist, in viele, viele ältere Fahrzeuge Milliarden Euro zu investieren, oder ob nicht unser Ansatz besser ist, zu sagen, wir investieren das Geld, das uns zur Verfügung steht, in Innovationen, dass wir schnell und aber auch nachhaltig die Luft in den Städten verbessern.
    Müller: Herr Bilger, bleiben wir bei dem Punkt noch mal. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das für Sie und dann offenbar für die Bundesregierung ausgemachte, klare Sache, dass die manipulierten Fahrzeuge, die eben unter falschen Vorzeichen und Angaben verkauft wurden, dass die komplett auch mit Hardware nachgerüstet werden müssen auf Kosten der Industrie? Habe ich Sie da richtig verstanden?
    Bilger: Wir haben ja beim Diesel-Gipfel eine Vereinbarung gehabt zu freiwilligen Softwareupdates, da geht es um die Fahrzeuge, bei denen nicht betrogen wurde. Bei den anderen Fahrzeugen gab es verpflichtende Softwareupdates, die mittlerweile auch zum allergrößten Teil, zu 96 Prozent abgeschlossen sind. Hardwarenachrüstung ist noch mal ein anderes Thema. Man muss eben einfach immer unterscheiden, bei den Fahrzeugen, wo wirklich betrogen wurde, denen, die halt zugelassen wurden zu den damals geltenden Regeln.
    "Fahrverbote - politisch motiviert"
    Müller: Das war die Frage. Bei den betrogenen Fahrzeugen, wie Sie sagen, Hardwarenachrüstung auf Kosten der Industrie, wird das die Bundesregierung durchziehen?
    Bilger: Na ja, es gibt ja bisher auch gar keine wirklichen Lösungen für die Hardwarenachrüstung. Es gibt jetzt erste Ansätze, aber die Automobilindustrie hat noch nicht die Möglichkeiten, wirklich die Hardware so nachzurüsten, dass es bei einer großen Anzahl von Fahrzeugen uns weiterhelfen würde.
    Müller: Weil sie vielleicht nicht will?
    Bilger: Und diese Lösungen bräuchte es ja erst mal. Und dann muss man auch da sehen, dass es für den Verbraucher auch nicht sein kann, dass danach die Fahrzeuge mehr verbrauchen, dass die Leistung schwächer wird. Das sind halt auch Fragezeichen, die sich bei der Hardwarenachrüstung nach wie vor stellen.
    Müller: Jetzt sagen ja viele Kritiker, weil die Industrie es nicht will, weil es ihr zu teuer ist, kommen diese Lösungen nicht auf den Tisch. Andere Experten sagen, diese Hardwarenachrüstungen liegen längst auf dem Tisch. Wieso kann man das nicht lösen?
    Bilger: Wir haben ja auch eine Expertengruppe beauftragt, das zu untersuchen. Das Ergebnis der meisten Experten war, dass sie gesagt haben, das ist eigentlich eher zu teuer, wenn wir wirklich von mehreren tausend Euro pro Auto rechnen muss. Und gleichzeitig stellt sich ja wieder die Frage, wo setzen wir die Mittel sinnvoll ein. In den Städten, die jetzt betroffen sind von Fahrverboten, da kann ich die Diskussion absolut nachvollziehen. Aber in vielen Bundesländern gibt es überhaupt keine Stadt mehr, die wirklich von Fahrverboten bedroht ist. Warum muss man dort auch die Autos mit der Hardware nachrüsten, zumal es halt diese Lösungen bisher so noch gar nicht gibt? Es würde lange dauern, die zu entwickeln, die müssen dann auch zugelassen werden, und dann muss auch die Nachrüstung ja tatsächlich umgesetzt werden. Und das alles würde sehr lange dauern.
    Müller: Herr Bilger, es gibt ja auch Autofahrer, die in verschiedene Städte fahren. Also ist das ja kein Argument. Wenn er einerseits dort unterhalt des Grenzwertes der Stadt bleibt und in einer anderen Stadt im Grunde dazu beiträgt, dass der Grenzwert überschritten wird.
    Bilger: Unser Ziel war ja immer, Fahrverbote zu vermeiden. Wir haben jetzt Fahrverbote in Hamburg, wo es, glaube ich, politisch motiviert war durch Landespolitiker der Grünen. Wir haben in Stuttgart den Beschluss für Fahrverbote, da hätte man sicherlich auch mehr machen können, um das zu verhindern. Aber ansonsten kämpfen wir in allen Städten, dass es eben Fahrverbote nicht gibt. Und in den betroffenen Städten, die jetzt schon Fahrverbote beschlossen haben, geht es darum, dass die so schnell wie möglich wieder hinfällig werden.
    "Beschleunigung der ganzen Fahrverbotsdynamik"
    Müller: Das sind ja Gerichtsentscheidungen zum Teil jedenfalls gewesen, Stuttgart. Die Gerichte entscheiden ja inzwischen die Politik in vielen Fällen.
    Bilger: In Stuttgart war es aber eine politische Entscheidung, nicht in Berufung zu gehen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Die Grünen-Landtagsfraktion wollte dort das Urteil einfach anerkennen. Am Ende hat man sich nach einer langen Diskussion auf eine Sprungrevision geeinigt. Ob das jetzt im Nachhinein so klug war, wage ich mal zu bezweifeln, weil das zum einen die Verhandlungen in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht erschwert hat. Auch dort haben die Richter kritisiert, dass sie durch diese Sprungrevision ja nicht mehr grundsätzlich an dieses ganze Verfahren rangehen konnten, und es hat natürlich auch zu einer Beschleunigung der ganzen Fahrverbotsdynamik geführt.
    Müller: Wir sprechen gleich über diesen Punkt auch mit Winfried Hermann, dem grünen Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Also, diese Nachrüstungsfrage, das war auch meine erste Frage, stelle ich zum Schluss auch noch mal, ist noch nicht entschieden, muss die Öffentlichkeit und die Betroffenen noch abwarten.
    Bilger: Die Bundeskanzlerin hat ja gesagt, dass bis September diese Frage in der Bundesregierung geklärt werden soll. Wir haben unterschiedliche Auffassungen zwischen Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium, wobei die Bundesumweltministerin, wenn sie den Bundesverkehrsminister auffordert, sich jetzt für Hardwarenachrüstungen auszusprechen, eben nie die Frage beantworten kann, auf welcher Rechtsgrundlage wer bezahlt. Wie wird es umgesetzt, wie soll das schnell wirken. Das sind eben aus unserer Sicht die offenen Fragen.
    Müller: Steffen Bilger war das, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Danke, dass Sie so früh für uns Zeit gefunden haben. Ihnen noch einen schönen Tag!
    Bilger: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.