Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Synthetische Biologie
Auf dem Weg zur Designer-Hefe

Gärender Prozess: Hefezellen produzieren Bier, Medikamente, Biokraftstoffe. Um ihre Einsatzmöglichkeiten zu erweitern, arbeiten Forscher daran, der Hefe ein vollständig synthetisches Erbgut zu verpassen. Am Ziel angekommen sind sie noch nicht - haben aber auf dem Weg dorthin schon viel gelernt.

Von Michael Lange | 02.08.2018
    Braukessel der Brauerei Carlsberg in Kopenhagen, Dänemark
    Die Gene der Hefe werden so lange gemischt, bis etwas Neues entsteht - das Verfahren nennt sich Scramble (picture alliance / dpa / Jerzy Dabrowski)
    "Über Ihnen befinden sich 68.000 Liter Bier."
    In riesigen Tanks der Privatbrauerei Moritz Fiege in Bochum verrichtet die Hefe Saccharomyces cerevisiae ihre Arbeit. Sie verarbeitet Zucker zu Alkohol und CO2. Braumeister Marc Zinkler füllt eine zähe, weißliche Flüssigkeit in ein Glasgefäß.
    "Wenn die Hefe frisch ist, kann sie ganz weiß aussehen. Sieht aus wie wunderschönes Vanille-Eis."
    Neben Bier produzieren Hefezellen heute außerdem Medikamente, Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel und sogar Biokraftstoffe. Um die Einsatzmöglichkeiten in der Biotechnologie zu erweitern, haben Wissenschaftler den genetischen Aufbau der Hefe studiert und verändert. Seit etwa zehn Jahren arbeiten sie daran, der Hefe ein vollständig synthetisches Erbgut zu verpassen.
    Downsizing im Hefegenom
    Es gehe nicht darum, die Natur zu kopieren, versichert Jef Boeke vom Langone Medical Center der New York University. Dabei würde man kaum etwas lernen. Es gehe stattdessen um den Umbau, die Neukonstruktion. Dazu entwickelte Boeke mit seinem Team ein Verfahren namens Scramble. Dabei werden die Gene der Hefe so lange gemischt, bis etwas Neues entsteht. Außerdem versuchte er, die 16 Chromosomen, auf denen das Erbmaterial natürlicher Hefe gespeichert ist, zu größeren Einheiten zu verknüpfen."
    "Von 16 auf 15, von 15 auf 14 Chromosomen, immer weiter sank die Chromosomenzahl, bis nur noch zwei Riesenchromosomen übrig waren. Dafür fehlten dann die typischen Chromosomenenden, die Telomere. Sie steuern die Zellteilung. Eigentlich sollte der veränderte Aufbau die Aktivität der Gene stören, so die Vermutung. Aber nichts dergleichen geschah."
    Eine neue Spezies aus dem Labor
    "Die Hefe wächst und lebt wie normale Hefe. Selbst wenn wir sie mit Chemikalien traktieren und ihre DNA schädigen, überlebt sie erstaunlich gut. Eine neue Hefe-Spezies ist im Labor entstanden, möglicherweise mit neuen Fähigkeiten. Wie Chromosomen im Zellkern zusammenarbeiten bei Hefen, aber auch in Pflanzen, Tieren und Menschen lässt sich nun besser untersuchen. Die Zwei-Chromosomen-Hefe besitzt außerdem einen besonderen Vorteil. Sie tauscht ihre Gene nicht mit der natürlichen Hefe aus. Genmanipulation wird dadurch sicherer, da sich eingeschleuste Gene nicht ohne weiteres verbreiten können. Neue Forschungsthemen für die Wissenschaftler. Parallel arbeitet Jef Boeke weiter an der Herstellung synthetischer Hefe-DNA."
    Abschluss der Forschungsprojektes in Sicht?
    "Zum Ende des Kalenderjahres werden wir fertig sein", verspricht Jef Boeke, um dann einzuschränken: "Sie wissen ja, es könnte auch etwas länger brauchen. Mittlerweile dauert die genetische Hefekonstruktion bereits zehn Jahre. Auf ein kühles, klassisches Bier, gebraut mit natürlicher Hefe mit 16 Chromosomen, muss man zum Glück nicht so lange warten."
    "Man merkt eben: Ein leicht fruchtiger Anfang, leicht süß in der Mitte, und dann halt eben: Ein herber Abgang als solches, der dann aber relativ schnell verschwindet."